IT als Verbrauchsgut
Verbrauchsabhänge Abrechnungsmodelle beim Outsourcing im Kommen
Nur so viel für IT bezahlen, wie man tatsächlich braucht: Gerade in Krisenzeiten wird der Nutzen von Utility- oder Cloud-Modellen im IT-Outsourcing offensichtlich. Aber nicht alle IT-Bereiche eignen sich dafür.
Das IT-Outsourcing gehört laut einer aktuellen Studie des Marktforschungshauses PAC zu den klaren Gewinnern der Wirtschaftskrise (SITSI-Report Deutschland, August 2009). Dabei trieben nicht allein die Kostenspar-Effekte zu einer starken Nachfrage, sondern auch flexible Finanzierungsmodelle wie die verbrauchsabhängige Abrechnung von IT-Services. Dies erlaubt nämlich ein „Atmen" der IT-Ausgaben gemäß der aktuellen Ertragskraft eines Unternehmens.
Die Krise stärkt damit einen Trend, der sich auf breiter Front schon seit längerer Zeit ankündigt. Bereits Anfang 2007 pro-gnostizierte Forrester Research einen fundamentalen Wandel in der Art, wie Unternehmen IT nutzen und einkaufen: weg von einer IT als physikalischer oder intellektueller Besitz - hin zu einer IT, die aus gemeinsam genutzten Quellen als Dienstleistung bezogen und nach Gebrauch bezahlt wird. Bis 2012, so die Analysten, werde dieses Bezugsmodell den Markt dominieren (Andrew Parker und Tom Pohlmann: The Emerging IT Ecosystem - The Line Between Technology And Service Will Blur At A Faster Pace, Forrester Research 2007).
Ein Beispiel dafür ist der Spezialchemikalien-Hersteller Chemetall mit Firmenzentrale in Frankfurt am Main und rund 40 Tochter- und Beteiligungsunternehmen in allen fünf Erdteilen. Mitte 2008 übergab Chemetall den Betrieb seiner SAP-Systeme an HP und stieg dabei auch in ein bedarfsabhängiges Abrechnungsmodell ein. Die monatliche Gebühr richtet sich nach der Zahl der SAP-Benutzer beziehungsweise der Anzahl der benötigten SAP-Leistungseinheiten. Mit diesem Abrechnungsmodell kann Chemetall den SAP-Betrieb gemäß den Geschäftsanforderungen skalieren und bezahlt nur für die Kapazität, die tatsächlich benötigt wird. Das SAP-System von Chemetall wird dabei in einem Rechenzentrum mit virtualisierter Infrastruktur betrieben, in der sich mehrere Kunden die physikalische Infrastruktur teilen. Damit lassen sich IT-Ressourcen flexibel nach aktuellem Bedarf einzelnen Kunden zuweisen.
IT wie Strom oder Wasser beziehen
Um dieses Modell herrscht derzeit unter Schlagworten wie Cloud Computing und Software as a Service (SaaS) eine lebhafte Diskussion. Die Definitionen, was jeweils mit diesen Begriffen gemeint ist, gehen dabei teilweise weit auseinander. Gemeinsam ist ihnen jedoch eine Vision, die maßgeblich von Nicholas G. Carr („The Big Switch", 2008) geprägt wurde. Laut Carr wiederholt sich derzeit in der Unternehmens-IT die Industrie-Geschichte: Sie entwickle sich analog zur Energieversorgung Anfang des 20. Jahrhunderts, als die Unternehmen begannen, ihre eigenen Dampfmaschinen und Generatoren abzuschalten, um stattdessen Strom von darauf spezialisierten Lieferanten zu beziehen. Carr propagiert auch für die IT das Prinzip einer jederzeit verfügbaren, standardisierten, gebrauchsfertigen und nach Verbrauch abgerechneten Ressource - wie bei Strom und Wasser. Angelehnt an diesen Vergleich nutzt man für derart konzipierte IT-Dienste häufig den Begriff Utility Computing oder Utility Services.
Das Preismodell von Utility Services orientiert sich am tatsächlichen Verbrauch. Gezahlt wird etwa pro Arbeitsspeicher und CPU-Anteil, pro in Anspruch genommenem Gigabyte Speicherplatz oder pro Anwender eines ERP-Systems. Unterliegt das Geschäftsmodell z. B. saisonalen Markt-Schwankungen, kann der IT-Bezug entsprechend hoch- und runterskaliert werden (siehe Abbildung). IT-Fixkosten und Kapitalbindung entfallen, da IT-Ressourcen zu variablen Kosten verbrauchsabhängig abgerechnet werden. Dies kann gerade auch für mittelständische Unternehmen wichtig sein, da die Beschaffung von Kapital für sie nicht immer einfach beziehungsweise teuer ist. Aus Sicht der Geldgeber sinkt zudem das Risiko, da die IT variabel dem Geschäftserfolg sowohl positiv als auch negativ folgen kann und der IT-Betrieb aus Rechenzentren vertraglich abgesichert professionell erbracht wird. HP schätzt, dass Unternehmen mit Utility Ser-vices absolute Kosteneinsparungen zwischen 20 und 40 % erzielen können.
