Transport Logistic: Logistiker werden zum strategischen Partner
Qualität und Zuverlässigkeit von Lieferketten sind wichtiger als ihr Preis
Klimawandel, schärfere Sicherheitsbestimmungen, Kapazitätsengpässe, marode Infrastruktur und Digitalisierung: Pharma- und Chemielogistiker stehen vor großen Herausforderungen. Mit welchen Lösungen die Branche darauf reagiert, zeigt die Transport Logistic, internationale Fachmesse für Logistik, Mobilität, IT und Supply Chain Management, vom 4. bis 7. Juni 2019 in München.
Die Organisatoren gehen davon aus, dass die Rekordzahlen an Ausstellern und Besuchern aus dem Jahr 2017 nochmals übertroffen werden – damals stellten 2.162 Unternehmen aus 62 Ländern aus und es reisten 60.726 Besucher aus 123 Ländern an. Mit zahlreichen Angeboten richtet sich die Transport Logistic speziell an Pharma- und Chemielogistiker.
Pharma Supply Chain: Qualität versus Kostendruck
So organisiert der CHEManager am Mittwoch, den 5. Juni 2019, das Forum „Pharma Supply Chain - Qualität hat ihren Preis“. Bei der Qualität und Sicherheit von Pharmatransporten darf nicht am falschen Ende gespart werden. Denn hier steht die Gesundheit der Patienten unmittelbar auf dem Spiel. Um die Sicherheit der Pharma Supply Chain zu erhöhen, wurde 2013 die EU-Richtlinie GDP novelliert. Ergänzend ist seit dem 9. Februar 2019 mit der Falsified Medicines Directive (FMD) eine weitere EU-Guideline in Kraft. Sie schreibt u.a. vor, dass rezeptpflichtige Medikamente nur noch in einer Verpackung mit Seriennummer und Originalitätsverschluss auf den Markt gebracht werden dürfen. Am Point of Sale muss die Ware vor der Aushändigung validiert werden.
Was muss aber passieren, wenn die serialisierte Ware auf dem Transportweg beschädigt, kontaminiert, sabotiert oder durch Diebstahl entwendet wird? Welche Sicherheitstechnik ist verfügbar? Wann müssen Behörden eingeschaltet werden und wer trägt die Haftungsrisiken? In Bezug auf die Umsetzung der FMD sind noch einige Fragen offen. Aber auch die Wirksamkeit der GDP-Novelle wird kontrovers diskutiert. Nicht zuletzt stellt sich die Frage, ob die Umsetzung ausreichend überwacht wird, um die geforderte Qualität von Pharmatransporten sicherzustellen.
Transportüberwachung wird wichtiger
Pharmalogistiker sollten sich aber nicht nur an der GDP, sondern „vor allem an den individuellen Bedürfnissen ihrer Kunden orientieren“, meint Bernd Schlumpberger, Leiter Flotten- und Transportmanagement bei Teva. Nach seiner Erfahrung würden die Details der jeweiligen Sicherheitsansprüche im Vorfeld oft nicht geklärt. Es mache z.B. einen großen Unterschied, ob ein Medikamententransport noch am selben Tag der Verladung zugestellt werden kann oder ob dafür eine Übernachtung auf einem Parkplatz erforderlich ist.
„Bei höherem Risiko sollte die Ausstattung des Lkw über die Mindestanforderungen der GDP hinausgehen“, empfiehlt Schlumpberger, dessen Fuhrpark sich in drei Sicherheitskategorien einteilen lässt. Die Bandbreite reicht vom GDP-Standardfahrzeug bis hin zur High-End-Version mit aufwendiger Sicherheitsausstattung, die z.B. den Frachtraum vor unbefugtem Zutritt schützt.
„Nicht jeder Transport rechtfertigt den Einsatz der kostspieligen High-End-Version. Deshalb bieten wir für jeden Einsatz genau den passenden Lkw“, so Schlumpberger. In jedem Fall würden durch die FMD die Anforderungen an die durchgängige Überwachung der Transporte zwischen Verlader und Empfänger steigen. „Das Arbeiten mit Subunternehmern wird riskanter“, so Schlumpberger, der deshalb einen deutlichen Trend zu mitteständischen Transportunternehmen mit eigenen Fahrern sieht.
Chemiebranche trifft sich am ITCO Pavillon
Auch den Besuchern aus der Chemiebranche dient die Transport Logistic wieder als zentraler Treffpunkt. Schon seit 16 Jahren ist der Pavillon der internationalen Tankcontainer Organisation ITCO wichtiger Bestandteil der Fachmesse. „Der diesjährige ITCO Pavillon markiert mit einer Fläche von über 1.500 m² und mehr als 70 Ausstellern neue Rekordwerte“, sagt Robert Schönberger, Projektgruppenleiter der Transport Logistic.
Im "Tank Container Village" zeigen der Verband und seine Mitglieder den derzeitigen Stand der Technik und neue Lösungsansätze zur Sicherung der globalen Lieferkette flüssiger Massengüter. „Die Tankcontainerbranche ist mittlerweile erwachsen geworden. Tankcontainer gelten heute als eine der sichersten, kostengünstigsten und zuverlässigsten Transportmittel für flüssiges Massengut, wenn sie als Teil einer firmeneigenen flüssigen Lieferkette eingesetzt werden“, erklärt ITCO-Präsident Reg Lee.
