Anlagenbau & Prozesstechnik

Miniaturisierte Extraktionskolonnen

Konkurrenzverfahren und Ergänzung zur Enantiomerentrennung mittels SMB-Chromatographie

30.09.2014 -

Die Gewinnung von enantiomer-reinen Substanzen stellt aufgrund stereospezifischer Interaktionen für die Chemie- und Pharmaindustrie eine wichtige Aufgabe dar.
Typische präparative Trenntechniken für racemische Gemische sind vor allem die Kristallisation und die Simulated Moving Bed (SMB)-Chromatographie. Bei der SMB-Chromatographie wird eine selektive Auftrennung der Enantiomere durch ein immobilisiertes Selektormolekül erzielt. Der „Gegenstrom" von Festbett und Eluent wird durch die Verschaltung von Chromatographiesäulen mit periodischem Umschalten der Ein- und Ausgänge simuliert. Eine vielversprechende Alternative, die in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht hat, ist die enantioselektive Extraktion (enantioselective liquid-liquid extraction, ELLE). Im Gegensatz zur SMB-Chromatographie wird bei der ELLE ein echter Gegenstrom realisiert. Das Selektormolekül befindet sich gelöst in einer zweiten, nicht-mischbaren flüssigen Phase, die im Gegenstrom zur Raffinatphase geführt wird.
Apparativ kann dies sowohl in Membranen, Zentrifugal-Extraktoren als auch in Extraktions­kolonnen erfolgen. Die Herausforderung besteht darin, in möglichst kleinen Volumina eine gute Extraktionsleistung bzw. viele Gleichgewichtsstufen zu erzeugen, um auch für geringe Selektivitäten eine gute Enantiomertrennung zu erzielen. Um solche Trennprozesse zu ermöglichen, wurde eine miniaturisierte Extraktionskolonne mit 15 mm Innendurchmesser entwickelt, die sich sich durch eine hohe Extraktionsleistung auszeichnet. Die Prozessintensivierung der Gegenstromextraktion wurde für kleine Prozessströme durch eine Verringerung der Belastung in der Kolonne ermöglicht. Um eine feine Dispersion in der Kolonne mit 1,1 m Höhe aufrecht zu erhalten, wurden 50 Rührzellen im aktiven Extraktionsteil implementiert. Eine Rührzelle ist in Abb. 1 dargestellt. Die Miniaturisierung der Kolonne führt jedoch neben der verbesserten Trennleistung ebenfalls dazu, dass vermehrt Tropfen an den Einbauten anhaften und den Gegenstrom der beiden Phasen verhindert. Um die Prozessführung weiterhin zu ermöglichen und die Koaleszenz an den Einbauten aufzubrechen, wird die Flüssigkeitssäule zusätzlich pulsiert.

Prozesstechnische Umsetzung der Extraktion (ELLE)
Die enantioselektive Extraktion ELLE in der miniaturisierten Kolonne ist am Beispiel der Phenylsuccinylsäure (PSA) in Abb. 2 exemplarisch dargestellt. Das racemische Gemisch der Phenylsuccinylsäure wird durch das Selektormolekül, hier Hydroxypropyl-ß-Cyclodextrin (HP-ß-CD), selektiv gebunden. Das Selektormolekül befindet sich gelöst in der wässrigen Phase und bevorzugt eine reversible Komplexbindung mit dem (S)-Enantiomer.
Die Selektivität einer Gleichgewichtsstufe (Mixer-Settler Einheit) ist mit 1,8 jedoch viel zu gering, so dass viele Gegenstromstufen in der miniaturisierten Kolonne realisiert werden müssen. Die prozesstechnische Umsetzung ist in der Abb. 3 gezeigt.
Das racemische Gemisch wird als hochkonzentrierter Feed-Strom in die fraktionelle Extraktionskolonne eingespeist. In der stripping section, oberhalb der Feed-Stufe, erfolgt eine selektive Extraktion des bevorzugten (S)-Enantiomers, wobei aufgrund der geringen Selektivität auch das (R)-Enantiomer gebunden wird. Das falsch gebundene Enantiomer wird in der washing section, unterhalb der Feed-Stufe, wieder zurückgeführt. Das Ziel ist eine Anreicherung des (S)-Enantiomers in der wässrigen Phase und damit eine Aufkonzentration des verbleibenden (R)-Enantiomers in der organischen Phase. Um die Wirtschaftlichkeit dieses Verfahrens zu gewährleisten, muss in der nachfolgenden Rückextraktion das (S)-Enantiomer aus der wässrigen Phase extrahiert werden und das Selektormolekül für die fraktionelle Extraktion zurückgeführt werden (gestrichelte Linie).

Enantioselektive Extraktion (ELLE) im Vergleich zur SMB Chromatographie
Die ELLE liegt bei der Betrachtung des technischen Reifegrads noch weit hinter der SMB-Chromatographie zurück. Bisher haben bereits erste Machbarkeitsstudien das Potential der ELLE aufgezeigt, welches vor allem in einer hohen Flexibilität bezüglich der Kapazität und in der Vielseitigkeit der Selektormoleküle und deren Trennaufgabe begründet ist. Ein weiterer entscheidender Vorteil bei der Verwendung von Extraktionskolonnen basiert auf ihren deutlich einfacheren Aufbau und den daraus folgenden geringeren Investitions- und Betriebskosten. Es steht jedoch noch aus, die Machbarkeit der ELLE für ein breites Spektrum an Enantiomeren zu zeigen. Zudem muss sowohl die Produktivität, als auch die Trenneffizienz in Kolonnen gesteigert werden.
Nachteilig im Vergleich zu chromatographischen Verfahren ist insbesondere die geringere Trenneffizienz, die wiederum höhere Selektivitäten zwischen Selektormolekül und Enantiomeren bei der ELLE voraussetzt. Mit hohen Selektivitäten kann zwar eine vollständige Trennung erzielt werden, diese hohe Selektivität ist jedoch nicht immer gegeben. Hohe spezifische Grenzflächen in miniaturisierten Kolonnen unterstützen den Stofftransport und steigern die Effizienz, jedoch gibt es eine deutliche Limitierung bezüglich der zur Verfügung stehenden Extraktionsstufen. Die ELLE-Technologie kann bei geringenSelektivitäten noch nicht mit SMB-Verfahren konkurrieren.
Allerdings sind beide Verfahren nicht unbedingt als Konkurrenzverfahren anzusehen, sondern sie können sich optimal ergänzen. Die Selektivität der heutigen ELLE-Technik reicht noch nicht aus, um für alle Enantiomere eine Auftrennung bis hin zu hohen Reinheit zu gewährleisten. Aber auch für ELLE-Verfahren mit geringer Selektivität kann durchaus eine wirtschaftliche Nutzung durch Synergieeffekte erzielt werden. Eine Kombination von ELLE mit SMB-Chromatographie oder Kristallisation wäre ökonomisch sinnvoll und umsetzbar. Mit Hilfe der ELLE kann für viele Stoffsysteme und Moleküle eine kostengünstige Vorreinigung erzielt werden. Für die endgültige gewünschte Reinheit können anschließend und ergänzend eine Kristallisation oder chromatographische Verfahren eingesetzt werden. Dies würde die Belastung der folgenden Aufreinigungsschritte verringern und die Produktivität deutlich steigern.

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