Merck: Pharma & Chemie Biotechnologie–Brücke
Eine traditionell erfolgreiche Symbiose
Die Biotechnologie ist eine der wichtigsten Schlüsseltechnologien unserer Zeit. Aus einer Jahrtausende alten Technik zur Herstellung von Bier oder Wein hat sich innerhalb weniger Jahrzehnte eine hochmoderne Technologie entwickelt, ohne die wesentliche Fortschritte in der Medizin oder bei Chemieprodukten nicht denkbar wären. Im Unterschied zur klassischen Pharmazie auf Basis der Chemie macht sich etwa die medizinische Biotechnologie biologische Prozesse zunutze - mit der lebenden Zelle als Produktionseinheit. Biopharmazeutika sind zumeist Proteine wie Antikörper oder andere Polypeptide. Experten schätzen, dass sich der Markt für Biopharmazeutika bis 2030 verdoppeln und dann etwa ein Viertel aller Medikamente ausmachen wird. Ob in der Forschung oder der Produktion - Biotechnologie ist demnach einer der wichtigsten Wachstums- und Innovationsmotoren forschender Pharma- und Chemieunternehmen.
Durch die Übernahme des schweizerischen Biotech-Unternehmens Serono S.A. Anfang 2007 ist bei Merck der Biotech-Motor enorm gestärkt worden. Das Darmstädter Chemie- und Pharmaunternehmen ist dadurch zu einem der führenden Biotechnologie-Unternehmen in Europa geworden und erzielt bereits heute mehr als 50% des Umsatzes seiner Pharma-Sparte Merck Serono mit sechs innovativen biotechnologisch hergestellten Arzneimitteln. Und auch in der Chemie-Sparte „Performance & Life Science Chemicals" von Merck hat Biotechnologie eine große Bedeutung. Produkte und Dienstleistungen für die gesamte Prozesskette der Pharma- und Biotech-Industrie liefern Beispiele für die traditionell erfolgreiche Symbiose von Chemie und Pharma bei Merck unter einem Dach.
Merck - Partner für die biotechnologische Forschung und Herstellung
Von der Forschung bis zur Marktreife - Merck ist an der gesamten biotechnologischen Prozesskette beteiligt. So stellt das Unternehmen nicht nur hochwertige Zwischenprodukte und Wirkstoffe in Mengen von wenigen Kilogramm bis zu einigen Tonnen im Auftrag von Kunden aus der Life-Science-Industrie her. Merck unterstützt mit innovativen Produkten ebenso Konzeptphase, Forschung- und Entwicklung, Prozessentwicklung bis hin zur großtechnischen Produktion. Reagenzien und Chromatographie-Produkte von Merck helfen sowohl bei der Methodenentwicklung für die Analytik in Forschung und Entwicklung, als auch bei den Qualitätskontrollen bei Produktion und Abfüllung (Abb. 1).
Ganz am Anfang der Prozesskette steht die Suche nach einem geeigneten Zielmolekül für einen möglichen Pharmawirkstoff. In der Krebsforschung ist das Wissen entscheidend, wie sich Zellen teilen, wie dies bei Tumoren aus der Kontrolle läuft und welche Proteine daran beteiligt sind. Hierzu hat Merck gemeinsam mit seinem US-amerikanischen Unternehmen EMD Chemicals vollkommen neuartige Testsätze entwickelt. Diese Assays, Novagen WideScreen genannt, mit denen mehrere Proteine gleichzeitig in einer einzigen Reaktion nachgewiesen werden können, helfen, Aktivierungsmechanismen besser zu verstehen, die zur Zell-
teilung führen. Dadurch können neue Erkenntnisse unter anderem bei der Tumor-Entstehung gewonnen werden. Diese Assay-Technologie erlaubt auch eine schnelle Qualitätskontrolle bei der Expression und Aufreinigung von rekombinanten Proteinen, solche Tests können also sowohl bei Upstream- wie bei Downstream-Prozessen eingesetzt werden.