Die Zahl der produzierten Tankcontainer sei 2018 um über 12% auf mehr als 50.000 neue Einheiten gestiegen. Hiervon ausgenommen sind spezielle übergroße Tankcontainer. „Diese werden derzeit von Chemieunternehmen in Europa eingesetzt, um damit Tankwaggons zu ersetzen und die Auslastung der Anlagen zu verbessern“, so Reg Lee. Weltweit seien bereits über 500.000 Tankcontainer im Umlauf. Diese befinden sich hauptsächlich im Besitz von Tankcontainerbetreibern und spezialisierten Leasinggesellschaften.
Steigende Anforderung an die IT-Kompetenz
Weitere Trends der Chemielogistik verzeichnet die Talke-Gruppe: Der weltweit tätige Dienstleister für die chemische und petrochemische Industrie sieht eine immer weitergehende Vernetzung und tiefere Integration in die Lieferkette seiner Kunden. „Durch Fachkräftemangel und den Kosten- und Wettbewerbsdruck ist der Trend zum Outsourcing ungebrochen“, sagt Christoph Grunert, der bei Talke als Mitglied der Geschäftsführung die europäischen Logistikaktivitäten sowie das internationale Projektgeschäft verantwortet. Im Zuge der Digitalisierung ergeben sich immer mehr Möglichkeiten auch für Chemielogistik-Dienstleister. Nicht zuletzt deshalb sei Talke bereits seit längerem mit SAP in einer Innovationspartnerschaft verbunden, um gemeinsame Standards für die Chemiebranche zu definieren.
„Die chemische Industrie ist von
funktionierenden Wasserstraßen und
Schienenverbindungen abhängig.“
Peter Viebig, Direktor Transport,Talke
Als Standortnachteil Deutschlands sieht Grunert die zunehmende Knappheit an Lagerflächen für genehmigungspflichtige Produkte, wie z.B. giftige oder entzündbare Stoffe. Vorhandene Flächen entsprechen oft nicht mehr den aktuellen gesetzlichen Forderungen und der Neubau von Gefahrgutlagern wird durch langwierige Genehmigungsverfahren mit oft ungewissem Ausgang erschwert. „Das gilt vor allem für die großen Chemiestandorte entlang des Rheins“, betont Grunert, der sich hier ein Gegensteuern des Gesetzgebers wünscht. „Andernfalls hat die Branche in Deutschland kaum noch Expansionsmöglichkeiten in wettbewerbsfähiger Nähe zur Produktion“.
Selbst gemacht sind z.T. auch die Probleme mit der Verkehrsinfrastruktur. „Die vergangenen zwei Jahre haben deutlich gezeigt, wie sehr die chemische Industrie von funktionierenden Wasserstraßen und Schienenverbindungen abhängt“, erklärt Peter Viebig, der bei Talke den Transportbereich verantwortet. Als sich 2017 zwischen Rastatt und Baden-Baden die Bahngleise abgesenkt hatten, geriet europaweit die Versorgung ins Wanken. „Wenn das Volumen von mehreren täglichen Ganzzügen auf die Straße verlagert werden muss, sind Engpässe vorprogrammiert“, so Viebig. Einen ähnlichen Effekt hatte zuletzt das Niedrigwasser am Rhein in Folge des lang anhaltenden Sommerwetters verursacht.
Längere Vertragslaufzeiten
Für die Zukunft sind immer wieder äußere (Klima-)Einflüsse auf die Verkehrswege zu erwarten, die zu Produktionsausfällen führen können. Für die Logistik ist dies eine große Herausforderung, zumal sich die Naturereignisse kaum planen lassen. Doch auch die übrigen Wirtschaftszweige sind davon betroffen: Schließlich stellt die chemische Industrie überwiegend Produkte her, die andere Industrien weiterverarbeiten, etwa zu Flachbildschirmen, Motoren, Sonnenschutzmitteln oder Bekleidung. So ist die Chemie mit nahezu allen Branchen – von der Automobil- und der Elektroindustrie bis zur Bau-, Textil- und Solarindustrie – über Lieferbeziehungen eng verbunden.
Vor diesem Hintergrund ist die Logistik längst von einem notwendigen Übel zu einem strategischen Erfolgsfaktor geworden, wovon die Dienstleister deutlich profitieren. „Die Verlader setzen sich heute mit den Spediteuren an einen Tisch, um sich langfristig die notwendigen Laderaumkapazitäten zu sichern“, berichtet Viebig. Dieser Trend habe sich durch den zunehmenden Fahrermangel noch verstärkt, was sich auch auf die Transportpreise ausgewirkt hat. Nicht zuletzt sorgt diese Entwicklung für längere Vertragslaufzeiten, denn jede neue Verhandlung führt in der Regel zu höheren Kosten.
Fazit
Die Chemie- und Pharmalogistik bleiben in Bewegung und die Transport Logistic bietet wieder Gelegenheit, sich direkt mit den Beteiligten auszutauschen. (sa)
Info
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