Mit optimaler Boxenstopp-Strategie zum Sieg
Planung und Umsetzung von GMP-Upgrades bei laufender Produktion
Umbauten und GMP-Upgrades von Pharma- und Biotechanlagen während laufender Produktion benötigen besondere Aufmerksamkeit hinsichtlich technischer, organisatorischer und GMP-relevanter Aspekte. Dies gilt insbesondere für länder- bzw. kontinenteübergreifende Kunden und Abwicklungsmodelle. Der Vergleich mit einem Boxenstopp in der Formel Eins ist daher gar nicht weit hergeholt.
In der Regel sind Umbauten sowie Erweiterungen mit wesentlich stärkeren Eingriffen in bestehende Produktionssysteme verbunden als Neubauten. Auf Basis solider Analysen müssen die vorhandenen Strukturen und Abläufe untersucht und über mehrere Iterationsstufen die optimale Lösung gefunden werden. Ziele sind nicht nur zukunftsweisende Konzepte für den Umbaubereich, sondern oftmals parallele Optimierungen des Bestandes. Um die Lösung aus einer Vielzahl von möglichen Optionen auswählen zu können, muss eine projektspezifische Entscheidungsmatrix unter Einbindung aller Verantwortungsträger festgelegt werden. Diese muss insbesondere auch die Möglichkeiten von Produktionsunterbrechungen, die Wirtschaftlichkeit von Vorproduktionen und den Nutzen von Provisorien berücksichtigen. Oberstes Ziel während aller Projektphasen muss die Minimierung bzw. der Ausschluss von Risiken für Endabnehmer (Nutzer bzw. Patienten), Mitarbeiter und Investoren sein. Die Produktion hat Allzeit den Status „Gemäß Zulassung" zu erfüllen. Begleitet werden solche Entscheidungsprozesse von Risikoanalysen und den verschiedensten Prüfungen wie Design Reviews, Beurteilung der Projektdefinition (PDRI - Project Definition Rating Index), Constructability Reviews und einem „Gatekeeping" vor Eintritt in die nächste Projektphase.
Beispiele aus dem Alltag
Vergleicht man verschiedene Projekte, so sind die gravierendsten Unterschiede in der Kundenstruktur zu finden. Als Extreme sind hier die an einen Ort gebundenen Hersteller und die im Fokus dieses Artikels stehenden multinational agierenden Großkonzerne zu nennen. Beide Kundentypen agieren auf der Basis von klar umrissenen Zielen und Business Cases, sind jedoch gänzlich anders aufgestellt. Der mittelständische Hersteller treibt das Projekt oftmals aufgrund der Erfahrung und Energie einzelner Mitarbeiter an und hat gerade hier im Zweifelsfall einen Entscheidungsengpass. Die internen Know-how-Träger sind in das Tagesgeschäft eingebunden und stehen dem Projekt nicht permanent zur Verfügung. Die bestehende Produktion ist vorrangig zu betreiben.
Großkonzerne hingegen arbeiten auf Basis einer klar kanalisierten Abwicklungs- und Technologierichtlinie, vorgegeben durch eine zentrale Engineeringsparte. Es können für alle Fachgebiete hausinterne Spezialisten herangezogen werden. Oftmals kommt erschwerend hinzu, dass der eigentliche Endkunde eine Anlage auf einem anderen Kontinent betreibt. Dies verlängert Entscheidungsprozesse durch eine erhöhte Anzahl von Schnittstellen. Bei international oder sogar interkontinental besetzten Engineeringteams sind ergänzend die kulturellen Unterschiede zu berücksichtigen.
All diese Unterschiede gilt es zu achten und parallel das fixierte Projektziel eindeutig zu verfolgen. In beiden Fällen sind externe Partner gefragt, die mit ihrer Kernkompetenz in der Pharmaindustrie verwurzelt sind und über das Engineering hinaus die Probleme eines Herstellers kennen und verstehen. Hohe Flexibilität und wirtschaftliches Denken, aber auch lokale Präsenz stärken die Vernetzung mit dem Auftraggeber und die Akzeptanz beim späteren Betreiber.
Als Beispiel sei hier ein Projekt für einen global agierenden Kunden aus dem Großraum Basel, Schweiz, mit Realisierung am Produktionsstandort in China zu nennen. Hierbei wurde die Prozess- und Versorgungstechnologie im engen Verbund mit dem globalen Engineering des Kunden in Basel vorangetrieben. Die Planung für das Gebäude erfolgte durch ein Engineeringteam gemäß den lokalen Bestimmung in China.
