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Chemieunternehmen der BRIC-Länder widerstehen der Krise besser

09.11.2009 -

Die Chemieindustrie leidet weltweit unter der Wirtschaftskrise. Massive Absatzeinbrüche in den Endmärkten und die daraus resultierenden Produktionsrückläufe in der Chemieindustrie lassen die Konzerngewinne im Jahr 2009 schmelzen. Vor allem die westlichen Industriestaaten sind massiv von dieser Entwicklung betroffen, aber auch die Chemieindustrie der BRIC-Länder (BRIC = Brasilien, Russland, Indien, China) bleibt davon nicht verschont. Accenture hat die jeweils drei bis fünf umsatzstärksten Chemieunternehmen dieser Länder mit ihren Wettwerbern in der westlichen Welt und im Mittleren Osten verglichen. Dabei zeigte sich, dass das Vertrauen der Investoren in das Wachstum der Chemieindustrie der BRIC-Staaten im Zuge der Wirtschaftkrise zwar gelitten, aber durchaus noch Bestand hat. Größte Bedenken herrschen dagegen hinsichtlich des zukünftigen Wachstums der westlichen Chemiegiganten.

Investoren bevorzugen Chemieunternehmen in Indien und Brasilien

Die Unternehmenswerte (Marktkapitalisierung + Nettoverschuldung) der untersuchten Chemiefirmen lagen für die BRIC-Staaten im Dezember 2008 in etwa auf dem Niveau von 2006 (vgl. Grafik 1). Westliche Unternehmen haben seit 2006 über 14% ihres Unternehmenswerts verloren, Chemiefirmen aus dem Nahen Osten ­sogar 56%.
Gerade die westlichen Firmen profitierten lange von den rasch wachsenden Märkten in Brasilien, Russland, Indien und insbesondere China. Investoren unterstützten jahrelang den Bau neuer Produktionsanlagen in den Wachstumsmärkten. Jetzt in der Wirtschaftskrise ziehen sich die Investoren aus den großen westlichen Firmen zurück und bevorzugen die Firmen Indiens und Brasiliens.
Der Knackpunkt liegt in den Heimatmärkten. Zwar bedienen die westlichen Unternehmen einen großen eigenen Markt, das Marktwachstum stagniert jedoch, oder dreht wie für die USA und Deutschland im Jahr 2009 erwartet, sogar ins Negative (Grafik 2). Bei den BRIC-Ländern verfügt Russland über den kleinsten Chemiemarktanteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP), für das zudem im Jahr 2009 noch Minuswachstum erwartet wird.

BRIC: Wachstumspotential trotz Krise

Brasiliens Chemieindustrie befindet sich in einer Konsolidierung, insbesondere in der Petrochemie. So hat allein Braskem seit 2000 seinen Umsatz verdreifacht. Die Agrochemie profitiert von den riesigen landwirtschaftlichen Nutzflächen Brasiliens, die im Zuge des weltweiten Bevölkerungswachstums immer mehr an Bedeutung gewinnen. Durch den Wandel in der politischen Kultur Brasiliens hat sich im Land eine neue Mittelschicht entwickelt, deren Kaufkraft den Binnenmarkt weiter erstarken und Brasilien aus dem riesigen Schatten Chinas etwas heraustreten lässt.
Indiens Chemiesegment ist vergleichsweise klein, wächst allerdings durch kontinuierliche Zukäufe. So übernahm Tata Chemicals im letzten Jahr für 652 Mio. € die US Firma ­General Chemical Industrial Products. Das Agrochemie-Unternehmen United Phosphorus versiebenfachte seinen Umsatz seit 2000 auf 880 Mio. US-$ durch konsequente Akquisitionen, wie Evofarm (Kolumbien), und durch den Zukauf von Markengeschäften, wie Vendex und Supertin von Dupont oder Stam von Dow ­Agrosciences. Reliance Industries hat sich bereits 2007 auf Rang 25 der größten Chemiefirmen weltweit geschoben.
Chinas Chemieindustrie wird weiterhin auf hohem Niveau wachsen, wenn auch nicht mehr die magischen Zahlen der vergangenen Jahre erreicht werden. Massive staatliche Förderprogramme helfen, den wirtschaftlichen Abschwung zu mildern und die Durststrecke zu überstehen.
Für Brasilien, Indien und China gilt gleichermaßen: Diese Volkswirtschaften verfügen über wachsende, eigene Märkte, von denen die Chemieunternehmen vor Ort profitieren und die Investoren positiver in die Zukunft schauen lassen, als die stagnierenden bzw. schrumpfenden Märkte der westlichen Industriestaaten. Die Entwicklung der Future Values, also der im Aktienkurs reflektierten zukünftigen Unternehmensgewinne und Wachstumszahlen auf Basis heutiger Investitionen, spiegelt dies wider (Grafik 3). Während sich die Future Values der untersuchten Chemiefirmen der BRIC-Länder in etwa auf dem Niveau von 2006 sind, haben die Firmen der westlichen Länder und aus dem Nahen Osten massiv verloren.

