Chemikalienmanagement proaktiv angehen
Ein fünfstufiges Modell kann helfen, die vielfältigen Herausforderungen zu beherrschen
Das Management von Chemikalien gewinnt aus vielen Gründen an Bedeutung. Es gilt, die nationale und internationale Gesetzgebung zu berücksichtigen, die Sicherheit am Arbeitsplatz zu garantieren und nicht zuletzt auf die gestiegene Sensibilität der Verbraucher zu reagieren. Ein sinnvolles Managementsystem für Chemikalien kann nur auf Basis eines systematischen Ansatzes funktionieren, der den gesamten Zyklus von der Beschaffung über die Lagerung und die Verwendung bis hin zur Entsorgung im Blick hat.
In den vergangenen Dekaden haben die meisten Industrieländer die Notwendigkeit erkannt, den Umgang mit potenziell gefährlichen Stoffen zu regeln und die Kontrolle zu intensivieren. Die Verwendung vieler Materialien wurde reglementiert, sei es durch Gesetze, Empfehlungen öffentlicher Institutionen, NGOs (Non-Governmental Organizations) oder die Selbstverpflichtung von Brands. Dabei ist der Grad der Reglementierung höchst unterschiedlich: Manche Stoffe sind verboten, andere dürfen in ihrer Konzentration einen bestimmten Grenzwert nicht überschreiten, während bei einigen lediglich eine Meldepflicht besteht.
Die Hersteller stehen in der Pflicht, ein Qualitätssicherungs- und Chemikalienmanagement zu etablieren, das die komplexe regulatorische Landschaft berücksichtigt und die Konformität für jedes Land, in dem sie ihre Produkte produzieren oder vermarkten, sicherzustellen. Über die gesetzlichen Regelungen hinaus fordert der Verbraucher, getrieben durch entsprechende Organisationen und eine kritische mediale Berichterstattung, eine „grüne“ oder „nachhaltige“ Chemie. Unternehmen, die diesen Anforderungen nicht oder ungenügend nachkommen, müssen mit beträchtlichen Folgen für ihre Reputation und folglich für ihre Umsätze rechnen. Gefordert ist ein umfassendes Supply-Chain- und Risikomanagement, das die gesamte Liefer- und Produktionskette im Blick hat.
Komplexe Aufgaben
Die definierten Ziele müssen
über alle Ebenen der Lieferkette
hinweg kommuniziert werden.
Die Aufgaben sind vielfältig – von der Identifizierung risikoreicher Materialien über Testprogramme für Rohstoffe und Fertigprodukte, das Bestandsmanagement und die Abwasserbewertung bis hin zu Mitarbeiter- und Lieferantenschulungen. Dabei geht es nicht nur um die Sicherung des Status Quo, sondern auch darum, Verbesserungen der Produkte etwa durch Substitution von bedenklichen Stoffen, die Auswahl geeigneter Lieferanten und Lösungen zur Bewertung der Produktqualität unter wirtschaftlichen Aspekten aktiv voranzutreiben.
Die Anforderungen sind hochkomplex und erfordern nicht nur ein breitgefächertes Know-how, sondern auch die Energie, das Thema umfassend anzugehen und entsprechende grundlegende Prinzipien zu etablieren. Auch der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt, und der liegt in der langfristigen Planung der Strategie. Dazu ist eine proaktive Haltung notwendig und die Bereitschaft, in die Zukunft des Unternehmens durch die Implementierung nachhaltiger Prozesse zu investieren. Die definierten Ziele müssen über alle Ebenen der Lieferkette hinweg kommuniziert werden. Es ist klar, dass die Etablierung einer derart umfassenden Strategie nicht ad-hoc erfolgen kann. Deshalb ist es ratsam, zunächst mit den unternehmenskritischen Bereichen zu beginnen bzw. mit denen, die einen hohen Risikofaktor aufweisen. Und schließlich ist es notwendig, alle Partner an Bord zu haben. Die Entwicklung einer Stichprobenstrategie zur Überprüfung der Konformität mit den eigenen Grundsätzen hilft dabei im Hinblick auf die Planung und das Budget.
Fünfstufiges Modell
Auf Basis der langjährigen Erfahrung mit der Implementierung von Managementsystemen in der chemischen Industrie sowie der Kenntnis der internationalen Normen- und Gesetzgebungslandschaft hat UL ein fünfstufiges Modell für die Etablierung sinn- und wirkungsvoller Prozesse entwickelt.
Das beginnt zunächst mit der Aufstellung eines umfassenden Aktionsplanes, der erstens langfristig angelegt sein sollte und zweitens die jeweils letzten Gesetze und Standards in allen Ländern berücksichtigen muss, in denen das Unternehmen tätig ist. Ohne die Kommunikation an alle Beteiligten bleibt dies jedoch eine leere Hülle. Information und Training sowohl der Mitarbeiter als auch der Lieferanten ist deshalb unerlässlich.
Schritt zwei liegt in der Schaffung von Transparenz. Es ist notwendig zu erkennen, in welchen Bereichen der Lieferkette Notwendigkeit und Nachholbedarf besteht. Hier helfen Audits, die bestehenden Prozesse der Produktion und Qualitätskontrolle untersuchen. Ein Umwelt-Audit erfasst dabei bspw. Fragestellungen wie das Management von Luft, Wasser, Energie oder Treibhausgasen, das Management von Abwässern, die Behandlung von gefährlichen Abfällen, mögliche Kontaminationen von Boden oder Wasser, die Planung von Notfallmaßnahmen usw. Die gewonnenen Erkenntnisse werden benötigt, um eine Roadmap von der Erfüllung der Basis-Compliance hin zu einer langfristig erfolgreichen Performance zu entwickeln.
