Anlagenbau & Prozesstechnik

Risikomanagement in der Praxis

Folge 4: Brennbare Flüssigkeiten

10.06.2011 -

In der Chemiebranche gehört die Arbeit mit brennbaren Flüssigkeiten zum Tagesgeschäft. Geraten diese in Brand, ist das Feuer nur schwer zu kontrollieren. Die durchschnittliche Schadenhöhe liegt in solchen Fällen bei rund 1 Mio. €. Dank moderner Schadenverhütung und einem umfassenden Process Safety Management (PSM) Programm lässt sich das Brandrisiko jedoch deutlich verringern.

Process Safety Management
In der Chemiebranche gehört die Arbeit mit brennbaren Flüssigkeiten zum Tagesgeschäft. Geraten diese in Brand, ist das Feuer nur schwer zu kontrollieren. Die durchschnittliche Schadenhöhe liegt in solchen Fällen bei rund 1 Mio. €. Dank moderner Schadenverhütung und einem umfassenden Process-Safety-Management (PSM)-Programm lässt sich das Brandrisiko jedoch deutlich verringern.
Allgemein gelten Flüssigkeiten mit niedrigem Flammpunkt wie Benzin als besonders gefährlich. Schadenstatistiken zeigen jedoch, dass Flüssigkeiten mit hohem Flammpunkt wie Wärmeträgeröle, Schneidöle oder Hydraulikflüssigkeiten eine ebenso große Gefahr darstellen, wenn sie zu heiß werden, unter Druck stehen oder durch ein Feuer in der Anlage involviert werden. Obwohl einige dieser Flüssigkeiten eine niedrigere Verbrennungswärme als Kunststoffe entwickeln, geht von ihnen eine ungleich höhere Gefahr aus. Zum einen entzünden sie sich leichter und brennen schneller als Feststoffe, weil sie schneller verdampfen. Zum anderen ist die beim Brand freigesetzte Energiemenge deutlich größer. Denn bei Leckagen breiten sich Flüssigkeiten schnell großflächig aus. Diese größere Verbrennungsfläche bedeutet mehr Wärme und vergrößert die Gefahr, dass andere Stoffe in der Umgebung ebenfalls in Brand geraten. Eine Benzinlache von etwas mehr als 4 m2 kann bereits Flammen von über 10 m Höhe erzeugen. Dafür reichen weniger als 30 l ausgelaufenes Benzin aus.
Auch aus diesem Grund empfiehlt sich, ein gezieltes Process-Safety-Management (PSM)-Programm einzuführen. Durch ein lückenloses PSM-Programm - inklusive einer umfassenden Risikoanalyse - kann eine möglichst effektive Kontrolle der chemischen Prozesse erreicht werden. Zu einem professionellen PSM-Programm gehört unter anderem die Benennung von Sicherheitsverantwortlichen und die Unterstützung des Managements, eine genaue Kenntnis aller Prozesse durch regelmäßige Überprüfung der Prozesssicherheit, eine Analyse und Überwachung aller Veränderungen, die Dokumentation von Beinaheunfällen mit den dazugehörigen Ursachenanalysen, die Förderung der inhärenten Betriebssicherheit sowie die Erarbeitung präziser Notfallpläne. Aber auch Faktoren wie menschliches Versagen oder die Schulung betriebseigener und externer Arbeitskräfte müssen hierbei berücksichtigt werden.

Risiko- und Prozesssicherheitsanalysen
Die Analysen zeigen: Insbesondere beim Löschen von Flüssigkeiten mit niedrigem Flammpunkt wie Benzin werden große Wassermengen benötigt. Während automatische Sprinkleranlagen brennende Flüssigkeiten mit hohem Flammpunkt vollständig löschen, senken sie bei Flüssigkeiten mit niedrigem Flammpunkt die Temperatur des Brandes und verhindern ein Übergreifen auf weitere Gebäudeteile. Manche Brände entwickeln eine so große Hitze, dass die Wassertropfen verdampfen, bevor sie die brennende Flüssigkeit erreichen. Nur mit einer umfassenden Risikoanalyse im Rahmen des PSM, die auch das Gefahrenpotential brennbarer Flüssigkeiten einschließt, die im Betrieb gelagert und verarbeitet werden, kann eine geeignete Sprinkleranlage ausgewählt und eingebaut werden.
Durch detaillierte Prozesssicherheitsanalysen als Teil des PSM lassen sich auch die Hauptgründe für solche Flüssigkeitsbrände besser erkennen: Wärmestrahlung und heiße Oberflächen, die Überhitzung von Geräten sowie statische Aufladungen oder Elektrizität. Deshalb sollten Sprinkleranlagen mit präventiven Sicherheitsmaßnahmen kombiniert werden, die das Austreten brennbarer Flüssigkeitsdämpfe, aber auch jede Form von Zündquellen ausschließen. Es kann schon entscheidend sein, dass beispielsweise Anlagenteile und elektrische Geräte ausreichend geerdet sind, was als selbstverständlich gilt, aber bei Nichteinhaltung dennoch oft Ursache von Bränden ist.
Tanks und Behälter müssen während des laufenden Betriebs verschlossen bleiben und dürfen bei einem Brand nicht beschädigt werden. Sie können mit automatisch schließenden Deckeln ausgerüstet werden. Dabei ist zu beachten, dass auf Stahlträgern gelagerte Tanks auch an ihrer Unterseite von Sprinklern geschützt werden müssen. Ist ihr Durchmesser größer als 90 cm, kann der Bereich darunter mit Deckensprinklern kaum noch erreicht werden. Ein Feuer unter dem Tank könnte die Halterung destabilisieren, sodass dieser umstürzen und beschädigt werden könnte, wodurch weitere brennbare Medien dem Feuer zugeführt würden. Alternativ werden die Stützen auch in Beton eingegossen oder mit anderem feuerfesten Material ummantelt.
Durch bauliche Maßnahmen wie nicht brennbare Abtrennungen kann ein Übergreifen des Flüssigkeitsbrands auf andere Bereiche abgewendet werden. Auch automatische Abschaltsysteme können die Ausbreitung des Feuers hemmen - dem Feuer wird der Brennstoff entzogen. Abluftsysteme verhindern, dass ein explosives Gemisch aus Luft und verdampfter Flüssigkeit entsteht. Sicherheitsdrainagen und Aufkantungen leiten ausgelaufene Flüssigkeiten aus dem Gefahrenbereich ab. Regelmäßige Schulungen sensibilisieren die Mitarbeiter und fördern einen sicheren Umgang mit den eingesetzten Gefahrstoffen.

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