Chancen für die westliche Chemieindustrie

In den wachsenden BRIC-Märkten erstarken derzeit lokale Chemieunternehmen, die mittelfristig in der Weltspitze mitspielen werden, zu neuen Wettbewerber für westliche Unternehmen. Dies wirkt sich besonders in wirtschaftlichen Krisenzeiten, wenn das Umsatzvolumen rückläufig ist und der Kostendruck auf die Produktionsanlagen wächst, kritisch auf die Chemieunternehmen in Deutschland und den USA aus.
Hier zeigt sich, wie wichtig es für die westlichen Chemiefirmen ist, sich in den Wachstumsmärkten weiterhin verstärkt zu positionieren. Vor allem Brasilien ist hier ein interessanter Wachstumsmarkt für die Chemie aufgrund des stark wachsenden Petrochemiesegmentes und des immer wichtiger werdenden Agrarsektors. Dabei gilt es, nicht nur bei den Produktionskosten wettbewerbsfähig zu bleiben, sondern vor allem an den wachsenden Märkten dieser Regionen zu partizipieren.
Was aber, wenn das Vertrauen der Investoren in den zukünftigen Cash Flow massiv sinkt? Wenn die Erwartung der Investoren allein durch das laufende operative Geschäft repräsentiert wird? Kostensenkungen und Optimierung des Umlaufvermögens sind klassische Wege, der Krise zu begegnen. Aber diese Krise bietet westlichen Firmen auch die Chance zur grundlegenden Veränderung des eigenen Geschäftsmodells.
Je nach Geschäftsmodell müssen sich die westlichen Chemiefirmen mit unterschiedlichen Schwerpunkten vom Wettbewerb differenzieren. Während für die Unternehmen im Segment der Petrochemie Rohstoffkosten und Economies of Scale maßgebliche Faktoren sind, sind innovative Produkte und Leistungen der Schlüssel zum Erfolg je näher das Unternehmen an die Endmärkte rückt. Da die Endmärkte in den westlichen Ländern stagnieren, können nur neue, innovative Impulse zu neuem Wachstum führen. Chemieunternehmen müssen daher gerade auf dem Gebiet der Innovationen wettbewerbsfähig mit dem wachsenden Wettbewerb aus der BRIC-Region sein. Nachhaltige Chemieprodukte, Nanotechnologien, Biotechnologien, Batterietechnologien und vor allem energieeffiziente Produkte - all das sind Themen, die den westlichen Chemiefirmen neue, eigene Wachstumsmärkte eröffnen können. So setzt die derzeit schwache Automobilindustrie in Zusammenarbeit mit den Energiekonzernen und Batterieherstellern verstärkt auf die Einführung von Elektroautos. Das BASF-Tochterunternehmen BASF Future Business hat einen Schwerpunkt in der Entwicklung und Anwendung von verbesserten Lithium-Ionen-Batterien. Ein anderes Beispiel: OLEDs (Organic Light Emitting Diods). Bis 2010 soll der Markt auf weltweit 4,5 Mrd. US-$ anwachsen. Allein der Display-Markt bis 2012 auf 3 Mrd. US-$.

Wachstum nur durch Innovationen

Das Vertrauen der Investoren in ­Unternehmen der BRIC-Staaten basiert derzeit massiv auf dem Wachstums­potential der lokalen Märkte. Die Wachstumsraten der Bruttoinlandprodukte Brasiliens, Indiens und Chinas liegen trotz Wirtschaftskrise weit über dem der westlichen Industriestaaten. Um zukünftig bei den Investoren wieder ganz vorne dabei zu sein, müssen westliche Chemiefirmen ihre Präsenz in den wachsenden Märkten stärker ausbauen, das Geschäftsmodell der Produktstrategie anpassen und eigenes Marktwachstum in den westlichen Industrieländern durch Innovationen neu beleben. Erst wenn wieder neue Wachstums­impulse aus den westliche Industriestaaten kommen, kann das Vertrauen der Investoren in Wachstum erneuert werden und auch die westlichen Chemiefirmen gestärkt aus der Wirtschaftkrise hervortreten.

www.accenture.com