Teure Rohstoffe drücken Margen
01.09.2013 -
Teure Rohstoffe drücken Margen – Neue Verfahren und Rohstoffe sichern Wettbewerbsfähigkeit der Chemieindustrie.
Die Rohstoffrechnung der Bundesrepublik Deutschland ist in den vergangenen zwei Jahren um 72 % gestiegen - und das bei annähernd gleich bleibenden Importmengen, meldete das Institut der deutschen Wirtschaft Ende August.
Dabei schlug nicht allein der bis vor wenigen Wochen rasant gestiegene Ölpreis zu Buche, auch die Preisentwicklung bei Metallen trug zu höheren Rohstoffkosten bei.
Beides trifft die chemische Industrie in besonderem Maße. Angesichts dieses Trends überrascht es nicht, dass rund die Hälfte der befragten Chemiemanager in der aktuellen CHEMonitor-Befragung Rohstoffe als Schwerpunkt ihrer Kostensenkungsmaßnahmen nennen, noch vor den Bereichen Personal und Energie.
Insgesamt entfallen mehr als 35 % der Produktionskosten in der chemischen Industrie auf Energie und Rohstoffe. Nach Angaben des Verband der Chemischen Industrie (VCI) gab die Branche 2007 allein 8,4 Mrd. € für Rohölprodukte aus, 6,3 % mehr als noch ein Jahr zuvor. Dieser Trend wird sich fortsetzen, denn im ersten Halbjahr 2008 stieg der Preis in Euro für Rohöl um rund 50 % (72 % in US-$).
Naphtha, das die Basis für rund 80 % der Chemieproduktion bildet, verteuerte sich um 29 %. Dieser zunehmende Kostendruck wirkt bereits entlang der Wertschöpfungskette bis auf die Margen der Konsumgüterhersteller:
Anfang August hatte Henkel wegen hoher Rohstoffkosten und schwachen Dollarkurses seine Gewinnziele für 2008 nach unten korrigiert, während die Umsatzziele angehoben wurden.
Auch „Beiersdorf kann sich von den steigenden Preisen im weltweiten Rohstoffmarkt nicht abkoppeln und wird seine Verkaufspreise dieser Entwicklung anpassen", äußerte sich Vorstandsvorsitzender Thomas-Bernd Quaas.
Täglich steigen die Preise für Chemieprodukte
In der Spezial- und Basischemie sind Preiserhöhungen derzeit an der Tagesordnung. Nach Angaben des VCI lagen die Preise für chemische Erzeugnisse im ersten Halbjahr 2008 um 3,5 % über denen des Vorjahres.
Der Trend verschärft sich noch mit der Nähe zum Rohstoff Erdöl: Die Preise für petrochemische Produkte lagen im ersten Halbjahr um 7 % über Vorjahr.
Trotz des zunehmenden Kostendrucks erwartet die Chemiebranche aktuell keinen Konjunktureinbruch, sondern lediglich ein deutlich verlangsamtes Wachstum.
Denn noch gelingt es einem Großteil der Chemieunternehmen, ihre höheren Kosten für Rohstoffe und Energie durch höhere Preise zu kompensieren: Nach den Ergebnissen des aktuellen CHEMonitor können 61 % der Chemieunternehmen die Kosten „weitgehend" und gar 16 % „nahezu vollständig" an ihre Kunden weitergeben.
Vorwärtsintegration soll Rohstoffpreisabhängigkeit senken
Dies bestätigt auch der Chemiekonzern BASF. Zwar beklagt das Unternehmen einen steigenden Margendruck im Chemiegeschäft aufgrund des gestiegenen Ölpreises, doch sei dies nur ein temporärer Effekt, da die Verkaufspreise der Produkte in der Regel dem Verlauf der Einkaufspreise zeitverzögert folgten.
Zudem profitiert der Chemieriese - ähnlich wie Sabic oder die Petrochemiesparten von Shell, Exxon oder Total - von der eigenen Öl- und Gassparte als natürliche Absicherung gegen hohe Rohstoffpreise. Durch den Ausbau des Spezialchemiegeschäfts, aktuell durch die Übernahme des Schweizer Unternehmens Ciba (vgl. S. 2), will die BASF ihre Abhängigkeit von den Rohstoffkosten künftig noch weiter verringern.
Die Veröffentlichung der Halbjahreszahlen zeigte, dass es den Unternehmen der Branche zusehends schwerer fällt, verlässliche Ertragsprognosen zu stellen.
Dabei sorgt nicht allein die Höhe der Rohstoff- und Energiepreise für Unsicherheit in der Chemie, sondern auch deren Volatilität. Und dennoch sichern sich die Unternehmen seltener gegen die Risiken von Rohstoffpreisschwankungen ab als beispielsweise gegen volatile Wechselkurse. Nach einer Studie von KPMG aus dem Jahr 2007 sicherten nur 62 % von 500 befragten Unternehmen einen Teil der benötigten Rohstoffe ab.
