Unscharfe Vorgaben
GMP-konforme Produktionsmittel - was ist dran?
Unscharfe Vorgaben
GMP-konforme Produktionsmittel - was ist dran?
Die GMP-Vorgaben für das Design und den Einsatz von Hardware in regulierten Industrien sind sehr allgemein. Einheitliche Zulassungen zur Kennzeichnung geeigneter Produkte fehlen. Das Attribut „GMP-konform" ist nicht geschützt. So sehen sich verantwortliche Anlagenplaner wie auch Meinungsführer und Journalisten mit einem Mix aus werblichen Aussagen der Anbieter und Zertifikaten von GMP-Dienstleistern konfrontiert, die nicht allgemein anerkannt sind. Dieser Beitrag erläutert den Nutzen und worauf der Anwender achten sollte.
Der Begriff Good Manufacturing Practice (GMP) wurde Anfang der 60er Jahre von der US-amerikanischen Behörde für Lebensmittel- und Arzneimittelsicherheit Food and Drug Administration (FDA) geprägt. Vor allem bei der Arzneimittelproduktion sollte ein gleich bleibend hoher Qualitätsstandard gewährleistet werden. Entsprechende Regelwerke wurden später auch für andere Branchen wie die Nahrungsmittelindustrie übernommen. In Europa ist für die Produktion in regulierten Industrien der so genannte „EU-GMP-Leitfaden für Human- und Tierarzneimittel" maßgeblich. Dieser basiert auf den Richtlinien 2003/94/EG (für Humanarzneimittel) und 1991/412/EWG (Tierarzneimittel) und wird durch zahlreiche Anhänge („Annexe") ergänzt.
Implikationen für die Hersteller von Ausrüstungsgegenständen
Die GMP-Richtlinien stellen den Konstrukteur vor allem bei der mechanischen Gestaltung eines Produktes vor erhebliche Herausforderungen. Zwar legen die GMP-Grundsätze ausführlich die Anforderungen dar, denen ein Produkt zu genügen hat. Allerdings legen sie nicht fest, wie dies zu geschehen hat. Dazu ein Beispiel aus dem GMP-Leitfaden Teil 2, Kapitel 3.34: „Die Herstellungsausrüstung sollte so konstruiert, angeordnet und gewartet werden, dass sie für den vorgesehenen Zweck geeignet ist."
Da es keine Konstruktionsmerkmale gibt, anhand derer referenziert werden kann, ob ein Betriebsmittel GMP-konform ist oder nicht, existiert auch keine GMP-Zulassung. Anders als beispielsweise beim Explosionsschutz ist keine ja/nein-Aussage über die Eignung möglich.
Ableitung für GMP-konformen Konstruktion
Wie die Vorgaben der GMP-Richtlinien unter allen denkbaren Bedingungen in einer Anlage umzusetzen sind, dafür gibt es also keine starren Vorgaben. Durch intensive Zusammenarbeit mit Kunden und aus langjähriger Erfahrung im Projektgeschäft lassen sich dennoch einige allgemeine Grundsätze formulieren:
• Werkstoffe: Es dürfen keine chemischen Reaktionen zwischen Werkstoff, Produkt und Reinigungsmittel erfolgen.
• Oberfläche: Die Oberflächenbeschaffenheit soll die Reinigbarkeit unterstützen, um Reinigungszeiten, -zyklen und -kosten zu reduzieren. Das bedeutet, dass die Oberfläche glatt und fehlerfrei, das heißt, frei von Kratzern, Poren und Lunkern, sein muss.
• Dichtungen: Die Abdichtung unter den gegebenen Umgebungsbedingungen muss dauerhaft gewährleistet sein. Bei den Anforderungen an die Alterungs-, Temperatur- und chemische Beständigkeit des Dichtungsmaterials müssen die typischen Prozesse in regulierten Industrien zugrunde gelegt werden.
• Gestaltung und Bau von nicht-produktberührten Oberflächen: Die Oberflächen müssen so gestaltet sein, dass Ansammlungen von Flüssigkeiten, Schmutz und Schädlingen verhindert werden. Reinigung, Wartung, Inspektion und Instandhaltung sollen leicht und sicher möglich sein.
• Auflagerung: Entsprechende Forderungen wie für die Gestaltung von Oberflächen gelten für die Aufstellung der Produktionsmittel.
Realisierung GMP-konformer Industrie-Monitore und -PCs
Um unter GMP-Bedingungen Prozesse zu visualisieren und zu steuern, werden bislang meistens Standard-IT-Komponenten genutzt, die dann den jeweiligen Anforderungen angepasst werden mussten, beispielsweise durch zusätzliche Umgehäuse. Dies führt häufig zu aufwändigen Lösungen, die zudem nicht die Qualität von durchgängig GMP-konform gestalteten Produkten erreichen können. Für das Entwicklerteam im Kompetenzcenter Bedienen und Beobachten von Pepperl+Fuchs kam daher beim Design der Produktfamilie VisuNet GMP nur eine eigenständige Konstruktion in Frage. Die oben genannten Konstruktionsgrundsätze wären im Rahmen eines Re-Designs einer vorhandenen Produktfamilie nicht zufriedenstellend zu realisieren gewesen.
Für die Industrie-Monitore und -PCs VisuNet GMP sind folgende Vorgaben unabdingbare Bestandteile des Lastenheftes:
• Um chemische Reaktionen zwischen Werkstoff einerseits und Produkten und Reinigungsmittel andererseits auszuschließen, ist der Einsatz von Edelstahl unabdingbar.
• Als Oberflächenrauigkeit wird durchgängig 0,8 µm empfohlen. Bei größerer Rauigkeit steigt die Verschmutzungsgefahr. Bei geringerer Rauigkeit steigt aufgrund zunehmender Anhaftungskräfte die Verschmutzungsgefahr ebenfalls wieder.
• Display, Dichtungen und Tastatur müssen chemisch resistent gegenüber typischen Reinigungsmitteln sein.
• Toträume müssen vermieden, Zwischenräume entweder so groß ausgeführt, dass sie bequem gereinigt werden können, oder so abgedichtet, dass sich keine Verunreinigungen ablagern können.
Nachweis der Konformität
Aufgrund der unscharfen Vorgaben der GMP-Richtlinien ist die Zulassung eines Produktes nicht möglich. Nützlich aus Kundensicht ist aber eine Herstellererklärung, die darlegt, wie die für den betreffenden Ausrüstungsgegenstand relevanten Passagen aus dem GMP-Leitfaden konstruktiv umgesetzt sind.
Angebote von „GMP-Zertifizierungen", die ein Produkt pauschal für GMP-tauglich erklären, sind vor diesem Hintergrund dagegen schlichtweg unseriös.