Anlagenbau & Prozesstechnik

Change Control: Änderungsmanagement als Chance

Änderungen: Im regulierten Umfeld ohne Automatisierung kaum denkbar

15.11.2010 -

Änderungsmanagement (Change Control) wird oftmals als Bürde empfunden und entsprechend gelebt, oder genauer: eben nicht gelebt. Überlegt und standardisiert eingesetzt, kann es die durch Änderungen verursachten Umgestaltungen weniger anfällig für Fehler machen und einen Weg zur kontinuierlichen Verbesserung von Geschäftsprozessen darstellen. Vor allem in regulierten Umfeldern ist die Erfüllung dieser Anforderungen ohne Automatisierung kaum noch denkbar.

Viele Rahmenbedingungen sorgen dafür, dass Geschäftsprozesse ständig komplexer werden:

  • Kürzere Produktentwicklungs- und Produktlebenszyklen
  • Strengere gesetzliche und regulatorische Anforderungen
  • Zunehmende Verzahnung von Geschäftsprozessen, auch über Firmengrenzen hinweg
  • Einführung serviceorientierter Architekturen (SOA), welche eine Verknüpfung verschiedenster Softwareapplikationen erfordern.

Diese Dynamiken stellen ihrerseits Anforderungen an das Änderungsmanagement. Eine Prozess- oder Softwareänderung kann in den seltensten Fällen isoliert betrachtet werden. Häufig sind verschiedene Abteilungen / Fachbereiche oder sogar Geschäftspartner / Dienstleister betroffen. Eine solche Änderung nimmt so schnell den Umfang eines kleinen Projektes an. Sinnvoll handhaben lassen sich derart vielseitige Abläufe nur mit Unterstützung eines Softwaretools, welches die Automatisierung einiger Abläufe erlaubt.

Für den Einsatz eines solchen Tools sprechen u. a. diese Argumente:

  • Die Erfüllung teilweise regulatorischer Anforderungen wird vereinfacht oder gar erst ermöglicht, entsprechende Risiken werden minimiert.
  • Änderungsprozesse werden standardisiert und nachvollziehbar
  • Anforderungen aus dem Bereich Dokumentation können standardmäßig erfüllt werden.
  • Mitarbeiter an verschiedenen Standorten können an der gleichen Änderung arbeiten, ohne auf Papiere per Post warten zu müssen.

Idealerweise beginnt die Toolauswahl mit einer anbieterunabhängigen Definition der Soll-Prozesse basierend auf einer kritischen Betrachtung der Ist-Prozesse und einer Erörterung der Verbesserungspotentiale. Bei diesem Vorgang sollten die Vertreter der betroffenen Fachbereiche inklusive IT involviert werden. Das Ziel ist die Festlegung eines möglichst einfachen und harmonisierten Änderungsprozesses. Wichtig ist die Fokussierung auf den in sich logischen und optimalen Ablauf des Änderungsprozesses im Gegensatz zur oftmals vorher betriebenen Abarbeitung eines Formulars. Häufige Übergaben / Bestätigungen verschiedener Bearbeiter kosten Zeit. Schnittstellen, Systemübergängen und angrenzenden Prozesse sollten besondere Beachtung zukommen, um eine vollständige Prozessbeschreibung zu erhalten.

Nach dieser Fleißarbeit kommt ein wesentlicher Schritt im Rahmen der Einführung eines Softwaretools zur Unterstützung des Änderungsprozesses: Die klare Definition und Abgrenzung der Abläufe, welche durch das Tool unterstützt werden sollen und somit die Festlegung des Lösungsumfangs. Typische Fragestellungen sind hier die Einbeziehung

  • von Infrastrukturänderungen,
  • aller oder nur ausgewählter Applikationen und
  • von Updates, Releases, u. ä.
  • Einbettung oder Abgrenzung zu ITIL/COBIT

Schon hier gilt es, das Optimum zwischen dem Grad der angestrebten Automatisierung und Machbarkeit / Kosten zu finden.

Auf Basis dieser Festlegung werden aus den Soll-Abläufen des relevanten Bereichs die Anforderungen an die unterstützende Software abgeleitet. Es empfiehlt sich schon zu diesem Zeitpunkt eine Gewichtung der einzelnen Kriterien vorzunehmen, um so die Grundlage für eine strukturierte und nachvollziehbare Entscheidung zu schaffen. Je genauer der Lösungsumfang und die Entscheidungskriterien definiert sind, desto verlässlicher sind die Angebote der Hersteller.

Während Softwareanbieter schon in den ersten Phasen des Projekts vorselektiert werden können, um zu einer überschaubaren Anzahl potentieller Lieferanten zu gelangen, sollten die entscheidenden Präsentationen erst nach Fertigstellung der Auswahlkriterien erfolgen. An diesem Punkt des Auswahlprozesses ist ein hohes Maß an Disziplin gefragt: Durch die Präsentation zusätzlicher Funktionalitäten und Möglichkeiten werden bei den vermeintlichen Kunden natürlich Begehrlichkeiten geweckt. Trotzdem sollte von einer Änderung der Auswahlkriterien abgesehen werden. Gerade die zusätzlichen „Superfunktionen", die nun in den Mittelpunkt des Interesses rücken verursachen später höhere Aufwände in Konfiguration und Administration. Größere Anpassungen im Bereich der Anforderungen an das Softwaretool erfordern die erneute Evaluation des Soll-Prozesses und der nachfolgenden Schritte der Toolauswahl.

