Ansätze zur Ertrags- und Liquiditätssteigerung bei Pharmaimmobilien
17.10.2011 -
Ansätze zur Ertrags- und Liquiditätssteigerung bei Pharmaimmobilien. Bei Pharmaunternehmen befindet sich ein Großteil der in Deutschland genutzten Flächen im betrieblichen Eigentum. Dennoch spielt das Management der eigenen Immobilien häufig nur eine untergeordnete Rolle, auch wenn einige Unternehmen ein kostenorientiertes Facility Management eingerichtet haben. Übergeordnete, an die Unternehmensstrategie gekoppelte Ziele im Sinne eines Corporate Real Estate Managements finden sich jedoch in der Pharmaindustrie nur selten. Viele Unternehmen lassen dadurch Kosten- und Liquiditätspotentiale ungenutzt.
Ansätze, wie der Immobilienbereich zur Kosteneinsparung und Liquiditätsverbesserung des Unternehmens beitragen kann, dürften jedoch künftig deutlich häufiger im Fokus stehen. Die Branche durchlebt schon seit längerem eine Konsolidierungswelle, bei der Unternehmen übernommen werden oder fusionieren, um so wichtige Patente zu sichern.
Die Unternehmenszusammenführung und Integration blieb jedoch bisher oft aus. Durch auslaufende Patente nimmt die Konkurrenz durch Generika- Hersteller stetig zu. Steigende Rohstoff- und Energiepreise erhöhen den Kostendruck. Die aktuelle Finanzkrise erschwert den Fremdkapitalzugang zur Realisierung wichtiger Investitionen. Experten zufolge wird die sich ankündigende Konjunkturkrise auch über den Bereich der Consumer-Produkte hinaus für weiteren Kostendruck sorgen.
Strategien zur Liquiditäts- und Ertragsverbesserung liegen neben der strategischen Optimierung des Immobilienbestandes und einem wirtschaftlicheren Betrieb unter anderem in der Überlegung, wie nicht mehr benötigte Immobilien besser verwertet werden können. Bei betriebsnotwendigen Gebäuden sind zur Verbesserung von Ratings und Senkung von Kapitalkosten Ansätze zu einer strukturierten Finanzierung zu prüfen.
Ergebnisorientierte Bewirtschaftung mit Corporate Real Estate Management
Einige Konzerne haben bereits Anfang des Jahrtausends damit begonnen, für ihr globales Immobilienvermögen ein Gebäude- beziehungsweise Facility Management einzurichten. Dieses Immobilienmanagement richtet sich jedoch vor allem an den operativen Zielen des Unternehmens aus. Praktisch gelebtes Ziel ist die kosteneffiziente Verwaltung der Immobilien. Übergeordnete, an die Unternehmensstrategie gekoppelte Ziele, die beispielsweise Wertsteigerungspotentiale und strategische oder auch steuerliche Aspekte des gesamten Immobilienportfolios betreffen, werden in der Regel nicht berücksichtigt. Einen solchen übergeordneten Ansatz verfolgt das so genannte Corporate Real Estate Management: Die Immobilienbestände werden als Teil der Unternehmensstrategie betrachtet und über strategisches, aktives und ergebnisorientiertes Management dazu genutzt, die Rentabilität des Unternehmens insgesamt zu steigern.
Aktuell weist nur etwa jedes zehnte Unternehmen ein solches übergeordnetes Immobilienmanagement auf. Dabei können Unternehmen durch ein strategisches Management die immobilienbezogenen Kosten erheblich senken. Studien über die Wirkungen des Corporate Real Estate Managements in Deutschland zeigen, dass so bis zu 20 % der Immobilienkosten eingespart werden.
Standortstrukturierung und Merger Integration
Durch Unternehmensübernahmen und -zusammenschlüsse haben viele Konzerne in der Pharmaindustrie zahlreiche räumlich verstreute und nicht integrierte Verwaltungs- und Produktionsstandorte angesammelt. Eine Folge dieser Strukturen sind in der Regel hohe Logistik- und Reisekosten, eine geringe Effizienz übergreifender Einheiten sowie ein erschwertes Immobilienmanagement. Eine Strategie zur nachhaltigen Optimierung einer solchen Situation ist der Entwurf und die Umsetzung einer Standortstruktur, die auf Dauer gesehen nicht nur Kosten senkt, sondern die Integration von Wertschöpfungsketten verbessert und die nachhaltige Entwicklung des Unternehmens unterstützt. Zugleich werden hierdurch Immobilien frei für eine neue Nutzung oder für die Verwertung.
