Chemie & Life Sciences

Schutz vor gefälschten Medikamenten

Erkennungssoftware sorgt für Detektion von Produktfälschungen über die gesamte Distributionskette

20.05.2016 -

Laut Schätzungen sterben täglich etwa 2.000 Menschen durch die Einnahme von gefälschten Arzneimitteln. 2019 tritt daher eine EU-Richtlinie in Kraft, die eine Sicherheitskennzeichnung für verschreibungspflichtige Medikamente verbindlich macht und so das Risiko für Kunden reduzieren soll. Um Produktpiraterie wirksam zu unterbinden, müssen die gefälschten Produkte jedoch nicht nur eindeutig erkennbar sein; Pharmahersteller sollten auch wissen, wo die Plagiate in ihre Vertriebskette gelangen und wo Graumarktverschiebungen stattfinden.

Interpol  beschlagnahmte 2015 im Rahmen der Operation Pangea eine Rekordzahl von 20,7 Mio. gefälschten Medikamenten mit einem geschätzten Wert von 81 Mio. USD. Gefälschte Medikamente stellen neben dem enormen Gesundheitsrisiko für die Konsumenten auch ein großes wirtschaftliches Problem für die Pharmabranche dar. Sie schaden der Reputation der Industrie und können zu Umsatz- und Kundenverlusten führen, indem der Endverbraucher das Vertrauen in das Medikament oder den Hersteller verliert und das Medikament durch ein anderes ersetzt.

Seit Februar 2016 gibt im Hinblick auf den Konsumentenschutz nun auch eine EU-Verordnung zur Fälschungsschutzrichtlinie von 2011 verbindlich vor, welche Sicherheitskennzeichnungen verschreibungspflichtige Medikamente zukünftig tragen sollen. Da alle Pharmahersteller diese Anforderungen bis 2019 erfüllen müssen und auch in den USA sowie Asien ähnliche Vorschriften in Umsetzung bzw. in Planung sind, gewinnen fälschungssichere Kennzeichnungsverfahren im Pharmasektor weltweit immer mehr an Bedeutung.

Neuartiges Mustererkennungsverfahren

Das Schweizer Sicherheitsunternehmen U-Nica hat daher ein neuartiges Verfahren entwickelt, das über die gesamte Lieferkette hinweg eine kontinuierliche Authentifizierung von Produkten und somit einen flächendeckenden Fälschungsschutz erlaubt. Basis der Technologie „Scrypto Trace“ ist ein mehrfach patentiertes digitales Mustererkennungsverfahren, das bestimmte, für das Auge nicht wahrnehmbare Sicherheitscodierungen auf einem Etikett oder einer Verpackung zuverlässig erfasst. Die nötige Software lässt sich auf mobilen Geräten wie Smartphones oder Tablets installieren und über eine App komfortabel bedienen. Zudem können die Hersteller auch den Kunden ermöglichen, die Echtheit ihres Medikaments mittels dieser App überall und jederzeit am Verkaufspunkt selbst zu überprüfen.

Kontrolle über die gesamte Lieferkette

Um erfolgreich gegen die Fälschungsindustrie vorzugehen, ist es allerdings nicht ausreichend, Plagiate eindeutig identifizieren zu können. Die Pharmahersteller sollten auch darüber Bescheid wissen, wo genau die Fälschungen in ihre Distributionskette gelangen bzw. wo sie im Markt auftauchen und wie die Waren verschoben werden. Die  neuartige Sicherheitslösung erfüllt nicht nur die Vorgaben der Verordnung, sondern kann im Gegensatz zu alternativen Technologien auch einen flächendeckenden und wirkungsvollen Fälschungsschutz gewährleisten. Die Voraussetzung dafür bilden dynamische Markierungen, die in die Medikamentenverpackungen eingebracht werden. Die Codierungen werden auf dem Scrypto-Trace-Server vom Pharmahersteller selbst generiert, verwaltet und je nach Bedarf dynamisch und flexibel eingesetzt. Für die Generierung von Codierungen wird lediglich das Original-Printlayout benötigt. Das Layout sowie die Druckprozesse bleiben unverändert, ohne dass zahlreiche Drucker, die teils selbst eine Sicherheitslücke in bestimmten Ländern darstellen, zum Einsatz kommen müssen. Die softwarebasierte Sicherheitslösung kann im Gegensatz zu physischen Sicherheitslösungen sehr gut global skaliert werden und die Ausgaben für herkömmliche Sicherheitsaufwendungen eines Herstellers drastisch reduzieren.

