Ideengeber für die Pharmaindustrie
Sartorius Stedim Biotech ist ein gefragter Partner für Impfstoffhersteller
Trotz der globalen Wirtschaftskrise dauert das profitable Wachstum beim Pharma-und Biotechzulieferer Sartorius Stedim Biotech (SSB) weiter an. Im ersten Halbjahr 2009 lag der Umsatz um mehr als 7 % über Vorjahr, beim operativen Ergebnis erzielte der weltweit tätige Biotech-Ausrüster sogar ein Plus von rund 37 %. Treiber von Wachstum und Profitabilität waren einmal mehr die Einwegprodukte des Unternehmens. Zuletzt platzierten insbesondere die Impfstoffherstellsteller größere Aufträge für Spezialfilter und Einwegbehälter. Michael Reubold befragte SSB-Board-Mitglied Reinhard Vogt zur gegenwärtigen Situation auf dem Impfstoffmarkt und der Strategie, mit der die Sartorius-Tochter das Geschäft mit Produkten für die biopharmazeutische Produktion vorantreibt.
CHEManager: Herr Vogt, Sartorius Stedim Biotech profitiert zurzeit von einer erhöhten Nachfrage seitens der Impfstoffindustrie aufgrund des Produktionsbeginns des Impfstoffs gegen die Schweinegrippe. Sie haben bereits mit Zusatzschichten in einigen europäischen Werken reagiert. Können Sie die Nachfrage erfüllen?
R. Vogt: In der Tat haben wir im letzten Vierteljahr zahlreiche zusätzliche Aufträge im Zusammenhang mit der Pandemie bekommen. Vor allem aseptische Einwegbehälter zur Medienlagerung und Spezialfilter sind stark nachgefragt. Zum Teil mussten wir Projekte neu priorisieren und einige organisatorische Veränderungen vornehmen, um alle Aufträge termingerecht ausliefern zu können. Bisher ist uns dies gut gelungen. Wir wissen, wie hoch Supply Chain-Themen wie Liefersicherheit, aber auch konsistente Qualität bei unseren Kunden rangieren.
Rechnen Sie mit einer weiteren Erhöhung der Nachfrage im Lauf der nächsten Wochen?
R. Vogt: Unser Key Account-Management steht in engem Kontakt mit den Kunden und kann gut einschätzen, bei welchen Herstellern welche Bedürfnisse sind. Ich gehe davon aus, dass wir auch in den nächsten Monaten einen hohen Auftragseingang sehen werden. Das liegt aber nicht nur an dem Sondereffekt durch die Grippe-Pandemie, sondern auch daran, dass viele Kunden 2008 ihre Lager heruntergefahren haben und jetzt wieder mehr bestellen.
Mit welchem Effekt auf Ihr Umsatz- und Gewinnwachstum rechnen Sie aufgrund der erhöhten Nachfrage aus der Impfstoffindustrie bis Ende des Jahres?
R. Vogt: Trotz Wirtschaftskrise wollen wir in diesem Jahr wachsen und unsere Gewinne überproportional steigern. Der Effekt durch die Pandemie auf unser Wachstum dürfte rund einen Prozentpunkt betragen. Mit präzisen quantitativen Prognosen sind wir zurzeit zurückhaltend, weil die Unsicherheit durch die globale Rezession weiterhin groß ist. Zwar reagiert die Pharmabranche weniger zyklisch als andere Industrien, aber in Pharmamärkten wie den USA, in denen die Bevölkerung einen Großteil ihrer Medikamente direkt selbst und nicht über Versicherungen finanziert, könnte sich die konjunkturelle Situation durchaus vorübergehend dämpfend auswirken.
Sartorius hat die wachsende Bedeutung des Vakzine-Marktes früh erkannt und entsprechende Produkte entwickelt. Wie umfangreich ist Ihr Portfolio? Welche Produkte werden von Vakzineherstellern speziell nachgefragt?
R. Vogt: Sartorius Stedim Biotech ist als Total Solution Provider positioniert, also als Anbieter von kompletten und integrierten Lösungen für alle zentralen Schritte der biopharmazeutischen Produktion. Diesen Ansatz verfolgen wir auch bei der Impfstoffherstellung. Entsprechend bieten wir Produkte für die Medienvorbereitung, Fermentation, Zellernte, Vorbereitung der Pufferlösungen, Volumenreduktion, Virusinaktivierung sowie Feinreinigung bis hin zur Abfüllung. Wir sind dabei sowohl gut aufgestellt für Vakzine, die klassisch in bebrüteten Hühnereiern hergestellt werden, als auch für solche, die in den neuen Zellkulturverfahren produziert werden.
