Region Darmstadt Rhein-Main- Neckar - Forschungslandschaft mit hohem Entwicklungspotential
24.12.2011 -
Region Darmstadt Rhein-Main- Neckar - Forschungslandschaft mit hohem Entwicklungspotential
In der so genannten Engineering Region Darmstadt Rhein-Main- Neckar haben Pharma und Chemie eine lange Tradition. Die Wurzeln des größten Arbeitgebers der Branche vor Ort, Merck in Darmstadt, reichen über 330 Jahre zurück. Mit mehr als 27.000 Beschäftigten, verteilt auf rund 550 Unternehmen, sind fast 9 % aller Arbeitnehmer der Region für Pharma und Chemie tätig. Eine vergleichsweise hohe Konzentration: Deutschlandweit arbeiten nur knapp 4 % aller Beschäftigten in diesem Bereich.
„Pharma und Chemie zählen zu den Branchen, die sich durch besondere Innovationsund Wirtschaftskraft auszeichnen“, sagt Dr. Uwe Vetterlein, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Darmstadt. „Mit 6,3 Mrd. € Jahresumsatz ist dieser Wirtschaftszweig daher ein wichtiges Standbein der Region.“
Innovationen aus Flüssigkristallen, Kunststoff und Farbe
Nach außen sichtbar ist die Innovations- und Wirtschaftskraft in Sachen Pharma und Chemie dank einer Vielzahl von bekannten Produkten und Technologien, die von Darmstadt aus in alle Welt gelangen. So ist Merck heute nicht mehr allein in der Medikamententwicklung erfolgreich, sondern treibt auch chemische Innovation voran. Die Flüssigkristalle (Liquid Crystals) des Darmstädter Unternehmens bringen heute viele Displays von Notebooks, Mobiltelefonen und Fernsehern flimmerfrei, brillant und energiesparend zum Leuchten. Innovative Effektpigmente verleihen Kosmetikprodukten, Textilien oder auch Autos hochwertige Farbeffekte.
Weitere Vorzeigeprodukte aus der Region sind die Plexiglasscheiben von Evonik Röhm, die von Darmstadt aus ihre Reise in die Welt antreten. Glanzpunkte setzt auch der Farbenhersteller Caparol – bekannt durch die Wandfarbe „Alpina Weiß“, der mit seinen metallischen Spezialbeschichtungen zum Beispiel die Münchner Allianz-Arena strahlen lässt. Und in Erbach, mitten im Odenwald, entwickelt Koziol aus Kunststoffen formschöne und funktionale Designstücke sowie Wohnelemente für die professionelle Raumgestaltung. Der Firmengründer Bernhard Koziol machte bereits in den 50er-Jahren mit seinen Traumkugeln aus Kunststoff von sich reden.
Unter die 22 größten Chemie- und Pharmaunternehmen in der Region reihen sich, neben bereits genannten, auch Namen wie Akzo Nobel Powder Coatings, Burnus, Ciba Spezialitätenchemie Lampertheim, Procter & Gamble Manufacturing oder Resopal; Letztere bietet mit den gleichnamigen Kunststoffplatten unverwüstliche Beschichtungen für Schränke, Böden oder auch Tischtennisplatten an. Auch der Kosmetikhersteller Wella ist in der Region in Sachen Haar- und Schönheitspflege gut aufgestellt.
Spitzenforschung als Quelle der Inspiration
„Ein Erfolgsmotor in der Engineering Region Darmstadt Rhein-Main-Neckar ist die vielfältige Forschungslandschaft, die in enger Zusammenarbeit mit Unternehmen neue Entwicklungspotentiale erschließt“, betont Vetterlein. „Hier vor Ort sind mit der Technischen Universität Darmstadt (TUD) und der Hochschule Darmstadt zwei exzellente akademische Partner vertreten, die neben angewandter Forschung auch für den nötigen Fachkräftenachwuchs sorgen. Darüber hinaus arbeitet ein dichtes Netz aus privaten und staatlichen Forschungsinstituten an den Technologien und Produkten von morgen.“
Hierzu zählt das Deutsche Kunststoffinstitut (DKI) Darmstadt, das Kompetenzen in Analytik, Chemie, Physik und Technologie bündelt und so interdisziplinär anwendungsrelevante Fragestellungen rund um den Kunststoff bearbeitet. Als Partner der Industrie ist das DKI auch mit einem vielfältigen Dienstleistungsangebot präsent. Die Gesellschaft für Schwerionenforschung (GSI) hat ihren Sitz ebenfalls in Darmstadt und betreibt dort einen weltweit einmaligen Beschleuniger für Ionenstrahlen. Mit dieser Anlage haben die Wissenschaftler des GSI immer wieder neue, faszinierende Erkenntnisse in der Grundlagenforschung gewonnen und eindrucksvolle Anwendungen entwickelt. Darunter fallen beispielsweise die Entdeckung von mehreren neuen chemischen Elementen – wie dem Element 110 Darmstadtium – und eine neuartige Tumortherapie.
