(Ab)Wasser – eine strategische Ressource
Am 22. März ist Weltwassertag, Motto 2017: Abwasser
Abwasser ist der Schwerpunkt des diesjährigen World Water Day am 22. März – und das zu Recht: Kaum eine Wassernutzung kommt ohne Abwasser aus; das gilt auch für die Prozessindustrie. Und auch in der chemischen Industrie ist Wasser eine wichtige Ressource und ein kritischer Standortfaktor - eine Bedeutung, die in Zukunft weiter steigen wird.
So prognostiziert bspw. die OECD für die kommenden Jahrzehnte eine Zunahme des globalen Wasserverbrauchs von über 40%. Industrie und Energiegewinnung werden hierfür als maßgebliche Treiber angesehen. Gemeinsam mit der öffentlichen Versorgung und der Landwirtschaft konkurrieren sie um die verfügbaren Wasserressourcen. Verschärft wird diese Entwicklung zusätzlich durch die Folgen des Klimawandels. Für trockene und niederschlagsarme Gebiete liegen die Probleme auf der Hand, aber auch in vermeintlich wasserreichen Regionen führt der zunehmende Nutzungsdruck auf Grund- und Oberflächenwässer zu lokalen Einschränkungen in der Wasserverfügbarkeit.
Wasser und die chemische Industrie
Die chemische Industrie hat die Bedeutung von Wasser frühzeitig erkannt und auf die globale Entwicklung reagiert. Viele Unternehmen haben sich ambitionierte Einsparungsziele gesetzt, um ihre Abhängigkeit von Frischwasserressourcen zu verringern. Die chemische Industrie ist dabei jedoch in einer besonderen Position: Sie ist nicht nur ein bedeutender Wassernutzer, sondern bietet mit innovativen Produkten und Technologien auch wichtige Lösungen an, die ein integriertes industrielles Wassermanagement ermöglichen (ProcessNet Positionspapier 2014, www.dechema.de/papiere). Durch die enge Verzahnung von Produktion und Wassermanagement, auch im lokalen und regionalen Kontext, lässt sich die Abhängigkeit von Frischwasserressourcen verringern. Gleichzeitig können die Kosten für den Frischwasserbezug reduziert werden.
Neben der Steigerung der Wassereffizienz in Produktionsprozessen ist die Wiederverwendung von Abwasser aus Produktions- und Kühlprozessen ein Kernelement des integrierten industriellen Wassermanagements. In Regionen mit hoher Wassernutzungskonkurrenz (Wasserstress) kommen alternative Ressourcen wie behandeltes kommunales Abwasser hinzu.
Konzepte zur Wiederverwendung
In der chemischen Industrie sind leicht zu realisierende Konzepte zur Wiederverwendung aufbereiteter Prozessabwässer (Water Reuse) vielerorts bereits umgesetzt. Dennoch gibt es auch hier noch erhebliche Potenziale zur Frischwassereinsparung, wie Ergebnisse des kürzlich abgeschlossenen EU-Projekts E4Water („Ökonomisch und ökologisch effizientes Wassermanagement in der europäischen chemischen Industrie“, www.e4water.eu) belegen: Durch die Bereitstellung von neuen Verfahrenskombinationen in der Aufbereitung wurden Prozessabwasser- und Kühlwasserströme besser integriert. Die Wiederverwendung von Sole, einem Abwasser aus benachbarten Unternehmen und die Nutzung alternativer Wasserressourcen zeigte, wie durch standortübergreifende Integration Wasser effizienter genutzt werden kann. Schließlich führte eine engere Verzahnung mit Produktionsprozessen zu einer Optimierung des Wassermanagements mit einer hohen Wiederverwendungsrate hochwertiger Abwässer. Insgesamt konnte an den Demonstrationsstandorten über das bereits bestehende hohe Wassereffizienzniveau hinaus eine weitere Reduktion des Abwasseraufkommens von stellenweise weit über 40%, bei gleichzeitiger Kostenreduktion erreicht werden - Ergebnisse, die nun an Standorten weltweit bereits in der Praxis umgesetzt werden.
Im Zusammenhang mit der Wiederverwendung von behandeltem Abwasser in der Industrie wird zunehmend über die Behandlung von industriellen Prozessabwässern ohne die Ein- bzw. Ableitung von wasserhaltigen Stoffströmen – Zero Liquid Discharge (ZLD) - diskutiert. Die ProcessNet-Fachgruppe „Produktionsintegrierte Wasser- und Abwassertechnik“ hat ZLD im Kontext eines effizienten industriellen Wassermanagements beleuchtet (ProcessNet-FGr PIWA, Diskussionspapier 2015, www.dechema.de/studien) und Randbedingungen definiert, unter welchen ZLD ökonomisch und ökologisch sinnvoll ist. Die Ergebnisse machen deutlich, dass ZLD nicht der Königsweg ist, sondern immer nur ein Element in einem effizienten industriellen Wassermanagement sein kann. Dessen Ziel muss sein, integriert über einen Standort sowie verfügbare alternative Wasserressourcen das Optimum zwischen Verringerung der Abwasserfracht einerseits sowie Kosten-, Energie- und ökologischer Effizienz andererseits zu realisieren. Mit zunehmender Flexibilisierung der Produktion ist dies nur mit einem dynamischen, integrierten Managementansatz möglich.
Kritischer Faktor ist in fast allen Fällen der Umgang mit den anfallenden Konzentraten. Der Aufwand für ihre Entsorgung oder Verwertung bestimmt bis zu welchem Grad eine Wiederverwendung industrieller Abwässer sinnvoll ist (ProcessNet Positionspapier 2014, www.dechema.de/studien). Diese Barriere, ebenso wie die Kreislaufführung von industriell genutztem Wasser sind ein Schwerpunkt der kürzlich gestarteten BMBF-Fördermaßnahme „Zukunftsfähige Technologien und Konzepte zur Erhöhung der Wasserverfügbarkeit durch Wasserwiederverwendung und Entsalzung – WavE“.
Fazit
Mit Blick auf den World Water Day 2017 zeigt sich: Abwasser ist zentraler Bestandteil eines ökonomisch und ökologisch effizienten industriellen Wassermanagements. Für die chemische Industrie ermöglicht es eine zunehmende Entkopplung von Produktion und Frischwasserbedarf. Weltweit kann dadurch an Standorten mit Wasserstress das Risiko für Einschränkungen oder gar Unterbrechungen der Produktion auf Grund mangelnder Wasserverfügbarkeit verringert werden. Gleichzeitig entstehen Potenziale für Produktionssteigerungen, ohne dabei auf zusätzliche Frischwasserressourcen angewiesen zu sein. Ein integriertes industrielles Wassermanagement stellt somit in einem herausfordernden wirtschaftlichen, regulativen und politischen Umfeld an vielen Standorten einen klaren Wettbewerbsvorteil bei gleichzeitig ökologisch verantwortlichem Handeln dar.