Strategie & Management

Zirkuläre Wirtschaft – Herausforderung und Chance für die Chemie

Die Circular Economy und ihr Einfluss auf Produktportfolios und Geschäftsmodelle der Chemieindustrie

11.12.2018 - Die Europäische Kommission hat Ende 2015 ein Paket zur „Circular Economy" vorgelegt, um Wirtschaft und Konsum nachhaltiger zu gestalten. Ziel ist es, „linear" verlaufende Stoffströme vom Rohstoff über Produkte bis hin zum Abfall in Kreisläufe zu überführen, in denen möglichst viel stofflich verwertet (recycelt) wird.

Für die chemische Industrie ist zirkuläre Wirtschaft mehr als Recycling.

Das Konzept einer zirkulären Wirtschaft geht für die Chemieindustrie über klassisches Rohstoffrecycling hinaus und schließt alle Maßnahmen ein, die das Wirtschaftswachstum vom Verbrauch endlicher Ressourcen entkoppeln. Somit wird Zirkuläres Wirtschaften sukzessive einen starken Einfluss auf Produktportfolios, Prozesse und Geschäftsmodelle der chemischen Industrie haben. Dies wurde bereits in der vom Verband der chemischen Industrie (VCI) initiierten und im September 2017 vorgelegten Studie „Chemie 4.0“ prognostiziert. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass Zirkuläre Wirtschaft nicht nur zur Erreichung von ökologischen Zielen beiträgt, sondern der Chemie auch Wachstumspotenziale bietet.

Experten diskutieren Strategien

Experten und Entscheider aus der chemischen Industrie und verwandten Branchen haben sich Anfang November auf der Konferenz „Circular Economy“ in Leverkusen über die Chancen und Herausforderungen sowie zu Strategien und Konzepten der Zirkulären Wirtschaft ausgetauscht. Zu der von Covestro als Sponsor unterstützten Konferenz hatte die Vereinigung für Chemie und Wirtschaft (VCW), eine Fachgruppe der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) eingeladen.

Die mehr als 100 Teilnehmer erhielten interessante Einblicke in die Erfahrungen und Kenntnisse renommierter Unternehmen sowie in die Visionen von Start-ups und diskutierten mit den Experten über Themen wie die effiziente Nutzung von Ressourcen, die Minimierung von Abfall und Emissionen, recycling-gerechtes Produktdesign, Verwerfungen sowie die künftige Rolle von Chemikalien- und Werkstofflieferanten in der Wertschöpfungskette.

Dabei wurden auch einige Beispiele vorgestellt, die entweder von einzelnen Akteuren oder von Partnern entlang der Wertschöpfungskette chemischer Produkte und Anwendungen imitiert worden sind. Denn, so eine Erkenntnis der Konferenz: Häufig gelingt der Erfolg bei Circular-Economy-Projekten nur durch Kooperationen. Carolina Hupfer vom VCI, die in ihrem Eröffnungsvortrag die Industriesicht vorstellte und insbesondere auf die Bedeutung der Kohlenstoff-Kreisläufe für die Chemie einging, postulierte aus Verbandssicht: Wertschöpfungsketten werden zu ökonomischen Netzwerken, in denen Partner aus verschiedenen Branchen gemeinsam ein umfassendes Angebot an Gütern und Dienstleistungen erbringen. Die unternehmensübergreifende Kooperation in ökonomischen Netzwerken wird zudem durch die Digitalisierung erleichtert.

Chemie entwickelt zukunftsweisende Lösungen

Zu den innovativen Lösungen, die Chemieunternehmen heute bereits – eigenständig oder in solchen Partnernetzwerken – entwickeln, zählen maßgeschneiderte Chemikalien für die Kreislaufwirtschaft, Hochleistungswerkstoffe für die Reduzierung des Ressourcenverbrauchs bei den Kunden, neue Geschäftsmodelle wie Rücknahmesysteme für Chemikalien, ein verstärkter Einsatz nachwachsender Rohstoffe und die Erzeugung von Basischemikalien in Bioraffinerien, die Nutzung von Abfall als Rohstoff (Waste to Chemicals) und von erneuerbarem Strom zur Herstellung von Chemikalien (Power to X) bis hin zur Verwendung von CO2 als Rohstoff.

Die Digitalisierung hilft aber nicht nur bei der unternehmensübergreifenden Kooperation in ökonomischen Netzwerken, sondern sie ermöglicht es oft erst, die neuen Möglichkeiten zu nutzen. So erlaubt die Analyse digitaler Nutzungsmuster ein besseres Produktdesign, Transparenz über den Standort von Materialien vereinfacht die Sammellogistik, umfassende Materialinformationen in digitaler Form erleichtern das Wertstoffrecycling.

Wie Zirkuläre Wirtschaft in der Praxis aussehen kann, erläuterte Andreas Kohnert von Infraserv Höchst zum Abschluss der Konferenz an Beispielen. Denn das Geschäftsmodell eines Industrieparkbetreibers funktioniert in vielen Teilen nach (oder wegen) den Prinzipien der Zirkulären Wirtschaft. Unter dem Stichwort “Cross-Sector Collaboration“ will der Betreiber des Industrieparks Höchst ein effektives Zusammenspiel unterschiedlichster Akteure organisieren und sektorübergreifend langfristig tragfähige Interessensausgleiche verhandeln und weiterentwickeln.

Als „Zukunftslabor“ stellte Kohnert das Zentrum für Industrie und Nachhaltigkeit (ZIN) vor, das am Industriepark Höchst Wissenskreisläufe zwischen Unternehmen, Wissenschaft und öffentlicher Hand organisiert. Der Leiter des ZIN, Hannes Utikal von der Provadis Hochschule, moderierte als VCW-Vorstandsmitglied die Veranstaltung, die neben vielen Vorträgen, Diskussionsrunden und Gruppen-Workshops auch ausreichend Zeit zum Networken und Fachsimpeln ließ.

Fazit

Am Ende dürfte den Teilnehmern der Konferenz – bei allen Aktivitäten, die es heute bereits gibt – eines klar geworden sein: Es wird ein langer Atem nötig sein, bis aus Pilotprojekten wirtschaftliche Lösungen entstehen und nach und nach immer mehr Stoffkreisläufe geschlossen werden. Dabei muss jedoch bedacht werden, dass Vorgaben, die einseitig auf die Stärkung des Recyclings abzielen, kontraproduktiv für die Entwicklung innovativer Materialien sein können. Solche Zielkonflikte im Sinne der Nachhaltigkeit zu lösen, wird eine Herausforderung sein, doch dabei kann die Chemie in einer zirkulären Wirtschaft einen unverzichtbaren Beitrag leisten.

CHEManager hat einige der Referenten der VCW-Konferenz „Circular Economy“ interviewt. Ihre Kernaussagen zu Aspekten der zirkulären Wirtschaft und zu konkreten Projekten lesen Sie hier

Kontakt

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