Konsequentes Pflichtenmanagement lohnt
Verantwortung des Managements für die Einhaltung von Vorschriften in Chemieunternehmen
Schadensereignisse in Chemiebetrieben haben oft Folgen für Mensch und Umwelt. Daher wird in solchen Fällen stets ermittelt, ob Vorschriften verletzt wurden und das Management dafür zur Verantwortung gezogen werden kann. Wenn nämlich die Mitarbeiter nicht in die Lage versetzt werden, alle Vorschriften einzuhalten, kann ein sog. Organisationsverschulden vorliegen. Ein Mittel, dem mit vertretbarem Aufwand vorzubeugen ist, ist die Einführung eines „Pflichtenmanagements“, das die Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen verbunden mit einem Rechtskataster nutzt, um die Pflichten zu identifizieren, zuzuweisen und ihre Erfüllung zu verfolgen.
Wenn aufgrund von Fehlern in der Aufbau- oder Ablauforganisation einem Dritten Schaden zugefügt wurde, so spricht man von einem Organisationsverschulden, für das unter Umständen das Management haftet.
Strafrechtlich haftet man, sobald man im Unternehmen in eigener Verantwortung Aufgaben wahrnimmt und dabei pflichtwidrig und vorwerfbar strafbare Handlungen (oder Unterlassungen) durchführt (§ 14 StGB). Privatrechtlich haftet man u. a., wenn man jemandem vorsätzlich, fahrlässig oder unter Verletzung einer Schutzvorschrift einen Schaden zufügt (§ 823 BGB). Daraus ergibt sich, dass das Management niemanden durch Fahrlässigkeit gefährden darf und sicherstellen muss, dass alle Schutzvorschriften eingehalten werden.
Damit ergibt sich indirekt die Pflicht, alle Vorschriften, die die betrieblichen Vorgänge betreffen, bereit zu stellen und zwar in der jeweils aktuell gültigen Fassung und so, dass die Fach- und Führungskräfte in der Lage sind, daraus die konkreten Pflichten für ihren Verantwortungsbereich abzulesen und zu bewerten.
Die Erfüllung aller Pflichten bildet zudem ein nicht unerheblicher Kostenfaktor, der in der Regel als nicht verhandelbar erscheint, da gesetzliche Vorgaben dahinterstehen. Die ohnehin erforderlichen Gefährdungsbeurteilungen eröffnen hier jedoch Möglichkeiten, um die Rechtssicherheit zu erhöhen und trotzdem Kosten zu senken. Dies ist Ziel des Pflichtenmanagements.
Was ist ein Pflichtenmanagement?
Die betriebsnahen Führungskräfte fühlen sich überfordert, alle Pflichten selbst zu ermitteln und zu erfüllen. Dazu brauchen sie geeignete Instrumente.
Solche Instrumente müssen in Abhängigkeit der vorhandenen Anlagentechnik und den betrieblichen Begebenheiten den Betriebsleiter und seine Betriebsingenieure mit mindestens folgenden Funktionalitäten unterstützen:
- Relevante Vorschriften aufzeigen und betriebliche Pflichten festlegen
- Ableiten, welche Pflichten wie genau zu erfüllen sind
- Delegieren der Pflichten an verantwortliche Mitarbeiter
- Bereitstellen von Tools, mit denen die identifizierten Pflichten rechtskonform umgesetzt werden können
- Dokumentieren und nachweisen, ob und wie welche Pflichten erfüllt sind
Die Umsetzung führt zu einem Pflichtenmanagement. Dieses sollte eine lückenlose, aber auch eine effiziente Erfüllung der Pflichten im Blick haben. Daher werden in diesen Prozess die ohnehin notwendigen Gefährdungsbeurteilungen mit eingebunden.
Rechtskataster mit Pflichtenkatalog
Im Zentrum steht zunächst der Regelwerkskatalog (oft auch als Rechtskataster bezeichnet), der folgende Anforderungen erfüllen sollte:
- Zugriff auf alle Vorschriften, die für den betreffenden Chemiebetrieb relevant sind.
- Darstellung von Pflichtentexten als Ergänzung zu den Volltexten. Diese Pflichtentexte enthalten in Kurzform, welche konkreten, betrieblichen Pflichten sich aus der jeweiligen Vorschrift ergeben.
- Bündelung von Pflichten, um gleichartige Pflichten zusammenzufassen und mit gemeinsamen Mitteln effizient erfüllen zu können.
- Zuordnung von Pflichten zu Arbeitsmitteln, Tätigkeiten und Verantwortungsbereichen, um so sichtbar zu machen, wer welche Pflichten für eine bestimmte Maschine oder betriebliche Aufgabe zu erfüllen hat.
- Verknüpfung mit einem Aktualisierungsdienst, der Änderungen transparent macht und obige Pflichten automatisch aktualisiert.
Am Ende muss das Pflichtenmanagement transparent machen, welche Pflichten zu erfüllen sind, ob sie erfüllt sind und wie durch die Organisation sichergestellt ist, dass sie auch dauerhaft erfüllt werden.