Biotechnologische Produkte für biotechnologische Prozesse
Am eigentlichen biotechnologischen Prozess - von der Fermentation über die Trennung und Reinigung bis hin zur Qualitätskontrolle - sind in allen Prozessschritten Produkte und Dienstleistungen von Merck beteiligt. Insbesondere die Materialien zur Trennung und Aufreinigung haben seit Jahrzehnten einen hohen Stellenwert. Neuartige Gele zur chromatographischen Reinigung, etwa auf Basis von Polyvinylether-Ketten, die durch Acrylamid-Moleküle quervernetzt sind, wirken als Ionenaustauscher der besonderen Art. Denn in den nur 60-80 nm kleinen Hohlräumen der 30-150 μm großen Polyvinylether-Kügelchen wachsen durch radikalische Polymerisation lange Fäden, die so genannten Tentakel. Sie tragen über ihre ganze Länge Ladungen und können so die zu trennenden Stoffe, z.B. Proteine, je nach ihrer Ladung viel besser festhalten als normale Gele. Diese Tentakel-Technologie bei den Ionenaustauschergelen Fractogel ist ein wesentlicher Beitrag zur präparativen Biochromatographie. Einige Produkte für die biotechnologische Prozesskette stellt Merck auch selbst biotechnologisch her. So ist Benzonase ein Enzym, mit dessen Hilfe gezielt zelluläre Nukleinsäuren abgebaut werden, ohne die gewünschten rekombinanten Proteine zu zerstören. Viele weitere Anwendungsbeispiele für die Aufreinigung von Biotherapeutika, seien es spezifische Trägermaterialien oder die extrem schnellen Chromolith-Trennsäulen, die aus einem einzigen Kieselgel-Monolithen bestehen, belegen immer wieder die Innovationskraft des Unternehmens.
Biotechnologie im Dienst der Kosmetik
Für eine ganz andere Anwendung ist ein weiteres biotechnologisches Produkt von Merck bestimmt: der Selbstbräuner Dihydroxyaceton (DHA). Dieses Kohlenhydrat stellt Merck seit den frühen siebziger Jahren in Darmstadt biotechnologisch aus Glycerin mit Hilfe von Bakterien her. Die selbstbräunende Wirkung von DHA wird in vielen Lotionen und Cremes genutzt. Ihre Ursache ist die Reaktion von DHA mit Aminosäuren in den obersten Hautschichten. Diese so genannte Maillard-Reaktion führt zur Bildung von bräunlichen Polymeren, den Melanoiden, die nach einigen Tagen durch die Hauterneuerung abgebaut werden.
Beispiel einer erfolgreichen Integration
Als weltweit tätige Pharma-Sparte konzentriert sich Merck Serono auf innovative, verschreibungspflichtige Medikamente. Entstanden aus der Merck-Sparte Ethicals sowie der Serono S.A. liefert Merck Serono Arzneimittel, die Patienten unter anderem bei der Behandlung von Krebs und Multipler Sklerose sowie in der Therapie von Autoimmun- und Entzündungskrankheiten zugute kommen. Bei der Therapie der Unfruchtbarkeit ist Merck Serono mit rekombinanten Hormonen weltweit führend. Ebenso gehören Medikamente zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Stoffwechselerkrankungen zu den Produkten dieser Sparte.
Forschung im Dienst der Medizin
Merck Serono verfügt über umfassende Expertise auf allen Gebieten der Medikamentenentwicklung, von Forschung und Entwicklung bis zur Produktion. Mit modernsten unterstützenden Technologien und Methoden wie Chemo- und Bioinformatik, DNA-Mikroarray-Technologie, Biomarker-Forschung oder Proteomics erforscht und entwickelt das Unternehmen sowohl kleine chemische Moleküle (New Chemical Entities, NCEs) als auch große Biomoleküle (New Biological Entities, NBEs), die therapeutischen Fortschritt versprechen - in diesem komplementären Ansatz liegt eine der großen Stärken von Merck Serono mit einem ausgeglichenen Portfolio von chemischen und biotechnologischen Produkten (Abb. 2). Synergien zwischen den bearbeiteten Therapiegebieten werden konsequent genutzt: So wird z.B. das rekombinante Fusionsprotein Atacicept sowohl für Indikationen in der Onkologie als auch bei neurodegenerativen Erkrankungen sowie Autoimmun- und Entzündungskrankheiten entwickelt. Über herkömmliche Arzneimittel hinaus hat Merck Serono auch den Weg zu komplett neuartigen Medikamenten eingeschlagen. Hierzu gehören innovative Therapeutika auf Basis von so genannten Aptameren, in denen sich die besten Eigenschaften von kleinen Molekülen und Antikörpern vereinen.
Schwerpunkt biotechnologische Produkte
Sein über Jahrzehnte gesammeltes biotechnologisches Know-how nutzt Merck Serono gezielt, um neuartige Therapeutika zu entwickeln. Heute gehören diese Produkte zu den aussichtsreichsten des Konzerns. Produkte wie Erbitux, Rebif, Gonal-f, Saizen, Serostim, Raptiva, Luveris, Ovidrel, Pergoveris und Zorbtive stellt Merck Serono biotechnologisch her - mit Hilfe von Zellkulturen. Mit den Biopharmazeutika Rebif und Erbitux besitzt Merck Serono zwei erfolgreiche und umsatzstarker Produkte, die zu den Wachstumstreibern der neuen Pharmasparte von Merck gehören.