Handelsübliche Mobiltelefone als Basis

Eine Aufnahme des codierten Aufdrucks reicht und die App eruiert innerhalb von Sekunden, ob das Produkt echt oder gefälscht ist und übermittelt das Resultat zusammen mit wichtigen Informationen wie Datum, Zeit, Ort und Nutzer über das Mobilfunknetz an die Unternehmenszentrale. Durch den automatischen Abgleich mit dem zugehörigen Server, auf dem alle Informationen gespeichert werden, können die Unternehmen ihre Lieferkette und die Wirksamkeit ihrer Markenschutzmaßnahmen genau analysieren, punktgenau optimieren und die Ressourcen zielgerichtet einsetzen. Die Codierung kann bei jeder Druckcharge nach beliebigen Kriterien wie Gültigkeitszeitraum oder Absatzkanal leicht verändert werden. Diese wirkungsvolle Methode erhöht die Zuverlässigkeit der Erkennung von Fälschungen und Graumarktbewegungen und liefert zusätzlich differenzierte Auskünfte über den Distributionsablauf und das Kundenverhalten.

Die Technologie ist global einsetzbar und sehr bedienerfreundlich. Ein entscheidender Vorteil ist, dass Mitarbeiter, Inspektoren, Zoll, Polizei oder andere Partner entlang der nationalen oder globalen Distributionskette in der Lage sind, die Stichproben benutzergeführt und ohne Schulung oder teure Lesegeräte zu prüfen.

Das Verfahren verlangt praktisch keine Investition oder Veränderung der Geschäftsprozesse und lässt sich ohne lange Vorlaufzeiten einführen und skalieren. Davon profitieren vor allem internationale Unternehmen mit komplexen Organisationsstrukturen und Produkten mit hohem Gefährdungspotenzial.

Endverbraucher machen mit

Das Verfahren eröffnet den Herstellern zusätzlich die Möglichkeit, mit den Endverbrauchern zu interagieren und Vertrauen aufzubauen. Durch die App können die Hersteller jedem Smartphone- oder Tablet-Nutzer ermöglichen, die Authentizität eines Produkts am Verkaufspunkt zu überprüfen. Das schafft Vertrauen in das Markenversprechen und eine stärkere Kundenbindung.

System für verschiedenste Branchen

Die Sicherheitslösung eignet sich neben dem Bereich Pharma-Security auch für jede andere Branche, wie bspw. die Kosmetik- oder Lebensmittelindustrie. So ist der Sicherheitslösungsanbieter in diesen Branchen tätig, um den Produktschutz voranzubringen. So gibt es u.a. eine Vertriebskooperation mit dem international tätigen Pharmazie-Wirkstoffhändler Fischer Chemicals, der diese Lösung seinen Kunden ebenfalls anbietet. Das Verfahren lässt sich darüber hinaus in vielen weiteren Branchen, etwa der Ersatzteile- oder Elektronikindustrie, nutzen, um Fälschungen zu identifizieren und die Distributionskette zu kontrollieren.

Weitere Neuheit in der Markteinführung

Eine weitere digitale Sicherheitslösung soll Ende des Jahres auf den Markt gebracht werden: Scrypto Trace als Fingerprint-Lösung. Mit einem führenden Hersteller für chirurgisches Equipment wurde das System im Rahmen eines national geförderten Technologieprojektes auf den Originalteilen erprobt. Die Lösung, welche im Gegensatz zu eingebrachten Codierungen die bestehenden Zufallsmuster von Materialoberflächen zuverlässig detektiert, erkennt unbenutzte Originalprodukte und Verbrauchsmaterialien in Echtzeit. So hilft die Fingerprint-Lösung sicherzustellen, dass nur originalverpacktes und damit steriles chirurgisches Besteck zum Einsatz kommt. Die Technologie kann auch dahingehend benutzt werden, dass Geräte nur dann funktionieren, wenn auch Originalverbrauchsmaterialien eingesetzt werden, was wiederum ganz andere Anwendungsmöglichkeiten eröffnet.