Sind die neuen zellkulturbasierten Verfahren besser zur Impfstoffproduktion geeignet?
R. Vogt: Beide Technologien haben ihre Vor- und Nachteile. Die klassische Impfstoffproduktion in Hühnereiern ist ein seit Jahrzehnten etabliertes Verfahren. Der Nachteil ist, dass im Pandemiefall eine gewaltige Zahl von Hühnereiern benötigt wird, die bei bestimmten Infektionen wie der Vogelgrippe kaum zu beschaffen sind. Zudem braucht die Impfstoffentwicklung viel Zeit, die ggf. nicht zur Verfügung steht. Mit den neuen Zellkulturmethoden liegen zwar weniger Erfahrungen vor, allerdings sind sie deutlich flexibler, erhöhen die Reaktionsgeschwindigkeit und sind am Ende auch wirtschaftlicher. Wir gehen daher davon aus, dass die Hersteller zunehmend umsatteln werden.
Sie sehen also gute Wachstumschancen bei zellkulturbasierten Verfahren zur Herstellung von Arzneimitteln oder Impfstoffen?
R. Vogt: Die Wachstumschancen sind hervorragend, und das ist schnell erklärt: Pharma bleibt mittel- und langfristig aufgrund einer wachsenden und alternden Weltbevölkerung ein expandierender Markt. Innerhalb dieses Wachstumsmarktes Pharma wächst wiederum der Umsatz mit den innovativen Biotech-Medikamenten etwa doppelt so schnell wie der mit klassisch-chemischen Arzneien. Sämtliche Biotech-Medikamente wiederum basieren auf Zellkulturverfahren. Und das Herzstück dieser Produktion, die Züchtung der Zellen, findet in Bioreaktoren statt, und zwar zunehmend in Einwegbioreaktoren. Der Technologie-Shift von herkömmlichen Bioreaktoren, die mit Glas oder Stahlkesseln arbeiten, hin zu den Einwegreaktoren ist in vollem Gang. Sartorius Stedim Biotech treibt solche Verfahrenswechsel voran und steht der Pharmaindustrie als Ideengeber mit innovativen Technologien zur Seite.
Welche Vorteile bietet der Einsatz von Einwegprodukten für die biopharmazeutische Produktion generell?
R. Vogt: Die Produktion wird flexibler, sicherer, schneller und wirtschaftlicher. Flexibler, weil Chargenwechsel leichter möglich sind. Sicherer, weil Kreuzkontaminationen ausgeschlossen sind. Schneller, weil Einwegsysteme rasch zu installieren sind und die Validierung weniger aufwendig ist. Wirtschaftlicher als Summe aus allen genannten Faktoren und zudem, weil die Anfangsinvestition deutlich niedriger ist. Die Impfstoffherstellung ist übrigens besonders prädestiniert für den Einsatz von Einwegprodukten, weil generell die Volumina kleiner und die Risiken durch Kreuzkontamination bei den häufigen Chargenwechseln hoch sind.
Allerdings dürfen wir nicht die Illusion verbreiten als gäbe es heute schon 100 %ige Einwegfabriken. Wir stehen am Anfang einer längeren Reise. Realistisch sind vorerst Hybridlösungen, die Mehrweg und Einweg-Equipment intelligent kombinieren. In den nächsten Jahren werden wir beobachten, dass der Anteil an Einwegkomponenten kontinuierlich zunehmen wird.
In jüngster Vergangenheit haben Sie auch Kooperationen mit Unternehmen wie Bayer Technology Services oder SAFC Biosciences vereinbart. Können Sie diese kurz umreißen und planen Sie weitere Partnerschaften?
R. Vogt: Kooperationen sind für uns ein Muss, ein integraler Bestandteil unserer F&E- und Vertriebsstrategie. Durch strategische Allianzen können wir bestimmte Technologiefelder oder Marktnischen schnell und ohne größere Risiken besetzen. Durch die Kooperation mit Bayer Technology Services haben wir zuletzt zwei neue Systeme entwickelt, eines für die Inaktivierung von Viren durch UV-Bestrahlung sowie einen neuen Einweg-Bioreaktor. Mit SAFC Biosciences, einer Tochter von Sigma Aldrich, arbeiten wir daran, Pufferlösungen und andere Zellkulturmedien zu optimieren.