Unternehmensfinanzierung mit Patenten
Biotech-Patente schaffen Werte und verbessern das Unternehmensrating
Die Nachricht vom Februar 2007 war das deutlichste Zeichen, dass die Trendwende in der Unternehmensfinanzierung für Biotech-Unternehmen in Deutschland geschafft ist: Die Tübinger Immatics Biotechnologies, ein Biopharmazie-Unternehmen, das sich auf die Entwicklung peptidbasierter Immuntherapeutika zur Krebsbehandlung spezialisiert hat, erhält in einer zweiten Finanzierungsrunde 40 Mio.€. Das ist die größte private Biotech-Finanzierung in Deutschland seit dem Jahr 2001 und damit seit dem Biotech-Börsenhype und dem darauf folgenden Zusammenbruch des Neuen Markts.
Die letzten Jahre waren ein einziger langer, harter Winter am Kapitalmarkt, doch die Eiszeit wurde von beiden Seiten, den Finanzierern und der Biotech-Branche intensiv genutzt. In den Zeiten des Überangebots an Gründungskapital und des einfachen Verkaufs des Unternehmens an die Börse wurden die Geschäftsmodelle kaum hinterfragt. Egal ob Plattformstrategie, Service oder Produktentwicklung - alles ging und wurde gemacht. Heute, nach einem gnadenlosen Ausleseprozess, sind die verbliebenen Marktteilnehmer deutlich besser gerüstet und neue Gründungen werden sorgfältiger vorbereitet. Nach massiven Korrekturen gilt die Biotechnologie an den Kapitalmärkten wieder als attraktive, wenn auch schwierige Wachstumsbranche. Die charakteristischen Eigenschaften der Branche, wie hoher internationaler Regulierungsgrad, hohe Eintrittsbarrieren durch technologisches Know-how, geringe Verfügbarkeit von erfahrenen Experten und das hohe Risiko bei der Technologieentwicklung, machen Investments und Finanzierungslösungen anspruchsvoll. Hier hat sich in den letzten Jahren auch auf der Finanzseite einiges getan. Die Bedeutung und Nutzung immaterieller Werte wie z.B. von geistigem Eigentum, insbesondere in Form von Patenten, hat deutlich zugenommen.
Patente sind Unternehmenswerte
Patente spielten in der Biotechnologie schon immer eine besondere Rolle. Louis Pasteur, dem Erfinder der Pasteurisierung, wurde ein Patent für gereinigte Hefe erteilt und 1931 wurde eine besonders lange blühende Blume namens „Black Dawn" in den USA patentiert.
Seit der Erfindung der Gentechnik in den 1970er-Jahren und deren kommerzieller Anwendung durch Biotech-Firmen hat die Zahl der Biotech-Patente stark zugenommen. Welche enorme wirtschaftliche Bedeutung die Exklusivität durch Patentschutz hat, zeigt der Fall des Zürcher Universitätsprofessor Charles Weissmann. Die von ihm 1978 gegründete Gentechfirma Biogen nutzte den Patentschutz für die mikrobielle Herstellung von alpha-Interferon. Die Lizenzerträge liegen über die Laufzeit des Patents bei über 30 Mio. €.
Bei den Unternehmen der Biotech-Branche sind die Patente wesentliche Unternehmenswerte. Nach einer Studie des IDW sind schnell wachsende, erfolgreiche Gründungen in der Biotechnologie auch besonders patentaktiv. In der Regel weisen die Bilanzen die wirtschaftlichen Werte der selbst geschaffenen Patente jedoch nicht aus. Aufgrund des hohen immateriellen Anteils des Unternehmenswerts haben diese Biotech-Firmen eine besonders schlechte Bilanzstruktur für klassische Finanzierungsformen.
Insgesamt wird der wirtschaftliche Wert der Patente, die in einem Jahr in den OECD-Ländern erteilt werden, auf 100-150 Mrd. € geschätzt. Der Gesamtbestand an Patenten hat einen Wert in der Größenordnung von 1 Brd. €.
