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Japans Chemieindustrie erholt sich nur zögerlich

11.11.2009 -

Die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise hat die japanische Volkswirtschaft schwer getroffen. Von 2005 bis 2007 konnte Japan noch vom weltweiten Boom profitieren, danach bekamen die Unternehmen im Land der aufgehenden Sonne die Finanzkrise aber bereits frühzeitig zu spüren: Schon im Jahr 2008 musste Japan einen Rückgang des Bruttoinlandproduktes um 0,7% verbuchen. Die Industrieproduktion sank um 3,3%. Im 1. Quartal 2009 erreichte die japanische Wirtschaft nach einem beispiellosen Einbruch ihren Tiefpunkt. Zu diesem Zeitpunkt lag die Industrieproduktion je nach Branche bis zu 40% niedriger als ein Jahr zuvor.
Erst im 2. Quartal dieses Jahres setzte die Trendwende ein. Die erneut expandierenden asiatischen Schwellenländer zogen auch die japanische Wirtschaft mit. Die Erholung setzte jedoch auf so niedrigem Niveau an, dass für das Gesamtjahr 2009 mit einem Rückgang der Industrieproduktion um 24% gerechnet werden muss. Entsprechend gering ist die inländische Nachfrage nach Chemikalien. Die japanische Chemieproduktion wird voraussichtlich rund 9% niedriger liegen als ein Jahr zuvor (Grafik 1). Dabei können das konjunkturresistente Pharmageschäft und die Exporte in die Nachbarländer den Nachfrageeinbruch bei den inländischen Industriekunden zumindest teilweise ausgleichen. Für 2010 sehen die Prognosen schon wieder etwas freundlicher aus. Allerdings wird es noch lange dauern, bis Japan wieder an das Vorkrisenniveau anknüpfen kann.

Trendwende in der Produktion

Die Wirtschaftskrise hält das japanische Chemiegeschäft weiterhin fest im Griff. Zur Jahreswende fiel die Chemieproduktion binnen weniger Monate noch unter das Niveau von 2001 zurück. Im 1. Quartal 2009 lag die japanische Chemieproduktion rund 20% niedriger als ein Jahr zuvor (Grafik 2). Aufgrund der anhaltend schwachen Auftragslage hatten die industriellen Kunden erneut ihre Chemikalienbestellungen reduziert. Viele Chemieunternehmen mussten ihre Produktion weiter zurückfahren. Produktionsanlagen blieben abgeschaltet. Erst im 2. Quartal setzten sich die Auftriebskräfte durch. Dank erfreulicher Impulse aus dem Auslandsgeschäft, aber auch wegen der Trendwende in der japanischen Industrieproduktion stiegen die Bestellungen und die Produktion von Chemikalien wieder an. Vom Vorjahresniveau ist man aber nach wie vor weit entfernt.
Die Wirtschaftskrise machte allen Sparten zu schaffen. Besonders starke Rückgänge mussten die Grundstoffproduzenten sowie die Hersteller von Fein- und Spezialchemikalien hinnehmen. Die Produktion von organischen und anorganischen Grundstoffen, von Polymeren und chemischen Spezialitäten lag im bisherigen Jahresverlauf insgesamt rund 25% niedriger als ein Jahr zuvor. Weniger stark traf es die Hersteller von Wasch- und Körperpflegemitteln (-2%). Selbst am wenig konjunktursensiblen Pharmageschäft ging die Wirtschaftskrise nicht spurlos vorbei. Die Pharmaproduktion stagnierte.

Preisverfall schwächt sich ab

Die schwache Chemienachfrage zwang die japanischen Hersteller die gesunkenen Rohstoffpreise zeitnah an die Kunden weiterzugeben. Seit dem 3. Quartal 2008 sanken die Erzeugerpreise kräftig. Dieser Rückgang setzte sich im 1. Quartal 2009 beschleunigt fort. Chemische Erzeugnisse waren von Januar bis März durchschnittlich 11% günstiger als ein Jahr zuvor. Die Preise für organische Grundstoffe und Polymere verzeichneten dabei die deutlichsten Rückgänge. Dieser Preisverfall hat sich im 2. Quartal abgeschwächt (Grafik 3). Dennoch waren Chemikalien von April bis Juni rund 14% günstiger als ein Jahr zuvor. Die Rohstoffkosten sind demgegenüber weiter gestiegen. Seit März hat der Ölpreis an den internationalen Rohstoffbörsen wieder deutlich zugelegt. Es ist daher nur eine Frage der Zeit, bis auch in Japan die Chemikalienpreise wieder steigen.

Leichter Aufwärtstrend im 2. Quartal

Aufgrund rückläufiger Mengen und Preise sank der Branchenumsatz im 1. Halbjahr 2009 um knapp 30% auf umgerechnet 67 Mrd. €. Im 2. Quartal stieg der Umsatz gegenüber dem Vorquartal sogar wieder leicht an. Die Impulse kamen dabei vor allem aus dem Exportgeschäft. Aber auch die inländischen Kunden orderten wieder verstärkt Chemikalien: Wichtige Abnehmerindustrien haben inzwischen die Talsohle durchschritten. Zudem dürfte der Lagerabbau in der japanischen Wirtschaft weitgehend abgeschlossen sein.
Nach sehr schweren Monaten für die japanische Wirtschaft scheint die Trendwende geschafft. Sowohl das Bruttoinlandsprodukt als auch die Industrieproduktion konnten im 2. Quartal wieder zulegen, und die Chemieunternehmen spürten diese Belebung bereits in den Auftragsbüchern. Vor diesem Hintergrund hellte sich die Stimmung in der japanischen Wirtschaft zuletzt wieder auf. Die aktuelle Geschäftslage wird vor dem Hintergrund des niedrigen Produktionsniveaus zwar weiterhin negativ eingeschätzt. Die Beurteilung fällt aber wieder positiver aus als noch vor drei Monaten (Grafik 4). Bezüglich der weiteren Geschäftsentwicklung für die kommenden Monate ist die Zuversicht zurückgekehrt. Die japanische Wirtschaft hofft, dass das Schlimmste nun hinter ihr liegt. Sie erwartet für die kommenden Monate eine weitere Konjunkturbelebung.
Trotz dieser Erholung bleibt die Lage schwierig. Bruttoinlandsprodukt und Industrieproduktion werden das Vorjahresniveau in diesem Jahr deutlich verfehlen, und die japanische Chemie muss einen Produktionsrückgang von knapp 10% hinnehmen. Angesichts dieses starken Einbruchs fällt die Wachstumsprognose für 2010 mit rund 4% bescheiden aus. Japans Chemieindustrie erholt sich nur zögerlich.