Neben der standortübergreifenden Strukturierung sind auch standortbezogene Optimierungen zu prüfen. Ineffiziente Strukturen auf einem Grundstück oder innerhalb eines Gebäudes sind Kostentreiber. Häufig können z. B. Logistikkosten reduziert werden, wenn Baureserven auf eigenen Grundstücken genutzt und Lager direkt auf Produktionsgrundstücken errichtet werden, anstatt dezentral gelegene Lagerflächen anzumieten. Innerhalb eines Gebäudes bestehen Einsparpotentiale beispielsweise durch eine Reorganisation von Grundrissen oder Implementation neuer Bürokonzepte. Häufig ist es möglich, durch Umgestaltung von Büro- oder Verwaltungsräumen eine größere Zahl von Arbeitsplätzen auf gleicher oder kleinerer Fläche komfortabel unterzubringen.
Richtige Verwertung von nicht betriebsnotwendigen Immobilien
Oft verfügen die Konzerne aus der Vergangenheit über Immobilienvermögen, welches weder dem strategischen Geschäft noch dem direkten Betrieb dient. Diese nicht betriebsnotwendigen Immobilien belasten zumeist die Bilanz- und Ertragslage, indem sie brach liegen, Ratings negativ beeinflussen oder nicht die Renditen erwirtschaften, die im Kerngeschäft generiert werden.
Eine besondere Herausforderung stellen in diesem Zusammenhang z. B. Produktionsanlagen dar, die in der Regel einen hohen Anteil am Immobilienbesitz haben. Produktionsanlagen sind auf bestimmte Produkte ausgerichtet und damit nur bedingt flexibel einsetzbar. Die wirtschaftlich sinnvollste Strategie zur Verwertung solcher Liegenschaften kann oft mit dem üblicherweise von Maklerunternehmen begleiteten Verkauf nicht erzielt werden. Auf dem Grundstücksmarkt lassen sich nur vergleichsweise niedrige Preise erzielen und ein Verkauf speziell im derzeitigen Transaktionsmarkt ist nur bedingt und mit sehr hohen Preisabschlägen möglich.
Gelingt es jedoch, über eine entsprechende Baurechtschaffung den Grund und Boden beispielsweise für Büro- oder Einzelhandelsflächen umzuwidmen, können enorme Preissteigerungen im Verkauf erzielt werden. Gleiches gilt, wenn beispielsweise die Ausnutzung erhöht wird und auf den Grundstücken zusätzliche Geschossfläche realisiert werden darf – auch dies wird bauplanungsrechtlich geregelt und trägt maßgeblich zur Preisfindung beim Verkauf bei. Bei „begleiteten“ Transaktionen ließ sich der Verkaufspreis für betriebseigene Grundstücke von Pharmaunternehmen durch eine solche Strategie teilweise verdoppeln.
Senkung der Kapitalkosten durch Umfinanzierung
Auch die Finanzierung von Liegenschaften bietet Ansätze für eine übergeordnete Immobilienstrategie. In der Praxis sind die einzelnen Gebäude von Pharmaunternehmen häufig einzeln finanziert. Wenn ein Immobilienportfolio durch Unternehmensübernahmen oder -käufe um weitere objektfinanzierte Liegenschaften wächst, entsteht mitunter ein unübersichtliches Konglomerat einzelner immobilienbezogener Darlehen und Kapitalkosten. Durch Ablösen der Einzeldarlehen und Abschluss von neuen, strukturierten Teilportfolios oder das gesamte Portfolio umfassenden Finanzierungen lassen sich erfahrungsgemäß bis zu 25 % der Zinsaufwendungen einsparen.
Unabhängig von dieser Lösung sollte im Rahmen einer Strukturierung der bestehenden Finanzierungen auch die Beleihung von Objekten überprüft werden. Obwohl die Beleihung zusätzlicher Sicherheiten bei einer Finanzierung günstigere Zinssätze ermöglicht, werden Immobilien bei über 40 % der Unternehmen noch nicht als Beleihungspotential erkannt.
