Anlagenbau & Prozesstechnik

Erweitertes Prozessverständnis

Virtuelle Produktentwicklung für Brennstoffzellen-Heizungen

30.09.2016 -

Multiphysikalische Simulation hilft bei der komplexen Auslegung eines Systems aus Dampferzeuger und Brennstoffzelle, wie ein aktuelles Projekt an der TU Darmstadt zeigt.

Die effiziente Nutzung von Energie ist neben dem eigentlichen Umstieg auf erneuerbare Energien eine der grundlegenden Voraussetzungen für die in Deutschland so viel diskutierte Energiewende. Laut dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie werden fast 40 % der Energie in Deutschland im Gebäudesektor verbraucht, wobei der Anteil für Heizung und Warmwasseraufbereitung der Privathaushalte 85 % beträgt. Mit einem Gebäudebestand in Deutschland von rund 18 Mio. Wohngebäuden und 1,5 Mio. sogenannten Nichtwohngebäuden, z. B. Büros, Geschäfte und Verwaltungsgebäude liegt hier ein enormes Einsparpotenzial. Bei der Suche nach effizienten Lösungen spielt eine dezentralisierte Erzeugung von Wärme und Strom mit hocheffizienten Energiekonvertern wie einer Brennstoffzelle eine wichtige Rolle, da man mit einer solchen Lösung in der Lage ist, höchstmögliche Energieeinsparungen in Bezug auf den Primärverbrauch zu liefern.

Wasserstoff als Energieträger
Obwohl die Brennstoffzellentechnik bereits seit mehr als 170 Jahren bekannt ist, wurde sie über viele Jahre hinweg lediglich bei Raumfahrtanwendungen und im militärischen Bereich als kompakte und leistungsfähige Energiequelle eingesetzt. Im Gegensatz zu vielen anderen Bereichen, in denen sich die Brennstoffzellentechnik noch mehr oder weniger im Versuchsstadium befindet, entwickelt sich diese Technologie im Umfeld der Haustechnik zu einer interessanten Alternative zur konventionellen Wärme- und Stromversorgung, da sich die Brennstoffzelle durch einen besseren Wirkungsgrad und erheblich geringere Emissionen (Schadstoffe, Lärm, Vibrationen) auszeichnet.
Wasserstoff bietet sich langfristig als hervorragender Energieträger an, allerdings existiert derzeit keine flächendeckende Wasserstoffin­frastruktur. Somit kommt der Gestaltung eines effizienten Gaserzeugungssystems bei der Weiterentwicklung und Verbreitung der Technologie eine Schlüsselrolle zu. Ein vielversprechender Ansatz zur dezentralen Wasserstofferzeugung für Brennstoffzellen ist die katalytische Dampfreformierung von Methan, da dieses Verfahren eine relativ hohe Wasserstoffausbeute aufweist und eine prozessinterne Integration der Energie der Anodenrestgase ermöglicht.
Die Auslegung eines kombinierten Systems, bestehend aus Gaserzeugung (Dampfreformer) und Brennstoffzelle ist komplex, da die einzelnen physikalischen Effekte und chemischen Reaktionen gekoppelt betrachtet werden müssen. Die multiphysikalische Simulation kann hier eine enorme Hilfestellung leisten, wie ein aktuelles Projekt an der TU Darmstadt zeigt.
Der Autor dieses Beitrags hat vor kurzem an der TU Darmstadt im Fachbereich thermische Verfahrenstechnik ein Projekt durchgeführt, bei dem es um die Auslegung einer kombinierten Anlage für Wärme und Strom für die Haustechnik ging. Zuvor hatte er sich bereits intensiv mit Modellierung und Simulation verfahrenstechnischer Apparate beschäftigt, unter anderem im Bereich Brennstoffzellen, Konvektionstrockner und Mikroreformer. Dafür nutzte er an der TU Darmstadt die Softwareumgebung Comsol Multiphysics, die sich insbesondere durch die Möglichkeit auszeichnet, verschiedene physikalische Phänomene zu koppeln und in einem Modell zu integrieren. Die Software ist modular aufgebaut und bietet je nach Anwendungsfall spezialisierte Module, die es dem Anwender vereinfachen, sein physikalisch gekoppeltes Modell aufzubauen. Die einfache Kopplung der physikalischen Effekte war auch ursprünglich der ausschlaggebende Grund für die Einführung dieses Programms an der Hochschule. Die in Darmstadt vorhandenen Comsol Zusatzprodukte sind: AC/DC Module, Batteries & Fuel Cells Module, CFD Module, Chemical Reaction Engineering Module und Subsurface Flow Module.

