Chemie & Life Sciences

Zukunftstrend Mikroverkapselung

Die kleinen Kapseln kommen in immer mehr Anwendungen zum Einsatz

07.10.2019 -

Ob in der Chemie und Pharmazie, in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie, im Bereich Haushalt und Körperpflege oder in der Agrarwirtschaft und im Baugewerbe – das Verpacken von unterschiedlichen Stoffen in Mikrokapseln ist für immer mehr Branchen und Einsatzbereiche die optimale Methode, um Wirkstoffe gezielt freizusetzen, Inhalte zu schützen und Produkten somit einen Mehrwert zu verleihen. Verkapselbare Materialien können z. B. Duftöle, Latentwärmespeicher, Schmiermittel, Katalysatoren, Pigmente oder Biozide sein. Mikrokapseln machen ein Produkt durch den gewonnenen Zusatznutzen jedoch nicht nur attraktiver, sondern sie können auch dazu beitragen, dass Unternehmen Kosten sparen und Umwelteinflüsse minimiert werden.

Mikroverkapselung ist ein Verfahren, das vielfältige technologische Mehrwerte bietet. Klassisch werden flüssige Stoffe durch Einhüllen zu einem festen Weiterverarbeitungsprodukt, das im Anschluss sicher transportiert und ressourcenschonend eingesetzt werden kann. Dabei können Mikrokapseln viele verschiedene Funktionen erfüllen, wie z. B.:

  • Freisetzung von Wirkstoffen am gewünschten Ort zur gewünschten Zeit
  • Kontinuierliche und verzögerte Freisetzung von Wirkstoffen
  • Verkapselung reaktiver Stoffe, um zweikomponentige Systeme in einkomponentige Formulierungen zu überführen
  • Leistungssteigerung von Additiven
  • Performanceverbesserung durch gezielteren Wirkstoffeinsatz
  • Schutz vor Umwelteinflüssen (z. B. vor der Oxidation durch Luft­sauerstoff)
  • Erreichung neuer Funktionalitäten
  • Umgehen oder Lösen von Roh­stoffunverträglichkeiten in Produktformulierungen
  • Ressourcensparender Einsatz kostenintensiver Rohstoffe


Dabei gibt es jedoch nicht die eine Mikrokapsel, die jede Aufgabe erledigen kann. Das Mikrokapselsystem wird stets an die jeweiligen Anforderungen der unterschiedlichen Funktionen und Anwendungsbereiche angepasst. Übliche Modifikationen an bestehenden Systemen sind Änderungen am Kapseldurchmesser, an der Wanddicke, am Vernetzungsgrad der Kapselwandung oder auch die Kombination unterschiedlicher Wandmaterialien (s. Grafik 1).

„Das Mikrokapselsystem wird stets
an die jeweiligen Anforderungen
der unterschiedlichen Funktionen und
Anwendungsbereiche angepasst.“

 

Die Freisetzungsmechanismen
Die unterschiedlichen Modifika­tionsmöglichkeiten erlauben es, den Freigabeprozess der Kapseln sehr genau zu steuern. Abhängig vom Einsatzgebiet geben Mikrokapseln ihren Inhalt vollständig ab, sobald ihre Hülle mechanisch geöffnet wird; konstant über einen definierten Zeitraum, in dem der Wirkstoff langsam diffundiert, oder punktgenau bei bestimmten Temperaturen. Selbst eine dauerhafte Verkapselung ist möglich. Ob ­Permanenz, Stabilität oder exakt definierte Freisetzungsmechanismen – für jeden Bedarf lassen sich maßgeschneiderte Lösungen entwickeln (s. Grafik 2) .

Anwendungsbeispiele
Mikroverkapselungen kommen mittlerweile in immer mehr Branchen und Produkten zum Einsatz und optimieren unbemerkt den Alltag von Verbrauchern. Wie selbstverständlich gehen Konsumenten davon aus, dass Wäsche auch noch nach vielen Wochen im Schrank einen angenehmen Duft aufweist. Das dies eng im Zusammenhang mit der Mikrokapseltechnologie steht, ist dabei jedoch kaum jemandem bewusst. Dies ist nur ein Beispiel von vielen, das zeigt, dass Verbrauchern im täglichen Leben die mikroskopisch kleine Welt der Mikrokapsel immer wieder begegnet. Die Technologie entwickelt ihr Anwendungspotenzial jedoch noch in vielen anderen Bereichen.
Die Agrarindustrie bspw. arbeitet mit verkapselten Pflanzenschutzmitteln, um deren Wirkung zu optimieren und das Handling für den Anwender komfortabler zu gestalten. Flüchtige Stoffe können mit weniger Verlust auf die Felder aufgebracht werden, wodurch die Umgebung weniger durch Pflanzenschutzmittel belastet wird.

