Mit Process Mining zu mehr Transparenz und Effizienz
Ineffizienzen und Schwachstellen in relevanten Pharma-Prozessen identifizieren und beheben
Wenige Industriezweige haben so hohe Anforderungen zu erfüllen wie die Pharmabranche. Die Endprodukte müssen nicht nur effektiv, hochmodern und schnell verfügbar sein, sondern auch den strikten Vorgaben nationaler und internationaler Gesundheitsbehörden entsprechen. Dies gilt für Pharmahersteller wie Auftragsproduzenten gleichermaßen.
Innovation war schon immer eines der Leitmotive von Vetter mit Hauptsitz in Ravensburg. Das Kerngeschäft des 1950 gegründeten Pharmadienstleisters mit rund 5.700 Mitarbeitenden ist die aseptische Abfüllung und Verpackung injizierbarer Produkte – mit dem Ziel, Patienten weltweit mit Medikamenten höchster Qualität zu versorgen. Dementsprechend investierte Vetter schon früh in neue Verpackungsverfahren und Automatisierung. Auch das Potenzial von Prozessoptimierung hat man bereits vor Jahren erkannt: Seit 2018 setzt Vetter die Process-Mining-Technologie von Celonis ein, um damit vollständige Transparenz über seine Unternehmensprozesse wie Accounts Payable und Purchase-to-Pay zu erhalten, und auch speziell für die Pharmabranche wichtige Prozesse, wie etwa „Deviation Management“ und „Change Control“.
Um allen Kunden und Partnern reibungslose Prozesse und einen perfekten Service bieten zu können, rief Vetter im Jahr 2018 als Teil der strategischen Initiative „Vetter Excellence 2025“ ein großes Ziel aus: Ineffizienzen und Schwachstellen in den relevantesten Prozessen zu identifizieren und zu beheben. Im Rahmen der Initiative wurde Vetter auf die Process-Mining-Technologie von Celonis aufmerksam. In einem Proof of Concept (PoC) mit drei Prozessen – zwei SAP-gestützten Finanzprozessen sowie einem pharmaspezifischen Trackwise-Prozess – wurde die Software auf Herz und Nieren geprüft. Für das Projektteam war der Einsatz der Technologie ein Augenöffner: War es bisher nicht möglich, tiefgreifende Analysen der operativen Prozesse durchzuführen, gelang dies mit Process Mining datenbasiert und ganzheitlich. Anstelle der vielen Entscheidungen, die bislang auf dem Bauchgefühl der Mitarbeitenden basierten, rückten jetzt Fakten und objektive Zusammenhänge in den Vordergrund. Aufgrund der positiven Ergebnisse fiel die Entscheidung, die Technologie umfassender zu nutzen.
Datenbasierte Erkenntnisse über alle Prozessschritte
Process Mining funktioniert dabei wie ein Röntgengerät für Prozesse und zeigt den Ist-Zustand von Abläufen im Unternehmen, auch über mehrere Prozesse hinweg. Indem Daten aus allen gängigen IT-Systemen wie SAP, Oracle oder Salesforce zusammengeführt und visualisiert werden, können Unternehmensprozesse ganzheitlich abgebildet und auf Schwachstellen und Ineffizienzen analysiert werden. Heute haben wir bei Vetter einen Großteil unserer Unternehmensprozesse wie bspw. Accounts Payable, Accounts Receivable, Order-to-Cash, Make-to-Order, Purchase-to-Pay oder das Qualitätsmanagement angebunden und optimiert. Drei weitere, wie etwa “Hire-to-Retire” im Personalwesen sind in der Pipeline und sollen in Kürze folgen. Damit gelingt es, eine ganz neue und vollständige Transparenz über alle Abläufe im Unternehmen sowie handfeste Effizienzsteigerungen zu erreichen. So z.B. in der Kreditorenbuchhaltung: Process Mining analysierte die Anzahl der Rechnungen, bei denen Skonti nicht gewährt bzw. genutzt wurden, und die Auswirkungen auf den Cashflow. So gelang es erstens herauszufinden, wo Skonti verlorengehen, und zweitens das Zahlungsverhalten anzupassen, um den Lieferantenkredit zu nutzen. Vor Process Mining lag die Skontorate bei nur 80 %, aktuell bei 99 %. Auch die Automatisierung nicht wertschöpfender Aufgaben und die damit verbundene Zeitersparnis waren entscheidend: Durch den Einsatz von Process Mining kann nachgewiesen werden, wie sich die Automatisierungsrate verändert hat, um so effizienter und ressourcenschonender zu arbeiten.