Zielsetzung und Modellaufbau
Ziel der Arbeit war insbesondere die Entwicklung eines Prozesses zur Herstellung von Wasserstoff aus Erdgas im Rahmen der häuslichen Kraftwärmekopplung auf Basis einer Brennstoffzelle. Dabei lag das Hauptinteresse an der Untersuchung der vorherrschenden Reaktionskinetik und einem sich anschließenden Designvorschlag für einen Mikro-Me­than-Dampfreformer im Verbund mit einem Brennstoffzellen-System.
Ein Mikro-Methan-Dampfreformer ist ein komplexes Produkt, das aus zahlreichen Prozesseinheiten besteht. Aufgrund des komplexen Zusammenspiels ist es für die virtuelle Produktentwicklung notwendig, diese Sub-Modelle separat zu validieren. Nur durch ein validiertes Modell lassen sich eventuelle Fehler im Modell frühzeitig erkennen und es kann sichergestellt werden, dass neu gewonnene Erkenntnisse richtig in die Weiterentwicklung des Modells einfließen. Dazu wurde parallel zum Simulationsmodell ein Versuchsmodell aufgebaut, damit nach erfolgreicher Validierung des Simulationsmodells weitergehende Untersuchungen am virtuellen Prototyp durchgeführt werden können. Als wichtigster Aspekt ist hierbei die korrekte Abbildung der Reaktionskinetik zu beachten. Zur Beschreibung einer chemischen Reaktion ist es notwendig, die drei Erhaltungsgleichungen (Massen-, Impuls- und Energieerhaltung) an jedem Ort im Dampfreformer zu jedem Zeitpunkt zu lösen.
Um die Kinetik eines Systems zu untersuchen, muss man die Reaktionen sowie den Speziestransport durch Konvektion und Diffusion am und innerhalb des Katalysators sowie den Wärmetransport über die gesamte Geometrie berücksichtigen. Dazu wurde ein experimenteller Reaktor entworfen, um die chemische Reaktionskinetik zu analysieren. Das Reaktordesign basiert auf der verwendeten Simulationsgeometrie und die Randbedingungen der Simulation wurden im experimentellen Setup nachgebildet. Ziel dieses Entwicklungsschrittes war die Evaluierung der katalytischen Verbrennung. Das energieaufnehmende Reaktionssystem der Reformierung wurde zunächst nicht betrachtet.
Im ersten Schritt wurde der Wärmetransport im Reaktor validiert. Dafür wurde eine Heizpatrone in das Versuchsmodell eingesetzt, die die chemische Reaktion und ihre Wärmeleistung repräsentiert. Anschließend wurden die Ergebnisse des dynamischen Experimentes und der Simulation im Zeitbereich miteinander verglichen. Die Ergebnisse zeigten eine gute Übereinstimmung.
Durch die Anwendung einer katalytischen Beschichtung und einer sich dadurch ergebenden hinreichend hohen Reaktionsaktivität innerhalb des Reaktors konnte nun die chemische Reaktion einbezogen werden. Dabei wurde die Oxidation von Wasserstoff und Me­than berücksichtigt, wobei im Simulationsmodell beide als Einschritt-Oberflächenreaktionen implementiert wurden. So wurde das Zusammenwirken von Reaktion, Wärmeübertragung und Strömung untersucht, indem man die Temperaturen und die Konzentrationsfelder berechnet.
Mit dem Reaction Engineering Module in Comsol Multiphysics konnten zunächst Kontaktzeit und Durchsatz abgeschätzt werden. Allerdings ist nur das vollständig räumliche Modell in der Lage, genaue Ergebnisse zu liefern. Abbildung 3 zeigt die zweidimensionale, achsensymmetrische Geometrie und die Berechnungsbereiche für den katalytischen Brenner. Es besteht aus einem einzelnen Reaktor-Kanal mit einer katalytisch beschichteten Wand. Mit 500 μm liegt die Spaltgröße im Submillimeterbereich.