Ein solches Projekt ist die Chance für engagierte Mitarbeiter, den Erfahrungsschatz zu vergrößern und andere Länder und Kulturen kennenzulernen. Angeleitet durch erfahrene Mitarbeiter bearbeiten verschiedene Teams die projektspezifischen Arbeitspakete und stellen den Kundenvertretern die Lösungsansätze vor.
Beseitigung von Hindernissen
Solche anspruchsvollen globalen Abwicklungsmodelle können nur mithilfe einer länderübergreifenden Dienstleistungsstruktur bewältigt werden. Auf Basis eines an allen Standorten bekannten und gelebten Abwicklungsmodells ist die Projektleitung mit den beteiligten Ingenieuren vernetzt. Die lokalen Regularien fließen durch die vor Ort in das Team integrierten Compliance-Sachverständigen und Spezialisten für das Behördenengineering in das Projekt ein.
Wenn neben dem Engineering auch projektbegleitende Vorabmaßnahmen hinsichtlich einer reibungslosen Realisierung notwendig sind, kann das nahe am Endkunden platzierte Team die Umsetzung vorantreiben. Besonders gilt dies für Beschleunigungsmaßnahmen, um die Implementierung hinsichtlich der unterbrechungsfreien Produktion im Bestand zu erreichen. Hier wird paralleles Engineering notwendig, das durch ein modulares Planungssystem mit klaren Schnittstellen unterstützt wird. Die Sprache des beauftragten externen Dienstleisters muss in diesem Fall nicht nur die Sprache des Kunden, sondern auch die des Ausführenden sein.
Hilfreich ist ein intrawebbasiertes globales „Competence Management System" und ein Ressourcemanagement, das den Austausch von Planern über die Grenzen hinaus ermöglicht. Dies unterstützt den freien Fluss von Know-how bzw. Projektinformationen und ein Schnittstellen minimierendes Agieren. Gerade bei Umbauten im Bestand sind erfahrene Mitarbeiter notwendig, die über herausragende gewerkeübergreifende Abwicklungskenntnisse verfügen. Diese Wissensträger müssen für die Planung aber auch für Reviews gefunden und integriert werden.
PIT-Stop-Strategie und Engineeringtools
Die Anatomie eines Formel-Eins-„Pit Stop" ist hinsichtlich der Abwicklung mit einem GMP-Upgrade zu vergleichen. Die Strategie beinhaltet eine genaue Analyse und Planung aller Vorgänge, einen minimalen Stopp mit schnellstmöglicher Wiederinbetriebnahme. Um sofort wieder im Rennen zu sein, ist Teamwork notwendig. Zum Wissen über die Anzahl und die Auswirkungen von Produktionsstillständen gehört auch die Abwägung der notwendigen Requalifizierungsschritte. Hier gilt es, eine Balance zwischen kurzen Stillständen und einer Häufung sich wiederholender Tätigkeiten zu finden.
Generell kann man sagen: Wenn das Rennen geplant wird, ist nicht nur die Möglichkeit, schneller als Wettbewerber Boxenstopps durchführen zu können, entscheidend für den Gewinn des Rennens, sondern auch das Wissen, wie viele Boxenstopps den Sieg sicherstellen.
Strukturiertes Arbeiten basiert auf freigegebenen User Requirements, eingefrorenen Planungsdaten sowie einem klar abgestimmten Zeitplan und Personalkontinuität. Um Unerwartetes managen zu können, werden Pfadfinder benötigt, die proaktiv das Projekt steuern und Hemmnisse vor dem Wirksamwerden erkennen und beseitigen. Sie definieren mit allen Beteiligten die Abwicklung, Arbeitspakete und Verantwortlichkeiten. Nur so ist es möglich, das besonders bei Umbauten im Bestand zu erwartende Unvorhergesehene zu bewältigen.
Das oben beschriebene Ressourcemanagement kann aus einem Pool hoch motivierter und international erfahrener Mitarbeiter schöpfen. Die Siegchancen sind somit hoch. Nach dem Motto „Global reach - local knowledge" werden so internationale Projekte kundennah erfolgreich abgewickelt.