Innovation in der Pharmabranche
Der Einsatz der Technologie bei Vetter umfasst auch für die Prozessindustrie branchentypische Abläufe: Im Rahmen eines Co-Innovationsprojektes mit Celonis standen die Trackwise-Prozesse Change Control und Deviation Management im Mittelpunkt. Trackwise ist eine Qualitätsmanagement-Software (QMS), die viele Pharmaunternehmen für ihre Qualitäts- und Compliance-Management-Prozesse einsetzen. Denn in der Medikamentenherstellung ist die Einhaltung der genehmigten Richtlinien und Verfahren von zentraler Bedeutung. Dabei auftretende unkontrollierte Veränderungen können sich auf die Produktsicherheit und den Zulassungsstatus der Produkte auswirken. Für die Implementierung der beiden Trackwise-Prozesse holte das Team Infomotion, einen Full-Service-Anbieter für Datenlösungen, mit an Bord. Die Herausforderung bestand vor allem darin, die drei Prozessebenen, die Trackwise zur Analyse und Visualisierung von Prozessen nutzt – Hauptprozess, Subprozess und Sub-Subprozess – zu harmonisieren. Celonis entwickelte einen speziellen Analyseansatz für die beiden Prozesse, Infomotion übernahm das Datenmodell. Die Komplexität in den Prozessen Change Control und Deviation Management war zu Beginn schlicht überwältigend: Rund 200 Aktivitäten sowie mehr als 1.200 Status- und Feldänderungen führten zu mehr als 1.000.000 Prozessvarianten. Auch war es schwierig, aussagekräftige KPIs zu entwickeln, um die Trackwise-Prozesse zu optimieren, ohne die laufenden Prozesse zu gefährden. Doch die Zusammenarbeit hat sich ausgezahlt: Mit Process Mining konnten wir die Durchlaufzeit im Prozess Deviation Management um 15 % reduzieren. Mit mehr als 1.500 Mitarbeitenden, die bei Vetter in diesen Prozess involviert sind, ist das ein enormer Effizienzgewinn. Heute sind wir in der Lage, pharmazeutische Qualitätsprozesse für den Fachbereich abzubilden. Dieser kann die Prozesse aktiv steuern und somit das Prozessergebnis beeinflussen.
Unser Weg zur Wertschöpfung
Vor der Implementierung von Process Mining dauerte es nicht selten Monate, um mit gängigen Business-Intelligence-Tools relevante Erkenntnisse zu gewinnen – die dann schon wieder veraltet waren. Das hat sich drastisch verbessert. Heute gelingt es, schnell Leistungsindikatoren zu definieren, und diese sofort in das operative Geschäft zurückzuführen. In den vergangenen vier Jahren hat das Team viele Erkenntnisse zum Einsatz von Process Mining gewonnen:
- Hilfreich für den Anfang sind Beispiele zum Einsatz der Technologie bei anderen Unternehmen. Aber: Jedes Unternehmen muss für sich selbst herausfinden, welcher Weg genau der richtige ist.
- Prozesse sind bei jedem Unternehmen einzigartig: Daher braucht es individuelle und maßgeschneiderte Erkenntnisse über Prozesse und deren Optimierungsmöglichkeiten. Bevor ein Prozess in die kontinuierliche Optimierungsphase eintritt, sollte eine erste Projektphase durchlaufen werden.
- Zu Beginn sind gerade die ‚Low Hanging Fruits‘ vielversprechend: Process Mining identifiziert Potenziale, die schnell und mit minimalem Aufwand gehoben werden können.
- Neue Perspektiven eröffnen neue Lösungsansätze: Mit Process Mining können Unternehmen eine ganzheitliche Sicht auf ihre Prozesse erlangen, durch die Silos aufgebrochen werden, und von der mehr als nur eine Abteilung profitiert. Mitarbeitende und Abteilungen sollten nicht für sich allein arbeiten. Gleichzeitig sollte das Management von Anfang an involviert sein und hinter der Initiative stehen.
- Mit einem Center of Excellence (CoE) lassen sich unternehmensweit Synergien für den Einsatz finden. Bei Vetter besteht dieses aktuell aus drei Verantwortlichen aus den Bereichen IT, Geschäftsprozessmanagement und Controlling. Dieses zentrale Kompetenzzentrum für Process Mining hat das Ziel, die einzelnen Fachbereiche zu unterstützen – und den Einsatz der Technologie im Unternehmen koordiniert voranzutreiben. Es erleichtert zudem die Abstimmung der Roadmap und der geplanten Initiativen mit den strategischen Unternehmenszielen.
Effiziente Prozesse als Basis für mehr Leistungsfähigkeit
Auch wenn unsere Prozesse komplex und die Validierungskriterien in der Pharmabranche sehr streng sind, sind wir dem Ziel der Prozessexzellenz ein ganzes Stück nähergekommen. Gerade auch im Hinblick auf die Interaktion der Prozesse, denn sie lassen sich nicht isoliert betrachten und optimieren. Prozesse sind das Fundament für die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens. Doch ohne das nötige Durchhaltevermögen lässt sich das Potenzial von Process Mining nicht realisieren. Dafür ist es wichtig, kontinuierlich am Ball zu bleiben und die einzelnen Fachbereiche bestmöglich einzubinden.
Autor: Samuel Kunze, Leiter Process Excellence, Vetter, Ravensburg
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