Akquisitionen: Preiswert kaufen und teuer verkaufen
Industrieexperten beraten Finanzinvestoren bei der Akquisition von Chemiefirmen
Zum richtigen Zeitpunkt einkaufen, weiterentwickeln und später teuer verkaufen – das ist die Maxime von Private Equity und bei richtiger Durchführung die Basis für eine überproportionale Wertgenerierung. Was einfach klingt bedarf jedoch genauer Kenntnis des Finanzmarkts, aber auch des Targets, also des Zielunternehmens und dessen Marktumfelds.
Private-Equity-Firmen sind Experten auf dem Gebiet der Finanzen. Bei Akquisitionen von Chemiefirmen sind sie jedoch zur Bewertung des Businessplans, der Assets und der inneren Firmenwerte auf die Expertise Dritter angewiesen. Anhand einer erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen dem Autor und Mitarbeitern eines namhaften Private-Equity-Unternehmens im Rahmen des geplanten Kaufs eines mittelständischen Spezialchemieunternehmens werden die Fallstricke und die Möglichkeiten zur Wertsteigerung und Entwicklung einer Gesamtstrategie noch während der Bewertungsphase näher beleuchtet.
Unternehmensprüfung
Basis für die Bewertung eines Unternehmens ist in der Regel neben den historischen Daten insbesondere der Businessplan für die nächsten fünf Jahre. Nachdem für Unternehmen der Spezial- und Feinchemie für die Gewinnerwartung der Folgejahre jahrelang ein Kaufpreis/EBITDA-Multiple zwischen 8 und 12 die Regel war, so ist es im Verlauf der letzten Monate auf 11 bis 15 angestiegen. Es ist jedoch nicht abzusehen, ob diese hohen Bewertungen auch in Zukunft Bestand haben werden. Um spätere Überraschungen zu vermeiden, ist daher eine möglichst genaue Prüfung des Unternehmens und dessen Perspektiven von hoher Bedeutung.
Als erstes erfolgt der Blick in den vom Verkäufer erstellten Businessplan, der in einigen Fällen zu optimistische Annahmen bei zugleich kleingehaltenen Risiken enthält.
Mit Benchmark-Werten zu den einzelnen Kostenarten im entsprechenden Marktsegment lässt sich der vorgelegte Plan aus der Erfahrung des Experten bewerten und daraufhin prüfen, wo z. B. noch Einsparpotenziale schlummern, ob die Kapazität und die CAPEX-Ausgaben zur geplanten Mengenausweitung passen oder ob Risiken in Form von Nachholbedarf aufgrund langjähriger Unterinvestition in Instandhaltungsmaßnahmen besteht.
Auch in Bereichen, die nicht oberste Priorität bei der Bewertung des Unternehmens haben (Human Resources, Legal, Corporate Governance, Procurement und Gesundheits-, Sicherheits- und Umweltschutzthemen (HSE)), sind verschiedene Szenarien der Unternehmenspositionierung im Stand-alone-Fall denkbar, die nach dem Carve out für erhebliches Einsparpotenzial sorgen können. Inzwischen gibt es für viele dieser Bereiche attraktive Outsourcing-Lösungen ohne Einbußen bei der Servicequalität.
Ein Vergleich der Herstellungskosten mit dem Wettbewerb zeigt auf, ob das Unternehmen schon die beste Kostenposition hält, was bei einer geplanten Mengenausweitung wichtig ist. Hat man noch nicht die Kostenführerschaft, so muss man deren Erreichung für Maßnahmen zu Operational Excellence im Businessplan kostenseitig berücksichtigen.
Marktanalyse
Im zweiten Schritt erfolgt anhand unabhängiger Marktstudien und Informationen aus den breiten Netzwerken des Industrieexperten und des Finanzinvestors die Analyse des Markts und der Marktposition. Ist das Unternehmen z. B. ein regionaler Champion und die Weiterentwicklung zum Global Player ist im Geschäftsplan hinterlegt, so ist insbesondere auf das spezielle Marktumfeld in Ländern wie China, Indien und Japan zu achten. Auch im Westen erfolgreich angewandte Strategien müssen auf die speziellen Erfordernisse dieser Märkte zugeschnitten werden. Ist die Mengenausweitung in neuen Märkten nicht plausibel erklärt, müssen vor oder während der Managementpräsentation gezielt Fragen gestellt werden.
Aufwendungen für Innovation, Marktpenetration und Zeitbedarf bis zur realistischen Generierung von Umsatz und Ergebnis sind je nach Marktsegment unterschiedlich. Entsprechende Expertise aus dem New Business Development hilft bei der Bewertung möglicher Pläne. Für die Einführung neuer Produkte sind benötigte Zeiten für Entwicklung, Produktion und Markteinführung zu berücksichtigen, wie auch die Kosten für die Markteinführung.