Verkapselte Bioziode schützen Häuserfassaden langfristig vor Grünbewuchs, indem Biozide durch die Mikrokapsel vor dem Auswaschen durch Regen geschützt werden. Der Wirkstoff wird nur verzögert freigesetzt, sodass immer eine ausreichende Konzentration des Wirkstoffs frei vorliegt und seine biozide Wirkung entfalten kann.

Werbebotschaften können mit Düften versehen werden, die erst nach Berührung freigesetzt werden und so den Absatz des beworbenen Produkts nachweislich fördern. Bei Körperpflegeprodukten bietet sich z. B. eine Beduftung von Etiketten an. Der Vorteil: Am POS müssen Duschgelflaschen oder Deodorants nicht mehr geöffnet werden, um zu erfahren, wie das Produkt riecht. Ein kurzes Reiben des Etiketts reicht vollkommen aus. Als zusätzlicher Effekt wird eine ungewollte Kontamination des Produkts beim Öffnen am POS vermieden.
Bei der Verkapselung von Schmiermitteln in Gleitlacken sind durch die bedarfsgerechte Freisetzung der Schmiermittel sowohl Materialeinsparungen als auch verlängerte Wartungsintervalle möglich. Dabei bleibt aufgrund der geringen Menge an freigesetztem Wirkstoff die zu behandelnde Oberfläche weiterhin grifftrocken.

Verkapselte Latentwärmespeicher generieren Kühleffekte auf Matratzen, indem die Wärme des Körpers verwendet wird, um mikroverkapselte Wachse aufzuschmelzen. Aber auch im Konstruktionsbereich ist der Einsatz dieser Latentwärmespeicher sinnvoll, um Baumaterial einzusparen ohne auf die Isolationsfunktion verzichten zu müssen.
Ein weiteres Anwendungsbeispiel sind Beschichtungen, die mit Selbstheilungstechnologien auf Basis von Mikrokapseln funktionalisiert werden. Sollten Mikrorisse in solchen Beschichtungen auftreten, werden diese die enthaltenen Mikrokapseln zerstören, die dann ihren Inhalt freigeben. Entweder werden Wirkstoffe freigesetzt, die anschließend vernetzen oder aber ein Lösungsmittel löst die umgebene Beschichtung an, macht sie in nächster Umgebung fließfähig und lässt so den Mikroriss heilen. Alternativ wird lediglich ein Korrosionsschutzmittel freigesetzt. In jedem dieser Fälle wird das beschichtete Substrat langfristig geschützt.

Thermochrome Farbstoffe werden in Gelschreibern eingesetzt, um die Schrift radierbar zu gestalten. Dabei wird durch den Radiergummi lediglich Wärme erzeugt, die die Farbe verschwinden lässt. Der Effekt ist reversibel und kann durch Lagerung im Gefrierschrank umgekehrt werden. Die Schrift wird also wieder sichtbar.
Auch in der Pharmazie kommen Mikrokapseln zum Einsatz. So können bspw. Medikamente durch die Verkapselung mit pH-sensitiven Wandmaterialien vor der Freisetzung in der Magensäure geschützt werden und geben ihren Inhalt erst im basischen Milieu des Darms frei. Dadurch ist eine gezieltere Medikation möglich.

Diese unterschiedlichen Anwendungsbeispiele zeigen, wie vielfältig die Mikroverkapselungstechnologie eingesetzt werden und welch enormen Effekte die kleinen Kapseln produzieren können.

Nachhaltigkeit im Fokus
Weit verbreitete Mikrokapseltechnologien basieren heute größtenteils noch auf Aminoplasten, Acrylaten, Polyurethanen oder Polyharnstoffen und sind daher als Mikroplastik zu bewerten. Als Unternehmen, das Nachhaltigkeit als Verpflichtung gegenüber jetzigen und künftigen Generationen versteht, verschiebt sich auch der Fokus bei Follmann zum Schutz der Umwelt nun auf die Nutzung mikroplastikfreier Alternativen. Diese Mikrokapseln können entweder biologisch abbaubar sein oder verwenden anorganische Wandmaterialien.

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