Kern aller Prozesse
bildet das Managementsystem
für den Umgang mit chemischen Erzeugnissen.
Kern aller Prozesse bildet das Managementsystem für den Umgang mit chemischen Erzeugnissen. Dabei handelt es sich um einen systematischen Ansatz für die Beschaffung, die Lagerung, die Nutzung sowie das Recycling aller Chemikalien einer Organisation oder Fabrik. Das beginnt bei der Aufstellung einer Liste aller verwendeten Substanzen, führt über deren Bestandsführung und schließt ein Testprogramm ein, das die gesamte Lieferkette überprüft. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass es oftmals erforderlich ist, ausgebildete Fachkräfte vor Ort verfügbar zu haben. Die Aufstellung einer Restricted-Substance-List (RSL) ist die Grundlage für die Prüfung der Konformität aller Lieferanten. Eine weitere Voraussetzung bilden die Lagerbestandslisten in den Fertigungsstätten. Und schließlich müssen sowohl Rohstoffe als auch Fertigprodukte über die gesamte Liefer- und Produktionskette hinweg auf ihre Compliance geprüft werden. Die weitgehende Standardisierung von sowohl der Rohmaterialien, der Prüfprozesse sowie der Auswahlkriterien von Lieferanten ist für eine wirtschaftliche Implementierung des Managementsystems unerlässlich.
Keine Garantie – Testen und Prüfen
Auch wenn die notwendigen Prozesse etabliert sind, so bilden sie noch keine Garantie dafür, dass sie von allen beteiligten Partnern auch eingehalten werden. Ohne kontinuierliches Testen und Prüfen ist ein Chemical-Management-System zunächst nur ein Statement. Die Analyse von Abwässern benötigt bspw. spezifisches Know-how, Erfahrung sowie das entsprechende Equipment. Das beginnt schon bei der Auswahl der richtigen Stichprobe, die für das Ergebnis von signifikanter Bedeutung ist, und endet bei der Bereitstellung aussagekräftiger Protokolle, die zur Demonstration der Compliance mit den gängigen Richtlinien erforderlich sind.
Dabei ist es nicht nur notwendig, die unterschiedlichsten Parameter von der Temperatur über die Farbe bis zu enthaltenen anorganischen oder organischen Stoffen zu prüfen, sondern auch das Management der Abwässer, das zu möglichen Risiken führen kann.
Alles in allem dienen die Aufstellung von Plänen, die Durchführung von entsprechenden Audits, die Etablierung geeigneter Managementsysteme sowie das Testen der Ergebnisse lediglich einem Ziel: der Optimierung des gesamten Prozesses. Dazu sollten die gewonnenen Erkenntnisse auf Basis eines zentralisierten Informationsmanagements genutzt werden, um Transparenz zu gewinnen und erforderliche Maßnahmen für die Korrektur fehlerhafter Prozesse und die Prävention zu treffen. Das reduziert die Entstehung von Risiko-Ereignissen in der Zukunft.
Optimierung des Gesamtprozesses
Vor dem Hintergrund einer zunehmend restriktiven Gesetzgebung, der wachsenden Bedeutung des kritischen Verbrauchers und nicht zuletzt der eingeschränkten Ressourcen tun Unternehmen gut daran, erstens eigene Ziele für die Nachhaltigkeit der Produkte zu definieren und zweitens die erforderlichen Prozesse im Unternehmen im Einklang mit den Richtlinien, Gesetzen und Normen zu etablieren.
Mittelfristig ist dies eine Aufgabe, die nicht nur für die Sicherstellung der gegenwärtigen Geschäftsgrundlage notwendig ist, sondern auch dazu dient, sich im zunehmenden Wettbewerb zu differenzieren. In der Praxis liegt die Crux oftmals darin, dass Unternehmen das eigene Know-how bezüglich der internationalen Gesetzgebung, der unterschiedlichsten Anforderungen von unzähligen Labels oder ganz einfach das entsprechende Personal für die Überprüfung der Einhaltung der Standards durch weltweit verteilte Zulieferer fehlt. Die Realisierung eines zukunftssicheren Managementsystems für chemische Rohstoffe unterscheidet sich in dieser Hinsicht nicht von anderen Unternehmensfunktionen, die nicht zur Kernkompetenz des Geschäfts gehören, wie etwa die IT. In vielen Fällen ist deshalb der Rückgriff auf die Expertise kompetenter Partner eine deutlich bessere Alternative als der Versuch, der Herausforderung mit Bordmitteln Herr zu werden.
Zur Person
Ingo M. Rübenach ist Vice President Central, East and South Europe Region bei UL, einem weltweit tätigen Unternehmen für Produktsicherheit und Zertifizierung. Der Diplom-Ökonom verfügt über mehr als 15 Jahre Vertriebs- und Managementerfahrung in Business-to-Business-Organisationen des Technologie- und Finanzsektors und arbeitet als Mitglied des internationalen Management-Teams von UL mit allen Geschäftsbereichen zusammen, um Wachstumsstrategien zu entwickeln und die regionale Umsetzung zu unterstützen.
Kontakt
UL International Germany GmbH
Admiral-Rosendahl-Strasse 9
63263 Neu-Isenburg (Zeppelinheim)
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