Nicht zu vergessen bei der Bewertung von Firmen ist ein Blick auf die Risiken, wie z. B. Altlasten, das regulatorische Umfeld, die geplanten Wettbewerbsaktivitäten und vorgesehene Personalabbaumaßnahmen. Auch hier sind eine breite Erfahrung und die aktive Nutzung des Netzwerks sehr wertvoll.
Angebotserstellung
Anhand der gewonnenen Eindrücke der zuvor skizzierten Bereiche entwickeln der Industrieexperte und die Partner aus dem Private-Equity-Unternehmen gemeinsam einen unabhängigen Businessplan, der Basis für das spätere Angebot sein wird.
In Ausnahmefällen wird das aktuelle Managementteam vom Experten auf dessen Kompatibilität für das Private-Equity-Umfeld bewertet. Das geht natürlich nur in den Fällen, in denen der Experte oder dessen Netzwerkpartner belastbare Bewertungen aus einer vorherigen Zusammenarbeit geben können. Da das Unternehmen im Private-Equity-Umfeld unter Hochdruck transformiert werden soll, ist ein adäquates Managementteam von Beginn an von hoher Bedeutung für den späteren Erfolg.
Hat das Unternehmen all diese Prüfungen erfolgreich überstanden und ist der Finanzinvestor nach wie vor am Kauf des Unternehmens interessiert, steht nun die Strategieentwicklung im Fokus. Sollte es z. B. um Bolt-on-Akquisitionen gehen, ist auch hier wieder das Netzwerk gefordert, um zu eruieren, ob die Eigentümer der ins Auge gefassten Firmen Interesse an einem Verkauf haben.
Schon während der Bewertung des Unternehmens legt der Private-Equity-Partner die geplante Exit-Strategie fest. Sie bestimmt, welche der möglichen Maßnahmen für die Wertsteigerung von besonderer Wichtigkeit sind.
Bei der Priorisierung der möglichen Maßnahmen im neu erworbenen Unternehmen spielt der Industrieexperte eine sehr wichtige Rolle. Der Finanzinvestor möchte nur allzu gerne alle aufgezeigten Wertsteigerungspotenziale während seiner Investitionsperiode heben. Je nach Größe und Qualität des Managementteams benennt der Experte die wichtigsten Projekte für den Investitionszeitrahmen. Um den Unternehmenswert erfolgreich zu steigern, ist die Konzentration des Managementteams auf das Wesentliche von essentieller Bedeutung.
Der gemeinsam entwickelte, unabhängige Businessplan ist Basis für die Erstellung des Angebotes vor Sichtung der Due-Diligence-Unterlagen. Sollte es in der Due Diligence zu neuen wichtigen Erkenntnissen kommen, wird dieser Plan angepasst. Im Angebot werden ferner die Wertsteigerungserwartung des Finanzinvestors über den Investitionszeitraum und das mögliche Bieterumfeld berücksichtigt.
Viele Private-Equity-Häuser berechnen den Kaufpreis nach einem ähnlichen Vorgehen wie dem hier aufgezeigten. Strategische Investoren bewerten dagegen viel stärker die inneren Werte und weniger die zusätzliche Wertsteigerung, sind jedoch für den Finanzinvestor gut einschätzbar.
In den letzten Jahren ist das Bieterfeld durch Asiaten, zumeist chinesische Firmen, erweitert worden. Diese Firmen berücksichtigen beim Angebot noch weitere Faktoren (wie z. B. Zugang zum westlichen Markt oder einer neuen Technologie) und sind somit schwer einzuschätzen.
Abschluss der Transaktion
Ist man nun überzeugt vom Kauf und hat ein Gespür für die weiteren Bieter kann der Kaufinteressent in zusätzlichen Gesprächen mit der Verkäuferseite weitere Dinge die nicht monetärer Art sein müssen, ins Feld führen, um den Wettstreit letztlich für sich zu entscheiden.
In unserem Fall war die Zusammenarbeit sehr erfolgreich gewesen. Die Chemie zwischen den Partnern hat gestimmt, man begegnete sich auf Augenhöhe mit Respekt vor der Expertise der anderen Seite. Der Input eines jeden Partners war sehr wichtig, um einen verlässlichen Businessplan zu entwickeln, der herausfordernd, aber dennoch auch erreichbar ist.
Bei erfolgter Akquisition zum festgestellten Wert des Unternehmens sind so kaum Überraschungen zu erwarten und der Finanzinvestor kann sich voll und ganz mit dem Managementteam auf die Umsetzung der Strategie zur Wertgenerierung konzentrieren.
Der Industrieexperte kann sich während der Zusammenarbeit sowohl für eine operative Rolle (z. B. als CEO) oder für eine Aufsichtsratsposition qualifizieren, nachdem er nun das Unternehmen und dessen Herausforderungen und Ziele exzellent kennt.