Finanzierungsinstrumente auf Basis von Schutzrechten
Diese enormen Werte üben eine geradezu magnetische Kraft auf die Finanzwirtschaft aus. So werden inzwischen im Kapitalmarkt unterschiedlich Instrumente entwickelt und eingesetzt, um die immateriellen Werte zur Unternehmensfinanzierung zu verwenden. Ein häufig verwendetes Verfahren ist die Sale-and-License-Back-Lösung. Die Grundidee ist ebenso einfach wie beim Kraftfahrzeugleasing. Der Leasinggeber ist Eigentümer des Patents und der Leasingnehmer zahlt für die Nutzung der Schutzrechte eine Leasinggebühr. Über den Verkauf des Schutzrechts an den Leasinggeber erfolgt die Finanzierung.
Von dieser Grundform gibt es zahlreiche Varianten, die abhängig von der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens, eingesetzt werden. So kann das Patent auch in eine eigene Projektgesellschaft, eine IP-Holding eingelegt werden und die Finanzierung des Kaufs über die Holding durch Eigen- und Fremdkapital erfolgen. In der Praxis werden auch eigene Projektgesellschaften für F&E-Vorhaben gegründet, um z.B. das Anfallen von Steuern auf den außerordentlichen Ertrag beim Verkauf der Schutzrechte zu vermeiden. Um das Risiko für die Finanzgeber zu reduzieren, werden auch Patente verschiedener Unternehmen in einer einzelnen Haltegesellschaft gebündelt und die Investition erfolgt anteilig in die Holding. Interessant sind diese Haltegesellschaften für die Investoren auch deshalb, weil die Schutzrechte im Falle einer Insolvenz des Betriebsunternehmens nicht unmittelbar in der Insolvenzmasse fließen.
Neben der Frage wie die Haltegesellschaft finanziert wird, gibt es auch verschiedene Spielarten in den Möglichkeiten, was in die Gesellschaft eingebracht wird. Neben den F&E-Aktivitäten, den Patenten, können auch Lizenzverträge oder die Zahlungen aus den Lizenzverträgen für die Finanzierung herangezogen werden. Man verwendet hier gemäß der angelsächsischen Terminologie der strukturierten Finanzierung die Begriffe „collateralization" und „securitization", insbesondere dann, wenn diese Assets weiter gebündelt und am Kapitalmarkt zur Investition angeboten werden.
Nutzung von Patenten als Kreditsicherheit
Auch in der Fremdkapitalfinanzierung über Kredite spielen Patente eine zunehmend wichtigere Rolle. Die Finanzinstitute berücksichtigen diese immateriellen Vermögenswerte bei der Bewertung der Kapitaldienstfähigkeit der Unternehmen. Über die Ratingnote haben die Patente einen Einfluss auf den Kreditzugang und die Kapitalkosten. Bis vor kurzem war die Stärke dieses Einflusses noch gering. Doch das Verständnis für die Bedeutung von geistigem Eigentum beim Erfolg von Biotech-Unternehmen wächst kontinuierlich und mit ihm die Relevanz für Kreditentscheidungen. Inzwischen werden von verschiedenen Banken auch Beleihungen auf der Basis einer Patentbesicherung angeboten. Hier spielt die einheitliche und transparente Bewertung von Patenten eine wesentliche Rolle. Mit der Etablierung solcher Bewertungsverfahren am Markt bilden sich zunehmend spezielle Märkte für immaterielle Vermögenswerte heraus. Die Transaktionsvolumina sind in Europa in den letzten Jahren dramatisch gewachsen. In diesem Kontext sind auch die Aktivitäten der Initiative Finanzplatz Deutschland zu sehen. Dort wird intensiv an der Entwicklung einer Richtlinie zur Ermittlung von Beleihungswerten für Patente gearbeitet. Mit der Verabschiedung dieser Regelung ist davon auszugehen, dass die Nutzung von Patenten als Kreditsicherheit noch weiter an Bedeutung bei der Unternehmensfinanzierung gewinnen wird.