Chemische Reaktionen in kleinen Dimensionen
Mikrofluidisches Fließinjektionsanalysegerät zur Wasseranalyse
Das Online-Analyse-System von Bürkert dient der kontinuierlichen Überwachung und Speicherung der wichtigsten Messparameter bei der Aufbereitung von Trink- und Brauchwasser.
Das Wasserqualitäts-Monitoring ist ein zentraler Baustein des Water Safety Plans in den GDWQ (Guidelines for Drinking Water Quality) der WHO und wurde dementsprechend in der 2014 erschienenen Publikation „Water Safety in Distribution Systems“ wieder aufgegriffen. Daraus und aus der wachsenden Aufmerksamkeit für neue Verunreinigungen im Wasser entstand der Wunsch, alle zu messenden Parameter auf einer Plattform zu vereinen. Die Messwerte sollen dabei übersichtlich dargestellt werden, zur Archivierung (Datenlogger) und weiteren Verarbeitung abgespeichert und übertragen werden können und das System soll messwertabhängig in den Prozess eingreifen können, z. B. bei der Regelung von Aufbereitungsschritten. Bisher wurden solche Systeme aus vielen einzelnen Messgeräten zusammengesetzt. Daraus ergaben sich viele verschiedene Schnittstellen und unterschiedliches Messwassermanagement der Geräte, die oft von verschiedenen Herstellern stammten, sowie viele verschiedene Ansprechpartner für den Anwender. Als Konsequenz aus der Summe der gestellten Anforderungen und gewünschten Messparameter ergab sich für die Entwickler der Firma Bürkert die Notwendigkeit, die Teilsysteme zu miniaturisieren, um alle Ansprüche in einem einzigen Gerät, dem Online-Analyse-System, zu integrieren.
Neben den Basisparametern pH-Wert, ORP/Redox-Spannung, Leitfähigkeit, Desinfektionsmittelkonzentration und Trübung ist der Eisengehalt im Wasser ein wichtiger Parameter zur Überwachung entsprechender Aufbereitungsstufen Ebenso sollten spezielle Messwerte zur Überwachung und gegebenenfalls Steuerung einzelner Aufbereitungsstufen in ein solches System eingebunden werden. Im folgenden Beispiel wird die Umsetzung eines alltäglichen Laborverfahrens als Modul für das Online-Analyse-System beschrieben mit besonderem Fokus auf die angewendeten mikrofluidischen Prinzipien. Als Beispiel-Messparameter dient der Eisengehalt im Wasser.
Vom Labor in die mikrofluidische Anwendung
Abfüllen, mischen, reagieren lassen, messen: Was im Labor händisch leicht mit Pipette, Messkolben und Magnetrührer durchgeführt werden kann, wird im Mikromaßstab schnell zu einer Herausforderung. Um eine Reaktion durchzuführen, werden im einfachsten Fall Glasgeräte verwendet, eine Mischung geschieht mechanisch über Rühren oder Schütteln und eine erfolgreiche Reaktion kann durch externe instrumentelle Analyse belegt werden. Will man das gleiche in kleinerem Maßstab durchführen und automatisieren, hat ein Batchverfahren verschiedene Nachteile. So muss eine derartige Maschine kleinste Flüssigkeitsmengen abmessen und vereinigen können. Mischung und Reaktion müssen in einem kleinen Behälter erfolgen, der für die nächste Reaktion gespült werden muss. Die Detektion erfordert die Entnahme und den Transfer in ein entsprechendes Analysegerät.
Je kleiner die verwendeten Volumina werden, desto schwieriger gestaltet sich das Handling der Flüssigkeiten, angefangen vom Transport bis zum genauen Abmessen einer gewünschten Menge. Kleine Ungenauigkeiten oder nicht erfasste Toträume addieren sich schnell zu detektierbaren Abweichungen vom gewünschten Ergebnis. Die Automatisierung solcher Abläufe ist wünschenswert, da über eine elektronische Steuerung und konstante Bedingungen eine hohe Reproduzierbarkeit erreicht werden kann.
