Namensgebung: Mit dem Latein am Anfang
28.06.2013 -
Mit dem Latein am Anfang – Namensgebung für die Konzerne von heute... Wie hieß der noch? - Moderne Konzernmarken müssen einer Vielzahl von Anforderungen gerecht werden.
Sie müssen seriös und einzigartig, auf den Punkt gebracht und dabei noch so interessant sein, dass darüber diskutiert wird und sie sich somit gut in unser Gedächtnis einprägen.
Keine leichte Aufgabe für die Schöpfer von Firmen- und Produktnamen. Kunstnamen haben Konjunktur. Aventis, Novartis, Cognis, Celesio, Alantum - infolge von Ausgründungen, Fusionen oder Umbenennungen sind in den letzten Jahren unzählige dieser Wortschöpfungen entstanden.
Sie unterscheiden sich sehr von den Firmennamen der Vergangenheit.
Die meisten deutschen Traditionsunternehmen sind schlicht und ergreifend nach ihrem Gründer, ihrem Standort oder ihrem Geschäftsfeld benannt: Henkel, Boehringer Ingelheim, Hoechst, Süd-Chemie, Norddeutsche Affinerie. Auch Abkürzungen wie BASF (für Badische Anilin- und Soda-Fabrik) oder Viag (für Vereinigte Industrie-Unternehmungen Aktiengesellschaft) wurden häufig zur Bezeichnung großer Konzerne herangezogen.
Dass Namen heute nach anderen Kriterien entwickelt und ausgewählt werden, hat gute Gründe. Denn während es früher in erster Linie um die reine Kennzeichnung des Unternehmens ging, muss ein Unternehmensname heute einer Vielzahl von Anforderungen gerecht werden.
Die Kunst der Namensentwicklung besteht darin, die Einzigartigkeit und die Alleinstellungsmerkmale des Unternehmens im Wettbewerb mithilfe weniger Buchstaben auf den Punkt zu bringen. Anders gesagt: Moderne Marken müssen längst nicht mehr nur identifizieren, sondern auch differenzieren.
Grenzen der Namensgebung
Im Laufe des 20. Jahrhunderts ist die damals gängige Namensgebung an ihre Grenzen gestoßen. Denn Abkürzungen, und seien sie noch so logisch nachvollziehbar, sind in der Masse nicht merkfähig.
Auch geografische Bezeichnungen eignen sich, wenn sie von Vielen verwendet werden, nicht mehr zur Kennzeichnung einer Alleinstellung im Markt.
Vor diesem Hintergrund beschritten einige Namen suchende Unternehmen, die nicht auf einen Familiennamen zurückgreifen konnten oder wollten, schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts neue Wege.
Akronyme - aussprechbare Buchstabenzusammenschlüsse - kamen in Mode. Der 1904 eingeführte Name Varta unterscheidet sich deutlich von der Masse der damaligen Firmennamen, obwohl auch er auf die deutsche Sprache zurückgreift.
Doch das Akronym - der Name steht für „Vertrieb, Aufladung, Reparatur transportabler Akkumulatoren" - erhöhte die Eigenständigkeit und den Markencharakter des Unternehmensnamens ganz erheblich.
Ganz ähnlich verfuhr die Firma Osram, die 1919 die chemischen Stoffe Osmium und Wolfram als Taufpaten wählte.
Sympathie, Vertrauen, Sicherheit
De facto bereiteten derartige Akronyme den Boden für die Kunstnamen von heute. In den Siebzigerjahren führten erste Ausgliederungen und Fusionen dazu, dass etablierte Konzerne mit einem Mal umbenannt werden mussten.
Nun galt es Namen zu finden, die aus dem Stand das leisteten, wozu ihren Vorgängern Jahrzehnte zur Verfügung gestanden hatten: Sie mussten Sympathie wecken, Vertrauen aufbauen, Sicherheit vermitteln.
Damals wie heute gilt es, Markenbotschaften schnell und komprimiert zu transportieren und das möglichst auch international. Familiennamen scheiden allein deshalb aus, weil die meisten Konzerne nicht mehr inhabergeführt sind.
Ortsnamen und Abkürzungen eignen sich nicht, da sie zu wenig differenzierungsfähig sind.
Auch beschreibende Namen kommen nicht mehr in Betracht, da die deutsche Sprache international nicht verstanden wird. Plötzlich dreht sich alles um die Fragen: Welcher Name ist international gut aussprechbar?
Wie signalisieren wir Seriosität, wie bauen wir schnell Vertrauen auf? Welcher Name garantiert bestmöglichen Marken-schutz?
Alte Sprache - Neue Botschaft
Viele Unternehmen werden nun im Lateinischen und Griechischen fündig. Mit Ableitungen aus diesen Sprachen lassen sich Werte und Tugenden wie Qualität, Leistung und Tradition in international verständlicher Form ausdrücken.
So erhält die Chemiesparte des Varta-Konzerns, die 1977 gegründet wurde, den Kunstnamen Altana - abgeleitet vom lateinischen Adjektiv „altus", also hoch und erhaben.
Später entstehen unzählige weitere Kunstnamen, wie Diageo, Qiagen, Infineon, Altria oder Cognis. Fast immer versteckt sich eine Botschaft im Namen.
So geht Infineon auf das lateinische „infinitus", unendlich, und das altgriechische „aeon", also Ewigkeit, zurück. Die Botschaft: Auch wenn wir neu sind, stehen wir für Beständigkeit.
Der Name Diageo spielt auf die weltweite Präsenz des Unternehmens an - in der Silbe „dia" spiegelt sich das lateinische Wort für Tag wider und in „geo" das griechische Wort für Welt.
Novartis stellt eine Verfremdung des lateinischen „novae artes" („neue Künste") dar, während Aventis die phonetische Nähe zur französischen Präposition „avant" („vor") sucht.
Selbstbewusst beansprucht das Unternehmen damit eine führende Position im Wettbewerb. Dass moderne Firmennamen Trends unterworfen sind, steht dabei außer Frage.
So bevorzugen viele börsennotierte Konzerne Kunstnamen, die mit „A" beginnen, um an den Anfang des Kurszettels zu rutschen. Auch die Endungen „-is", „-on" oder „-or" werden häufig verwendet, da deren Klang nachweislich mit Größe und Seriosität assoziiert wird.
Auch wenn Trends in der Namensgebung Tabu sein sollten - ähnliche Wortbildungsmuster lassen sich niemals ganz ausschließen. Im Übrigen gab es auch früher schon derartige Trends, wie ein Blick auf Namen wie Viag, Arag, Hapag, Steag, RAG oder Preussag beweist.
Kunstnamen - einfallsreich, einzigartig
Die Entscheidung für einen Kunstnamen fällt heutzutage nicht allein aus strategischen Gründen.
Die Wahl bestehender branchenaffiner Begriffe ist inzwischen aus juristischen Gründen nahezu unmöglich: Leadership, Qualität, Verantwortung, Seriosität, Vertrauen, Sicherheit - alle international verwendbaren Begriffe zu diesen und ähnlichen Schlagwörtern sind nicht nur einfallslos und austauschbar, sondern auch als Marken längst mehrfach vergeben.
Daher entscheiden sich die meisten Namen suchenden Konzerne von Anfang an bewusst für neutrale Kunstnamen, die nicht mit älteren Markenrechten kollidieren.
Dass diese Wortschöpfungen im Unterschied zu der Eindeutigkeit früherer Firmennamen Fragen aufwerfen, ist dabei durchaus gewollt. Schließlich prägt sich ein Markenname umso besser ein, je intensiver darüber diskutiert wird.
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