Eine alternative Finanzierungsmethode stellt die Veräußerung von Liegenschaften und das Zurückleasen beziehungsweise Zurückmieten (so genanntes Sale-and-Lease-Back bzw. Sale-and-Rent-Back) dar. Gemäß einer Studie der Ernst & Young Real Estate liegt die Eigentumsquote von mittelständischen Unternehmen in Deutschland deutlich über denen der USA und UK: Fast die Hälfte der Unternehmen halten mehr als 80 % ihrer Immobilien im Eigentum. Dabei setzt eine sinnvolle Verringerung der Eigentumsquote Kapital für Investitionen ins Kerngeschäft frei.
Sale-and-Lease-Back von Gebäuden ist eine Form des Leasings, bei der Unternehmen ihre Immobilien an eine Leasinggesellschaft verkaufen und zur weiteren Nutzung zurückleasen. In den vergangenen Jahren hat das Leasing-Geschäft in Europa stark zugenommen. Während europäische Unternehmen im Jahr 2004 Immobilien im Wert von etwa 7 Mrd. € verkauften und zurückleasten, stieg der Umfang auf 46 Mrd. € im Jahr 2007.
Ein Vorteil von Sale-and-Lease-Back-Modellen für das Unternehmen ist die mögliche Aufdeckung von stillen Reserven im Anlagevermögen – die Kaufpreise liegen je nach Bilanzierungsverfahren beziehungsweise erfolgten Abschreibungen zum Teil deutlich über dem Buchwert. Durch den Verkauf wird das zuvor gebundene Kapital freigesetzt und die Liquidität für Investitionen in das Kerngeschäft nutzbar gemacht. Zusätzlich verschwindet die Immobilie je nach Konstellation vollständig aus der Bilanz, was einen positiven Effekt auf diverse Erfolgskennziffern haben kann. Das Gebäude oder die Anlage werden auf Basis von Leasingraten/Mieten weiterhin genutzt. Je nach Ausgestaltung erhält das Unternehmen am Ende der Laufzeit eine Kaufoption oder ein Vorkaufsrecht und kann das Leasingobjekt wieder zurückkaufen.
Fazit
Trotz der großen Kapitalbindung durch Immobilieneigentum findet bei Pharmaunternehmen in Deutschland häufig kein wertorientiertes und strategisches Immobilienmanagement statt. Dies gilt insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen und damit für den Großteil der Betriebe (rund 90 % der Arzneimittel herstellenden Unternehmen in Deutschland beschäftigen weniger als 500 Mitarbeiter). Jedoch wird auch bei größeren Pharmaunternehmen das in den jeweiligen Immobilien gebundene Kapital nicht oder nur bedingt zur Stärkung des Kerngeschäfts eingesetzt. Dabei sind die Potentiale enorm: Ernst & Young Real Estate schätzt den Umfang der im Eigentum von Pharmaunternehmen befindlichen Immobilien, die ausgegliedert werden könnten, auf durchschnittlich 25 %.
Die Immobilie dürfte jedoch künftig stärker in den Fokus der Pharmaunternehmen rücken, denn die europäische Pharmaindustrie steht in Zukunft vor großen Herausforderungen. Die Ratingagentur Standard & Poor´s rechnet zwar für 2009 noch mit einer guten operativen Entwicklung, aber bereits ab 2010 laufen nach einer Studie der Ratingagentur Moody‘s wichtige Patente aus. In der Folge wird der Konkurrenzdruck durch Generika weiter verstärkt. Moody’s geht daher von einer negativen Bonitätsentwicklung der europäischen Pharmaunternehmen aus.
Ein Patentrezept, wie pharmazeutische Unternehmen dem wachsenden Kostendruck durch Optimierungen im Immobilienbestand begegnen sollten, gibt es jedoch nicht. Mit welcher Immobilienstrategie ein Pharmaunternehmen auf die künftige Entwicklung reagiert, muss auf die individuelle Situation sowie die Quantität und Qualität der Immobilien abgestimmt sein. Auch hängt von der individuellen Situation – insbesondere in personeller Hinsicht – ab, ob die jeweilige Immobilienstrategie intern erarbeitet und durch ein eigenes Corporate Real Estate Management umgesetzt oder ob dafür auf externe Berater zurückgegriffen wird.
Kontakt:
Ernst & Young Real Estate GmbH
Olaf Schmetzer
olaf.schmetzer@de.ey.com
Tel.: 089/14331-17248
John Kamphorst
john.kamphorst@de.ey.com
Tel.: 089/14331-22721