Die Nachteile einer sequenziellen Abarbeitung werden vermieden, wenn man die Reaktion im Durchfluss durchführt. In diesem Fall wird zu einem Medium der Reaktionspartner injiziert, in einem passiven Mischer gemischt und anschließend inline das Resultat gemessen.
Ein derartiges System benötigt eine Pumpe, eine Fluidik, Ventile, die die Reagenzien schalten, eine Detektionseinheit und eventuell eine Entgasung, um störende Bläschen abzutrennen. Letzteres ist eine häufige Komplikation bei mikrofluidischen Systemen. Neben den fluidischen Komponenten benötigt das System eine Ansteuerungselektronik für die Detektion und Ausgabe des Messergebnisses.
Bürkert entwickelte auf Basis dieser Idee ein Fließinjektionsanalysegerät (FIA), das alle notwendigen Komponenten inklusive Steuerung auf kleinstem Raum vereint. Bei diesem Verfahren wird eine Probe aus einer Messstelle auf ihren Eisengehalt untersucht. In der Fluidik wird ein Reagenz zudosiert, das zusammen mit der Probe durch das System gepumpt wird, sich dort mischt und zu einem spezifischen Farbstoff reagiert. Dieser kann in einem Durchflussfotometer detektiert werden und über die Absorption, die zeitlich ein peakförmiges Signal ausbildet, kann dann der Eisengehalt fotometrisch bestimmt werden.
Probennahme
Den Start der Probenverarbeitung bildet eine Probenahmeeinheit, die aus der Messstelle eine definierte Menge in einem Behälter zwischenspeichert (Probenahmegefäß). In dieser Baugruppe wird eine erste Abtrennung von größeren Luftblasen erreicht, die sich in der Kammer sammeln können. Darüber hinaus wird der Vordruck abgetrennt, um einen Einfluss auf die Durchflussgeschwindigkeit auszuschließen.
Entgasung
Luftblasen können die Messung empfindlich stören, sind aber bei einer Probenahme aus einem druckbeaufschlagten System unvermeidlich. Eine erste Abscheidung wird durch das Probenahmegefäß erreicht. Eine vollständige Abtrennung der Mikrobläschen geschieht dann in der Entgasungseinheit. Hier wird die Probe durch einen gaspermeablen Schlauch gepumpt, der sich in einer Unterdruckkammer befindet.
Der Unterdruck wird durch eine Exzenterpumpe von Schwarzer Precision (SP 100 EC) erzeugt, die bei extrem kleiner Bauform ein ausreichendes Vakuum für die Entgasung generieren kann.
Fluidik
Die Fluidik ist aus planaren Kunststoffteilen gefertigt, die erst miteinander verbunden werden müssen, um gedeckelte Kanalstrukturen zu erhalten. Dazu werden die Teile – je ein absorbierendes und ein transparentes – spanend bearbeitet. Die Verbindung erfolgt über einen Laserstrahl, der an den Kanalkonturen entlangfährt und das absorbierende Material aufschmilzt. Nach dem Abkühlen sind beide Teile fest verbunden. Wichtig ist hierbei die Wahl der richtigen Kanalformen und Konturen, um Toträume zu vermeiden. Bei dem Design der Mischerkonturen wurden Simulationstechniken verwendet, um die Geometrie zu optimieren und eine schnelle Mischung zu gewährleisten. Die Module selbst sind stapelbar, um unterschiedliche Weglängen generieren zu können. Die Fluidiken sind überlappend verbunden, um das System in Funktionsmodule zerlegen zu können.
Manifold – Mischer – Fotometer
Für die Detektion müssen die fluidischen Bauteile eine besonders hohe Qualität haben. Die Halbteile für das Durchflussfotometer werden mittels Spritzguss hergestellt, um die optischen Flächen reproduzierbar und mit größtmöglicher Ebenheit herzustellen. Beide Teile werden letztlich lasergeschweißt.
Während die Fluidik vergleichsweise einfach miniaturisiert werden kann, stellt die kompakte Integration der Peripherie in Form von Ventilen, Pumpen und Detektoren eine Herausforderung dar, bei der kleine Baugröße und Präzision im Vordergrund stehen.