Utility Computing mehr als SaaS
Die Diskussion um verbrauchsabhängiges IT-Out-sourcing kreist derzeit recht ein-seitig um eine spezifische SaaS-Form: Das Anwender-Unternehmen bezieht eine vorkonfigurierte Applikation über das Internet und entrichtet dafür nutzungsabhängige Entgelte. SaaS ist aber nur eine Variante eines Bezugsmodells, das weit darüber hinausgeht. Erweitert man derart den Horizont, lässt sich insbesondere der häufig geäußerte Vorwurf der mangelhaften Anpassbarkeit von Utility-Lösungen entkräften.
Eine weitere Utility-Variante ist beispielsweise das Hosting einer SAP-Anwendung auf der Basis eines verbrauchsabhängigen Preis- und Liefermodells wie im Falle Chemetall. HP ist hierbei für Betrieb und Management der Hardware, Netzwerke, Betriebssysteme und Datenbanken verantwortlich. Die Weiterentwicklung der SAP-Applikation leistet Chemetall weiterhin selbst. Das Anpassen der Anwendung an die individuellen betrieblichen Anforderungen und Geschäftsprozesse ist somit wie beim Inhouse-Infrastrukturbetrieb jederzeit möglich.
Die der Applikation zugrundeliegenden Basis-Betriebsdienste sind in diesem Modell hochgradig standardisiert. Dies gilt analog für andere Utility Services, etwa Serverleistung, Speicherkapazität, Messaging usw. Die Standardisierung verhindert nicht Individualität, sondern ermöglicht sie. Die Services sind verfügbar in verschiedenen standardisierten Aus-prägungen hinsichtlich Leistungsmerkmalen, Preis- und Service-Gütestufen. Dem Anwender-Unternehmen steht somit ein Katalog von IT-Services zur Verfügung, die er beliebig kombinieren, skalieren und einzeln abbestellen kann. Wird temporär zusätzlicher Speicher- und Server-Kapazität benötigt, etwa für ein Testsystem? Dann ordert der Kunde diese und bestellt sie nach Gebrauch wieder ab. Brauchen 20 neue Mitarbeiter E-Mail? Sie werden zum Stückpreis pro Monat eingekauft. Reicht die garantierte Server-Verfügbarkeit von 99 % nicht mehr aus? Dann bestellt der Anwender einen SLA-Upgrade auf 99,5 % und bezahlt dafür den definierten Preis.
Der Service Provider wieder-um kann durch die Standardisierung die Bestell-, Bereitstellungs- und Betriebsprozesse zu einem hohen Grad automatisieren und erzielt dabei Kostenvorteile, die er an seine Kunden weitergibt. Die „Stückkosten" sinken durch den Skaleneffekt. Das Auslastungs-Risiko, das der Provider für seine Kunden übernimmt, wird durch das Teilen von IT-Ressourcen reduziert. Mittels Virtualisierung lassen sich die physikalischen Ressourcen flexibel neuen Benutzern zuteilen, wenn sie ein anderer nicht mehr braucht.
Nach Core und Context differenzieren
In der Praxis nutzen Unternehmen Utility Services in einer Vielzahl von Kombinationen untereinander sowie mit anderen Inhouse- und Outsourcing-Modellen. Dabei unterscheiden die Unternehmen in der Regel klar zwischen dem, was sie innerhalb der IT als ihre Kernaufgabe und was sie nicht als ihre Kernaufgabe betrachten. Ein in der Praxis häufig genutztes Konzept ist die Core/Context-Analyse, die insbesondere durch den Management-Berater Geoffrey A. Moore bekannt geworden ist. Als „Core" bzw. Kerngeschäft sind diejenigen Bereiche, Produkte oder Prozesse definiert, durch die sich ein Unternehmen nachhaltig am Markt differenziert. Alle anderen Abläufe, Bereiche und Produkte eines Unternehmens sind Context.
Die aus einer Core/Context-Analyse abgeleitete Strategie besteht vereinfacht gesagt darin, Ressourcen vom Context abzuziehen, um sie in das das Kerngeschäft zu investieren. Weil jede Differenzierung mit der Zeit von Wettbewerbern kopiert und schließlich zum Standard wird, müssen Unter-nehmen dabei ständig daran arbeiten, ihr Kerngeschäft weiter- oder neu zu entwickeln. Permanente Innovation ist ein Leitgedanke des Moore'schen Konzepts. In Bezug auf die IT lässt sich das Moore'sche Konzept auf die Formel bringen: Context-IT standardisieren und/oder auslagern, Core-IT-Kompetenzen selber entwickeln und vorhalten. Der Schnitt zwischen Core und Context kann dabei sowohl auf der vertikalen Achse (Soll ich die Infrastruktur für meine SAP-Anwendung selbst betreiben oder nicht?) als auch auf der horizontalen Achse (Welche Applikationen beziehe ich als standardisierte Utility-Lösung?) gemacht werden.
Fazit und Ausblick
Utility Services werden sich weiter stark im Markt entwickeln und in wenigen Jahren der Normalfall werden. Nur Lösungen, die einer nachhaltigen Differenzierung dienen, werden dann noch eine eigenständige Existenzberechtigung haben. Wie so oft werden dynamische und fortschrittliche Unternehmen die neuen Angebote nutzen und damit einen Wettbewerbsvorteil erzielen, womit die Nachfrage weiter zunimmt. -Utility Services sind ein weiterer Baustein zu einer vernetzten und virtualisierten Wirtschaft, in der Unternehmens sich mit allen Ressourcen auf ihr Kerngeschäft fokussieren und selbst temporäre Unternehmen unterschiedlicher Größe durch Utility Services optimal unterstützt werden können.
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