Kriterien verschiedenster Bereiche helfen dabei, eine möglichst objektive und revisionssichere Auswahl herbeizuführen. Besondere Bedeutung kommt neben Angaben zum Anbieter (wirtschaftliche Kriterien), Referenzauskünften (möglichst von Kunden aus vergleichbaren Branchen, insbesondere im regulierten Umfeld), der Softwarelösung selbst (Technologie, zukünftige Entwicklung, Web-Fähigkeit), ihren technischen (Schnittstellen) und funktionalen Möglichkeiten (Mehrsprachigkeit, Workflowmanagement, Berichtswesen, Audit Funktionen, Berechtigungswesen, Benutzerfreundlichkeit) auch den internen und externen Aufwänden zur Einführung, Wartung und Administration der Lösung zu. Generell ist eine Gesamtkostenanalyse über den Lebenszyklus der Software für eine solide Entscheidungsfindung notwendig.

Auf Basis der Auswahlkriterien werden die angebotenen Softwaretools bewertet und so die geeignete Lösung ausgewählt. Auf dem Markt tummeln sich viele Anbieter. Vor allem die unterschiedlichen Historien der Lieferanten erklärt die Breite des Lösungsangebots: Einige Lösungen haben einen klaren Branchenfokus (z.B. für regulierte Industrien), sind damit aber eventuell für andere Einsatzgebiete „überqualifiziert". Andere bestechen als „Zusatzmodule" zu bestehenden Anwendungen durch eine tiefgreifende Integration auf Kosten eingeschränkter Flexibilität. In diesem Punkt überzeugen wiederum Workflowtools, die grundsätzlich fast uneingeschränkte Möglichkeiten bieten aber dadurch unter Umständen höhere Aufwände bei der Konfiguration verursachen. Das universell einsetzbare „Allheilmittel" gibt es auch in diesem Markt leider nicht. Neben spezialisierten Anbietern (z. B. BMC Software, Serena Software oder Sparta Systems) bieten auch große Konzerne (z. B. SAP und HP) Lösungen an, die in einem Auswahlprozess beachtet werden sollten. Grundsätzlich kann man davon ausgehen, mindestens ein geeignetes Standardprodukt zu finden. Die Anforderungen an ein solches Tool sind selten so speziell, dass sich eine Individuallösung rechtfertigen ließe.
Obwohl natürlich schon zu Beginn des Auswahlverfahrens ein Zeitplan für die Einführung des Systems erstellt wird, muss dieser mit dem ausgewählten Anbieter verifiziert werden. Die Einführung der Software selbst umfasst i.A. eine Feinspezifikation, Installation inkl. Konfiguration der Software und Schulung. Optional kann nach der Feinspezifikation die Einrichtung einer Pilotinstallation erfolgen, um exemplarische Abläufe mittels der Software durchzuspielen und so die Machbarkeit zu bestätigen.

Besondere Sorgfalt sollte der Einführungsphase zuteil werden. Da mit der Einführung des neuen Prozesses zahlreiche organisatorische Änderungen (z. B. neue Abläufe, Abschaffung von Dokumentation in Papierform, Administration der Software) fällig werden, sollte je nach Umfang der Einführung ein umfassendes Change Management-Projekt bzw. dessen relevanten Elemente diese Phase begleiten. Vor allem durch ein durchdachtes und konsequent durchgeführtes Einführungs- und Schulungskonzept kann die Akzeptanz aller Beteiligten am Change Control-Prozess und der User des Softwaretools gefördert werden. Wie jeder Geschäftsprozess und jede Softwareapplikation lebt auch der Änderungsprozess vor allem von der Akzeptanz durch die Beteiligten. Somit ist eben diese eine der Hauptkriterien für die Bewertung des Erfolgs des neuen Änderungsmanagements.

Eine akzeptierte und gelebte Vorgehensweise zur Handhabung von Änderungen führt zu einer Unternehmenskultur der ständigen Anpassung und kann so einen maßgeblichen Beitrag zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit und zum Unternehmenserfolg leisten. Die effiziente Möglichkeit, Änderungen auch im regulierten Umfeld durchzuführen, ist eine notwendige Voraussetzung zur Unterstützung eines KVP im Unternehmen.

Definitionen

Änderungsmanagement (Change Control): Es beschreibt die Prozesse und Abläufe, welche eine kontrollierte und koordinierte Durchführung von Änderungen gewährleisten. Änderungsmanagement wird meist durch geänderte Anforderungen an ein Produkt (auch an eine Software) notwendig. Es stellt einen Teilbereich des Veränderungsmanagements dar.

Veränderungsmanagement (Change Management): Dieses umfasst alle Aufgaben, Maßnahmen und Tätigkeiten, welche sich im Rahmen weitreichender Veränderungen ergeben. Auslöser solcher Veränderungen sind meist geänderte Strategien, Strukturen, Systeme, Prozesse oder Verhaltensweisen.