Pumpe
Die selbstansaugende Mikrodosiereinheit Typ 7615 von Bürkert kombiniert höchste Dosiergenauigkeit mit extremer chemischer Beständigkeit. Die Einheit besteht aus drei Ventilen und kann aufgrund der aktiven Ein- und Auslassventile in beide Richtungen fördern – und das in verschiedenen Förderstufen. Aufgrund der hohen Präzision des Geräts können zwei Aufgaben gleichzeitig erfüllt werden: Die Pumpe kann sowohl zum Transport der Probe als auch zur Injektion des Reagenzes genutzt werden.
Dazu wird über die Schaltung eines 3/2 Wegeventils auf den Reagenzanschluss umgeschaltet. Damit kann eine präzise Dosierung des Reagenzes mit einem Volumen von 50 µl erreicht werden. Nach dem Zurückschalten wird das Reagenz durch den Probenstrom weiter zur Detektion transportiert. Für das Fluidhandling werden mediengetrennte Ventile des Typs 6650 verwendet. Das konsequent optimierte Design ermöglicht reproduzierbares und präzises Dosieren sowie gute Spülbarkeit und eignet sich dank der hochwertigen Materialien auch für den Einsatz von aggressiven Chemikalien. Die schmale Bauweise mit einem Anreihmaß von 4,5 mm, sowie die Wahl zwischen 2/2 und 3/2-Wege-Funktion erlaubt eine hohe Integrationsdichte bei optimalen fluidischen Parametern. So können die Wege kurz gehalten werden, was eine hohe Funktionsdichte der Fluidik ermöglicht.
Nachdem die Reaktion in den Mischern stattgefunden hat, erreicht der gebildete Farbstoff das Fotometer. Hier wird zeitabhängig die Absorption bestimmt. Das Messsignal wird ausgewertet und über eine Kalibrierkurve in den zugehörigen Eisenwert umgerechnet.
Der Datentransfer zum Logging oder zur Bedienung durch den Benutzer erfolgt über die Geräteplattform EDIP (Efficient Device Integration Platform), die für die intelligente Vernetzung aller elektronischen Bürkert-Geräte sorgt. Das Rückenmark und Bindeglied von EDIP ist eine digitale Schnittstelle die in weiten Teilen dem CANopen-Standard entspricht und zu diesem auch immer abwärtskompatibel genutzt werden kann. Bei diesem Konzept ist kein Master notwendig. Alle Teilnehmer sind gleichberechtigt und können vom Anwender eine funktionale Adresse bekommen. Der Nachrichtenempfänger (Consumer) überwacht seine Informationslieferanten (Producer) und meldet bei Ausbleiben der Informationen einen Fehler. Dieses bürkerteigene CANbus-Protokoll ermöglicht es dem Benutzer über ein einziges Display neben zusätzlich angeschlossenen Sensoren eine oder mehrere FIAs parametrieren und bedienen zu können. Einmal gestartet arbeitet das Online-Analyse-System autonom die notwendigen Prozessschritte ab. In definierbaren Abständen kalibriert sich die FIA automatisch durch einen Offsetabgleich, die Mikrofluidik wird regelmäßig mit Spüllösung gereinigt.
Das FIA Modul ist kompatibel zum eingangs beschriebenen Analysegerät für Trinkwasser (Typ 8905, Online-Analyse-System) und wird ergänzt durch die Versorgungseinheit für Reagenz, Kalibrierlösung und Reinigungslösung. Die Modularität der 8905-Plattform erlaubt somit eine einfache Integration und Installation eines automatisierten chemischen Analyseverfahrens direkt neben anderen Sensoren auf elektrochemischer oder optischer Basis. Durch die Zusammenfassung der Messgrößen in einem System wird es möglich, den Verlauf einzelner Messwerte begleitend zum Wasseraufbereitungsprozess aufzuzeichnen und zu untersuchen. Ebenso wird es ermöglicht Abhängigkeiten der Messwerte untereinander zu erkennen und auszuwerten. Darin liegt der wesentliche Vorteil einer integrierten Analyse-Systemlösung neben den offensichtlichen Vorteilen wie der Verringerung von Fehlerquellen und verbesserter Wirtschaftlichkeit, weil nur ein Gerätetyp geschult werden muss und nur ein Servicepartner nötig ist.