Zudem verfügt die Region nicht nur beim Kunststoff über ausgezeichnete Materialkompetenz. Zusammengeschlossen im Materialforschungsverbund Rhein-Main bündeln verschiedene Fachbereiche der TUD von Chemie bis Maschinenbau, die Staatliche Materialprüfanstalt, das DKI, das Kompetenznetz für Optische Technologien (Optence) und das Fraunhofer Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit ihr Know-how in Materialwissenschaft und Werkstoffkunde.
Präsenz in Zukunftstechnologien
Dass Technologietransfer aktiv gelebt wird, belegt eine Reihe von Start-ups, die sich als Ableger von Unternehmen oder Hochschulen erfolgreich am Markt etabliert haben. Viele von ihnen haben sich den Zukunftstechnologien Nano- und Biotechnologie verschrieben. Die N-Zyme Biotec aus Darmstadt erforscht und entwickelt etwa Enzyme und enzymgesteuerte – fermentative – Verfahren speziell für den Einsatz in der Lebensmittelindustrie.
Bei Brain aus Zwingenberg dreht sich ebenfalls alles um Enzyme oder Biokatalysatoren. Das Biotechnologie-Unternehmen hat eine neuartige Technologie entwickelt, mit der sich bislang unzugängliche Enzyme aus nicht kultivierbaren Mikroorganismen aufspüren lassen. Brain liest die Erbinformationen von ganzen Bakterienlebensräumen, etwa einer Bodenprobe, aus und speichert die gewonnenen Daten in Gen-Bibliotheken, die für Kunden nach geeigneten Enzymkandidaten durchsucht werden können.
Die Darmstädter Cytotools, auch eine Ausgründung der TUD, treibt über drei Tochterfirmen Forschung und Entwicklung in den Therapiefeldern Wundheilung, Herz- Kreislauf- und Harnwegserkrankungen voran. Der erste von insgesamt sieben vielversprechenden Wirkstoffen – zur nachhaltigen Heilung von chronischen und schlecht heilenden Wunden – hat dieses Jahr den Sprung in die klinische Phase geschafft. Die Cytopharma, als jüngste Cytotools Tochter im Januar 2007 gegründet, erschließt zudem den Therapiebereich chronische Entzündungskrankheiten, ein spezieller Fokus liegt hier auf der rheumatoiden Arthritis.
Gezielter Vorstoß in die Nanowelt Auch die Nanotechnologien machen sich zahlreiche Unternehmen der Region erfolgreich zu Nutze, um Materialien auf kleinster Ebene zu beeinflussen. Die Nawotec aus Rossdorf, mittlerweile ein Unternehmen von Carl Zeiss, hat dabei Mikrochips im Visier, ohne die kein Computer funktionieren, kein Handy klingeln würde. Um die komplexen Strukturen auf den kleinen Chips zu erzeugen, werden so genannte Photomasken als Vorlagen verwendet. Ein einziger Fehler auf der Maske würde enorme Reparaturkosten nach sich ziehen. Doch es ist kaum mehr möglich, die Vorlagen fehlerfrei herzustellen. Daher hat Nawotec ein Präzisionsinstrument entwickelt, das selbst nanofeine Maskenreparaturen vornehmen kann und so Qualitätssicherung ermöglicht.
Eine Innovation in Sachen Klebstoff hat Sustech aus Darmstadt in der Entwicklungspipeline. Damit lassen sich grundlegende Probleme beim Aushärten des Klebers wie lange Wartezeiten oder hoher Energieaufwand beim Trocknen vermeiden. Der Sustech Ansatz: spezielle Nanopartikel, die auf die klebende Masse auftreffende Mikrowellen absorbieren und dann sekundenschnell und gezielt die notwendige Temperatur zum Aushärten freisetzen.
„Mit derartigen, guten Ideen sorgen in unserer Region kluge Köpfe aus Wirtschaft und Wissenschaft immer wieder für Wachstumsimpulse“, freut sich Vetterlein. „Im letzten Jahr konnten wir im Bereich Pharma und Chemie daher auch 45 Unternehmensneuzugänge verzeichnen.“