Datenvergleich von Simulation und ­Experiment
Mittels Simulation war man in der Lage, die katalytische Oxidation von Methan und Wasserstoff zu beschreiben. Um diese Ergebnisse zu validieren, insbesondere im Hinblick auf den kinetischen Ansatz, ist es erforderlich, die Simulationsdaten mit experimentellen Ergebnissen zu vergleichen. Da die kinetischen Daten immer noch einen Unsicherheitsfaktor darstellten, wurde ein Versuchsaufbau entwickelt, der auf den Randbedingungen der Simulation basierte. Dieses Setup, kombiniert mit den Informationen über den eingesetzten Katalysator lieferte validierte kinetische Daten, darunter die Morphologie des Katalysators, die Konzentration im Abgas (GC), der Druck und die Volumenströme. Diese Daten können in einer weiterführenden Simulation angewendet werden, die den Brenner und die Reformer-Kanäle umfasst.
Die Versuchsergebnisse unterschieden sich anfänglich von den Berechnungsergebnissen, was unter anderem auf einen unregelmäßigen Gasfluß zurückzuführen war. Dieses Problems konnte gelöst werden indem diese Unregelmäßigkeit als Randbedingung in das Simulationsmodell implementiert wurde.
Neben den offensichtlichen Ergebnissen, wie z. B. das Temperaturprofil, kann die Simulation dazu genutzt werden, den Gesamtdurchsatz, die lokale Maximaltemperatur und Verbrennungsenergie sowie Wärmeverluste zu berechnen. Auswirkungen von Geometrieänderungen wie die Spaltgröße oder unterschiedliche Materialien sind einfach zu testen. Eine weitere Informationsquelle ist die zeitabhängige Simulation. Abb. 6 zeigt den Zündvorgang eines Wasserstoff-Luft Gemisches bei 25 °C und mit Erreichen der katalytischen Zündtemperatur, den Beginn der Methan-Oxidation. (Es wurden nur heterogene Reaktionen berücksichtigt).

Ergebnisse
Die Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass der Entwicklungsprozess eines kombinierten Systems aus Mikro-Methan-Dampfreformer und Brennstoffzelle durch die virtuelle Entwicklung erheblich beschleunigt werden kann. Dies geschieht zum einen durch die Reduzierung realer Prototypen und dem damit verbundenen Aufwand, sowie durch ein deutlich besseres Prozessverständnis, welches durch die Simulation und Sensitivitätsanalysen erlangt wird. So ist es im Gegensatz zum Versuch bei der Simulation möglich, Temperaturmesswerte von Positionen zu erhalten, die versuchstechnisch gar nicht zugänglich sind oder bei denen der Temperatursensor die Messung verfälschen wurde.

Ausblick
Bis zu diesem Punkt der Arbeit umfasste das Simulationsmodell nur eine Abbildung der Reaktionen. Die bisherigen Untersuchungen am Simulationsmodell sind daher als Grundlage zu verstehen. Der nächste Schritt besteht in der Optimierung der Katalysatorbeladung. Hierbei muss innerhalb des Mikroreaktors zwischen Stofftransport- und kinetischer Limitierung unterschieden werden. Hinweise liefern die Konzentration und die Temperatur entlang des Reaktionskanals. Diese Information lässt sich durch ein Experiment nur begrenzt ermitteln. Im weiteren Verlauf der Entwicklung könnte u. a. die Geometrie des Simulationsmodells an fertigungsspezifische Randbedingungen angepasst werden. Darüber hinaus könnten bei der Erweiterung des Comsol Multiphysics Modells unterschiedliche Katalysatoren untersucht und die verschiedenen Längenmaße optimiert werden. Die Entwicklung eines Prototyps des Gesamtsystems ist bereits in Arbeit. Darüber hinaus ist geplant, dieses Vorgehen und auch die Produktidee in ein Gründungsvorhaben zu übertragen. Dieses entsteht im Rahmen des Exist-Forschungstransfer Programms der TU Darmstadt.

Kontakt

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