Die Gefährdungsbeurteilung
Pflichten ergeben sich nicht allein aus Vorschriften. Welche Pflichten in welcher Ausprägung genau umzusetzen sind, ergibt sich immer erst aus der Gefährdungsbeurteilung. Daher ist die Gefährdungsbeurteilung die erste zentrale Pflicht, aus der sich letztlich alle anderen ableiten.
Das Arbeitsschutzgesetz und die Betriebssicherheitsverordnung fordern, dass die Gefährdungsbeurteilung nicht nur Gefährdungen erfasst, sondern diese im Kontext der tatsächlichen betrieblichen Situation bewertet und daraus die Pflichten in Form von Schutzmaßnahmen ableitet.
„Pflichten ergeben sich nicht allein aus Vorschriften.“
Es sollte also keine Schutzmaßnahme im Betrieb mehr geben, ohne dass man dazu sagen kann, welche Gefährdungsbeurteilung diese als ausreichend erklärt hat.
Das Effizienzpotenzial am Pflichtenmanagement ist nun, dass man diese Gefährdungsbeurteilungen zugleich nutzt, um die relevanten Vorschriften zu erfassen und ihre Spielräume zu nutzen. Ein System zur Erstellung und Dokumentation von Gefährdungsbeurteilungen muss daher eine Verbindung mit dem Rechtskataster haben.
Ein weiteres wichtiges Effizienzpotenzial bietet die Unterscheidung zwischen verschiedenen Typen von Gefährdungsbeurteilungen. Wenn man nämlich versucht, alle Gefährdungsbeurteilungen nach identischem Muster durchzuführen, führt dies unweigerlich in die Kostenfalle. Ein einfaches Handwerkzeug kann doch nicht genauso behandelt werden, wie eine komplexe verfahrenstechnische Anlage. Je nach Komplexität und Zielsetzung müssen von einem effizienten System daher unterschiedliche Formate bereitgestellt werden. Sinnvoll ist eine Unterscheidung zwischen Formaten für: Einfache Arbeitsmittel (§7 BetrSichV), Einzeltätigkeiten, Prozesse, Einzelarbeitsmittel, Anlagen sowie Arbeitsmittel ohne Herstellererklärung.
Ältere Softwaresysteme für Gefährdungsbeurteilungen bieten weder die Verbindung mit dem Rechtskataster noch ihre Klassifizierung. Will man trotzdem auf ein modernes System umsteigen, sollte man zuerst eruieren, wie es möglich ist, die bisherigen Gefährdungsbeurteilungen weiter zu nutzen.
Pflichtendelegation
Damit die festgelegten Pflichten auch erfüllt werden, müssen diese delegiert werden. Diese Pflichtendelegation ist zur Wahrnehmung der Organisationspflichten und somit zur Vorbeugung eines Organisationsverschuldens von besonderer Bedeutung. Außerdem wird damit auch eine Forderung des § 7 Arbeitsschutzgesetzes erfüllt.
Die Delegation erfolgt am Besten in zwei Stufen. Die erste Stufe umfasst die Basisdelegation in einem separaten Dokument mit der Übertragung der Unternehmerpflichten: Welche Pflichten sind gegenüber den eigenen Mitarbeitern grundsätzlich in eigener Verantwortung zu erfüllen? Ein Beispiel wäre dabei die Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen. Die zweite Stufe umfasst die Zusatzdelegation durch Festlegungen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung: Wer muss welche Schutzmaßnahmen umsetzen?
Aus der zweiten Stufe ergibt sich eine weitere Anforderung an ein Pflichtenmanagement-System: Es muss die abgeleiteten Maßnahmen durch eine entsprechende Personalisierung und Rechtskonzepte zuweisen und verfolgbar machen.
„Damit die festgelegten Pflichten auch erfüllt werden, müssen diese delegiert werden.“
Stand der Umsetzungen
Es gibt derzeit eine Reihe von Großunternehmen, die vor allem aus Compliance-Gründen ein entsprechendes Pflichtenmanagement aufbauen wollen.
Doch gerade mittelständische Betriebe werden davon profitieren, denn es würde die vielen aufwändigen von Einzelverantwortung getriebenen Lösungen auch ohne große HSE-Abteilungen durch eine zentrale Lösung ersetzen lassen. Der Druck zur Einführung eines Pflichtenmanagements entsteht oft auch durch die Zertifizierung diverser Managementsysteme. Immer häufiger stellen Auditoren die Frage, wie man denn sicherstellt, dass alle Vorschriften eingehalten werden und Änderungen schnell erkannt und umgesetzt werden.
Software- und Dienstleistungsangebote zum Pflichtenmanagement gibt es auf dem Markt bereits viele*. Darunter auch immer mehr mit den hier beschriebenen Eigenschaften, so dass man per Mausklick in der Lage ist, dem Auditor die entsprechenden Lösungen aufzuzeigen.
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