Erfolg dank biotechnologischer Produkte
Erbitux ist ein zielgerichtetes Krebstherapeutikum zur Behandlung von fortgeschrittenem Darmkrebs sowie Kopf- und Halskrebs. Seit 2003 ist es mittlerweile in 69 Ländern zugelassen. Es ist der erste monoklonale Antikörper, der hochwirksam und gezielt an den epidermalen Wachstumsfaktorrezeptor (EGFR) von Tumoren bindet und so deren Wachstum behindert und sie manchmal sogar schrumpfen lässt. 2006 lag der weltweite Umsatz von Merck mit Erbitux bereits bei über 330 Mio. €. Bisher wurde der Antikörper ausschließlich von Vertragsproduzenten hergestellt. Durch die Erweiterung der biotechnologischen Produktionskapazitäten im schweizerischen Corsier-sur-Vevey wird Erbitux in Zukunft auch im dortigen „Merck Serono Biotech Center" hergestellt. Diese neue hochmoderne Anlage wird mit ihren 35.000 Quadratmetern zu den beeindruckendsten Biotech-Produktionsanlagen der Welt zählen.
Ausgewogene Forschungspipeline
Auch Rebif, das Interferon beta-1a zur Behandlung der schubförmigen Multiplen Sklerose (MS), wird im „Merck Serono Biotech Center" hergestellt. Die chronische entzündliche Erkrankung ist die häufigste Erkrankung des zentralen Nervensystems bei jungen Erwachsenen. Gemäß Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation leiden weltweit bis zu 2,5 Mio. Menschen an MS. Seit Mitte 2007 bietet eine neue Rebif-Formulierung mit verbesserter Verträglichkeit und geringerer Immunogenität einen deutlichen therapeutischen Fortschritt zum Nutzen des Patienten. Die Europäische Kommission hat das neue Medikament im August 2007 zugelassen. Weitere biotechnologisch hergestellte Medikamente befinden sich in fortgeschrittenen Phasen der klinischen Entwicklung. Denn mehr als 2.000 Mitarbeiter in Forschung und Entwicklung sorgen für eine ausgewogene Entwicklungspipeline.
Wissenschaft und Wirtschaft - gemeinsam stark
Um auch in Zukunft an vorderster Front der Wissenschaft mithalten und im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, sind in Europa nicht nur die richtigen politischen Weichenstellungen notwendig. Auch ein Höchstmaß an Zusammenarbeit zwischen akademischer Wissenschaft, kleinen Biotech-Unternehmen und großen Partnern in der Wirtschaft ist unabdingbar. Merck sieht das als große Chance. Über 100 externe Forschungskooperationen, zahlreiche nationale wie internationale wissenschaftliche Netzwerke oder die gezielte Unterstützung der Lehre in Form von Stiftungsprofessuren sind Beispiele erfolgreicher Konstellationen zwischen kompetenten Partnern aus Industrie und Hochschule. In der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Innovationsoffensive BioRegio war Merck einer der führenden Industriepartner in einer der drei siegreichen Wettbewerbsregionen, der BioRegio Rhein-Neckar, und Partner der darin aktiven Universitätsinstitute und Großforschungseinrichtungen.
Zudem war Merck in den letzten fünf Jahren eines der am stärksten in Drittmittelförderprogrammen aktiven Unternehmen in Deutschland. Und an der neuen Initiative des BMBF „BioIndustrie 2021" ist Merck in drei der fünf erfolgreichen Cluster mit Projektbeiträgen vertreten. Die neue Stiftungsprofessur „Biotechnologie" an der Universität Frankfurt, die Unterstützung des Multiple-Sklerose-Forschungszentrums am Universitätsspital Zürich oder die Zusammenarbeit mit der ETH Lausanne in den Bereichen neurodegenerative Erkrankungen, Krebsforschung und Nanotechnologie sind solche Beispiele für gelungene Kooperationen zum beiderseitigen Nutzen. All diese Elemente in der Kooperationskette zwischen Industrie und Akademia nutzt Merck, um neue Forschungsergebnisse schneller in innovative Prozesse und Produkte umsetzen zu können. Gleichzeitig leistet das Unternehmen auch einen Beitrag dazu, dass genügend junge Wissenschaftler und Ingenieure entsprechend in biotechnologischen Techniken ausgebildet werden - ein für Wissenschaft und Industrie gleichermaßen wichtiger Beitrag zur Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit.