Anlagenbau & Prozesstechnik

Anwendung von Normen bei der Gasanalyse

Teil 2 – Probenahme bei der Gasanalyse

23.06.2015 -

Im Bereich der Gasanalytik werden in vielfältiger Art und Weise Gasgemische in Druckgasbehältern als Kalibriergase verwendet. Neben der Güte des Kalibriergases und der verwendeten Analysenmethode ist die Probenahme bzw. der Transfer des Kalibriergasgemisches von der Gasflasche zum Messgerät von ausschlaggebender Bedeutung bei der Messung. Einen recht guten Überblick über die korrekte Handhabung von Kalibriergasgemischen in der Gasanalyse gibt die Norm DIN EN ISO 16664. Einige wichtige Punkte dieser Norm sollen im Folgenden etwas ausführlicher dargestellt und erläutert werden.

Der Aufwand für die Herstellung von Kalibriergasen ist teilweise recht hoch. Beginnend mit der Vorbehandlung der verwendeten Gasflaschen, dann der ggf. aufwendigen gravimetrischen Herstellung (gemäß DIN EN ISO 6142) bis zur Analyse (gemäß DIN EN ISO 6143) muss der Hersteller entsprechende aufwendige Prozeduren durchführen und Geräte (hochgenaue Waagen, Analysengeräte) vorhalten. Für aufwendig hergestellte und teure Kalibriergasgemische sollte man daher auch den „guten Umgang“ kennen, damit man diese nicht durch Fehler unbrauchbar macht und es vielleicht noch nicht einmal bemerkt.

Transport und Lagerung
Kalibriergasgemische werden in Druckgasbehältern meist mit 150 bar oder sogar 200 bar hergestellt. Die Flaschen beinhalten durch den hohen Druck eine erhebliche Energie. In einer 10-Liter Gasflasche (10 Liter geometrisches Volumen der Flasche) mit einem Fülldruck von 200 bar steckt so viel Energie wie Bewegungsenergie in einem Kleinwagen von ca. 1000 kg Masse mit einer Geschwindigkeit von ca. 70 km/h.
Ein kritischer Punkt der Gasflasche ist das Ventil. Dieses sollte auf dem Transport (auch im Labor mit Flaschenwagen) besonders (durch Ventilschutzkappen) geschützt werden. Wenn eine Flasche ohne Ventilschutzkappe umfällt und dabei eventuell das Ventil beschädigt oder abgebrochen wird, kann eine solche Flasche wie eine Rakete umherfliegen, dabei großen Schaden verursachen und auch Personen verletzen oder töten. Im Betrieb muss die Gasflasche immer gesichert sein. Durch eine Kette oder eine sonstige Vorrichtung kann die Gasflasche vor dem Umfallen geschützt werden.

Entmischung durch Kondensation
Kalibriergasgemische werden zum Teil auch mit kondensierbaren Dämpfen von Flüssigkeiten hergestellt (z. B. mit n-Hexan oder Benzol). Je nachdem welche Mengen an kondensierbaren Stoffen sich im Gasgemisch befinden, können bei Unterschreitung der Kondensationstemperatur bei Transport, Lagerung oder Betrieb im ungünstigsten Fall eine oder mehrere Komponenten auskondensieren. Das Kalibriergasgemisch ist dann kein homogenes Gasgemisch mehr. Würde man jetzt Gas entnehmen, so würde die Zusammensetzung des Gemisches verändert. Das Gemisch wäre dann nicht mehr zu verwenden.
Ob ein Gemisch kondensieren kann, kann man für eine Komponente grob damit abschätzen, wenn rechnerisch der Partialdruck der Komponente in der Flasche größer wird als der Dampfdruck dieser Komponente bei der Kondensationstemperatur. Der Dampfdruck ist dabei der Druck der reinen Komponente über der Flüssigkeit. Dieser Dampfdruck ist abhängig von der Temperatur und wird mit steigender Temperatur schnell größer.
Je weiter die Entnahme fortschreitet, umso niedriger wird in der Regel auch die Kondensationstemperatur des Gemisches, da der Partialdruck der kondensierbaren Komponente bei der Entnahme proportional zum sinkenden Fülldruck ebenfalls abnimmt.
Zu hohen Temperaturen sollten Gasgemische aber auch nicht ausgesetzt werden. Zum einen steigt durch eine hohe Temperatur der Druck in der Flasche an, zum anderen können thermisch empfindliche Komponenten bei höherer Temperatur gegebenenfalls zerfallen. Gasflaschen sollten daher, besonders im Sommer, auch nicht in der prallen Sonne gelagert werden.

Entnahme
Gasgemische sollten nie unter dem auf dem Zertifikat angegebenen minimalen Verwendungsdruck eingesetzt werden. Denn:
Für viele Gemische ist es notwendig, die Innenoberfläche der Flaschen aufwendig vorzubehandeln und auch möglichst Umgebungsluft mit dem darin enthaltenen Sauerstoff und dem Wasserdampf oder andere Verunreinigungen aus der Flasche fern zu halten. Die Flasche sollte nicht vollständig entleert werden und muss mit Restdruck zum Hersteller zurückgegeben.
Einige Stoffe neigen dazu, auf der Innenoberfläche der Flasche zu adsorbieren. Wenn der Druck in der Flasche zu gering wird, kann es passieren, dass die Moleküle von der Wand desorbieren und der Anteil im Gasgemisch ansteigt. Bei Gemischen z.B. mit Wasser kann dies schon bei Drücken von ca. 30 bis 50 bar passieren. Der Anteil an Wasserdampf im entnommenen Gemisch würde dann größer werden, wenn das Gemisch unter dem minimalen Verwendungsdruck von in diesem Fall z. B. 50 bar weiter verwendet wird.

Einflüsse durch die Temperatur und ­Umgebungsdruck
Um Temperatureinflüsse beim Kalibrieren zu vermeiden, sollte man daher vor der Messung immer abwarten, dass alle Flaschen das Temperaturgleichgewicht des Labors erreicht haben. Dies kann mehrere Stunden dauern. Sollte die Temperatur und/oder Luftdruck im Raum mit der Zeit wegdriften, so ist es empfehlenswert, häufiger zwischendurch mit dem Kalibriergas das Messgerät erneut zu kalibrieren.

Druckminderung und Durchfluss
In der Regel werden Druckminderer oder Durchflussregler (Nadelventile, Massendurchflussregler, Kapillaren usw.) zur Entnahme von Kalibriergasen aus Flaschen eingesetzt. Bei größeren Entnahmemengen kann es dabei zu einer Abkühlung der Flasche kommen (reversible adiabatische Entspannung). Wenn man es mit Kalibriergasgemischen zu tun hat, die leicht kondensierbare Komponenten enthalten, kann es passieren, dass es durch den sogenannten „Joule-Thompson-Effekt“ an „Engstellen“ (z. B. bei Nadelventilen oder Kapillaren) im Entnahmesystem zu Kondensationseffekten kommen kann. Dies kann dann zur Verfälschung von Messergebnissen führen. Man sollte daher versuchen, die Entnahmeraten so klein wie möglich zu halten.
Wegen ihres geringen Volumens und daher leichter Spülbarkeit bieten sich Nadelventile als Entnahmeapparatur an. Diese bergen aber den Nachteil, dass bei voll geöffnetem Ventil bis zu 200 bar Druck aus der Flasche direkt am Messgerät anstehen kann, was sicherheitstechnisch bedenklich ist. Bei Druckminderern kann man den Hinterdruck auf einen niedrigen Druck einstellen, der dann auch konstant gehalten wird.

Flaschenwechsel
Bei einem Flaschenwechsel bzw. an- und abmontieren von Druckminderern besteht immer die Gefahr, dass das Kalibriergasgemisch durch die Umgebungsluft kontaminiert wird. Größte Sorgfalt ist immer dann anzuwenden, wenn das Kalibriergas nur geringe Konzentrationen an korrosiven Komponenten (NO2, SO2, H2S, NH3 usw.) aufweist. Solche Gemische sind empfindlich gegenüber eingeschleppter Feuchtigkeit aus der Luft. Bei Gemischen mit NO muss der Eintrag von Sauerstoff aus der Luft vermieden werden, weil Stickstoffmonoxid sofort mit dem Sauerstoff zu Stickstoffdioxid reagieren würde. Würde man durch falsche Handhabung des Druckminderers ohne ausreichendes Spülen nur ca. 10 ml Luft (mit ca. 2 ml Sauerstoff) in die Gasflasche einbringen, so reicht dies bei schon aus, um bei einem Fülldruck von 150 bar 2,6 ppm NO in NO2 umzuwandeln. NO-Gemische im unteren ppm Bereich wären dadurch nicht mehr verwendbar. Es besteht zudem die Gefahr, dass man, ohne es zu merken, mit einem Kalibriergas arbeitet, dessen Zusammensetzung nicht mehr dem zertifizierten Wert entspricht.

Transfersystem
Um Wechselwirkungen der Bestandteile des Kalibriergases mit dem Transfersystem möglichst gering zu halten, so sollte das Transfersystem möglichst kurz sein. Das Material muss für die Gemischbestandteile geeignet sein. Eine Tabelle, welche Gase mit welchen Materialien verträglich sind, findet man in der DIN EN ISO 16664.
Bei Dichtungen und Leitungen aus Elastomeren und auch bei Lecks besteht grundsätzlich die Gefahr der Diffusion von Bestandteilen der Außenluft (O2, N2, und Wasserdampf) in das Transfersystem hinein. Eine Diffusion kann dabei auch gegen einen höheren Druck erfolgen.
Wenn möglich, sollte das Transfersystem evakuierbar sein. Damit wird zwischen 2 Messungen das System optimal vom Gemisch der vorherigen Messung gereinigt. Das setzt allerdings voraus, dass das gesamte System inklusive Druckminderer für eine Evakuierung geeignet ist.
Sollte es keine Möglichkeit zur Evakuierung des Transfersystems geben, so muss mit dem zu dosierenden Gasgemisch gespült werden. Dieses Verfahren hat den Nachteil, dass sogenannte „tote Enden“ im Transfersystem nicht vollständig gespült werden. Als „tote Enden“ bezeichnet man solche Teile in den Transferleitungen, die nicht direkt vom Gas durchspült werden. Dies können z.B. Abzweigungen oder Druckmessgeräte im Transfersystem sein. Bei der Vakuummethode werden auch die „toten Enden“ evakuiert und damit von möglichen Verunreinigungen befreit.

Stabilität
Die Stabilitätsdauer eines Gasgemisches ist auf dem Zertifikat angegeben. Für die dort angegebene Dauer garantiert der Hersteller des Gemisches, dass sich die Zusammensetzung des Kalibriergases sich nicht signifikant verändert. Ein Verfahren zur Überprüfung der Stabilität durch den Endnutzer ist im Anhang der Norm DIN EN ISO 16664 angegeben.

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