Die aktuelle CHEMonitor- Befragung ergab, dass nur 15 % der Chemieunternehmen ihre Rohstoffkosten durch Hedging- Instrumente absichern und rund die Hälfte auf konservative Methoden wie langfristige Lieferverträge und die Beschaffung über konkurrierende Lieferanten setzt.
Dies bestätigt auch Dr. Antonio Trius, Vorstandsvorsitzender von Cognis: „Wir sichern die Rohstoffversorgung für die Produktionen unsere Kerngeschäfte, die zum großen Teil auf natürlichen Ölen und Fetten wie Kokos- und Palmkernöl basieren, durch langfristige Lieferverträge ab." Im Juli 2008 verkaufte das Spezialchemieunternehmen seine 50 %-Beteiligung am Oleochemie-Joint- Venture Cognis Oleochemicals, das in den vergangenen Jahren u.a. an dem Preisverfall bei Glycerin gelitten hatte.
Durch den Verkauf des Anteils an bewährte Partner stelle Cognis dabei eine stabile Versorgung mit oleochemischen Grundstoffen sicher, sagt Trius.
Chemieindustrie investiert in Rohstoffforschung
Eine gute Absicherung der Rohstoffkosten und -versorgung entwickelt sich mehr und mehr zum Vorteil für Chemieunternehmen gegenüber Wettbewerbern, die ihre steigenden Rohstoffkosten vollständig auf den Kunden überwälzen.
Damit steigt auch der Anreiz zur Suche nach Alternativen zum Rohstoff Öl. Dies spiegelt sich in den Investitionen der Unternehmen wider. So beschäftigt sich beispielsweise bei der BASF eines von fünf Forschungsclustern mit dem Thema Rohstoffwandel.
100 Mio. € investiert das Unternehmen in die Erforschung alternativer Rohstoffgewinnung für die Chemieproduktion, z. B. auf Basis nachwachsender Rohstoffe und Erdgas. Auf den Rohstoff Erdgas bzw. dessen Hauptbestandteil Methan, setzt auch Dow Chemical.
Das Unternehmen rief öffentlich zur „Methane Challenge" auf, und investiert rund 6,4 Mio. US-$ in Projekte zur energieeffizienten Umwandlung von Methan in chemische Rohstoffe an Universitäten in Großbritannien und in den USA.
„Die ‚Methan Challenge' ist nur ein Beispiel unserer Forschungsaktivitäten zur Nutzbarmachung alternativer Rohstoffe", sagt Markus Wildi, Vorstandsvorsitzender von Dow Deutschland, „Unter anderem haben wir vor, gemeinsam mit Crystalsev in Brasilien eine Produktionsanlage zur Herstellung von Polyethylen auf der Basis von Zuckerrohr zu errichten."
Auch die verstärkte Entwicklung von Biokraftstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen kann sich positiv auf die Rohstoffbasis der Chemieindustrie auswirken. „Die industrielle oder weiße Biotechnologie wird in Zukunft viele chemische Herstellprozesse ersetzen.
Mittelfristig stellen wir auf diesem Weg Chemikalien energie- und kostensparend her", sagte Dr. Günter von Au, Vorstandsvorsitzender der Süd-Chemie im CHEManager-Interview.
Der Chemiekonzern entwickelt derzeit ein Verfahren zur Herstellung eines Kraftstoffs der zweiten Generation, bei dem Ethanol biotechnologisch aus zellulosehaltigen Pflanzenbestandteilen, wie etwa Weizenund Maisstroh, Gräsern oder Holz, gewonnen wird.
Und nicht nur als Rohstoff, sondern auch als Energieträger hat die Chemieindustrie die Biomasse entdeckt: So betreibt Ciba beispielsweise an seinem weltweit größten Produktionswerk im US-amerikanischen Alabama eine Holzvergaseranlage und deckt 20 % des Energiebedarfs am Standort aus Holzabfällen der umliegenden Wälder. Weltweit will der Konzern in drei Jahren 15 % seines Energiebedarfes mit alternativen ‚Rohstoffen' wie Holz, Abfällen oder Wind decken.
Neue Verfahren sparen Ressourcen
Kurzfristig sieht Ciba-Chef Dr. Armin Meyer in der Optimierung von Produktionsprozessen ein hohes Potential, um Ressourcen einzusparen: „Wir haben durch Verbesserungen in der Produktion im Zeitraum von 2003 bis 2007, die CO2- Emissionen pro Tonne hergestelltes Produkt um über 50 % reduziert und dabei gleichzeitig Energie eingespart."
Ein eindrucksvolles Beispiel für mehr Material- und Energieeffizienz ist die World-Scale- Anlage zur Herstellung von Toluylen-Diisocyanat (TDI), die Bayer Materialscience derzeit in Schanghai errichtet.
Die Anlage soll 2010 in Betrieb gehen und wird nach einer neu entwickelten Gasphasenphosgenierungs- Technologie arbeiten. Durch dieses Verfahren können laut Unternehmen im Vergleich zur klassischen TDI-Synthese rund 80 % Lösemittel und 60 % Energie eingespart werden.
Dr. Andrea Gruß