Bioökonomie-Start-ups: Vom hässlichen Entlein zum begehrten Schwan?
Erfahrungen aus neun Jahren Gründerwettbewerb PlanB
Belächelt wird niemand gerne. Als 2014 erstmals der Gründerwettbewerb PlanB Biobasiert.Business.Bayern. durchgeführt wurde, passierte jedoch genau dies: Ein Wettbewerb, um die seltene Spezies Bioökonomie-Start-up zu finden, zu inspirieren und zu fördern – dieser Ansatz wurde oft als Nischenthema abgetan. Heute, fast neun Jahre nach den ersten Konzeptüberlegungen, haben sich die Vorzeichen komplett geändert.
Als der Wettbewerb erstmals stattfand, waren die Bioökonomie selbst, und die wenigen, dieser Querschnittsbranche zugehörigen Gründungen meist nur in Fachkreisen bekannt. PlanB war für BioCampus Straubing, dem Unternehmen, das im niederbayerischen Straubing die Bioökonomie bereits seit Mitte der 2000er mit Instrumenten der Wirtschaftsförderung unterstützt und den Wettbewerb organisiert, damals auch ein Versuch, junge Unternehmen für den Standort und sein Ökosystem zu begeistern.
Aber das Umfeld war schwierig: Anwenderbranchen wollten wenig vom Transformationspotenzial, das bioökonomische Innovationen bieten können, wissen. Für Kapitalgeber waren die Geschäftsmodelle, die es gab, uninteressant: zu lange Entwicklungs- und Skalierungszyklen, zu hoher Investmentbedarf in Anlagen und Infrastruktur. Überspitzt ausgedrückt: Die Bioökonomie galt als bäuerlicher Teich ohne Deeptech-Relevanz, in dem ein paar hässliche Entlein in Form von Start-ups, oder zumindest Gründungen, schwammen. Unter diesen Voraussetzungen versuchte PlanB, mehr Sichtbarkeit zu generieren.
Veränderte Vorzeichen
Dass es dafür Bedarf gab, wurde schon in den ersten Runden des Wettbewerbs deutlich. Neben Einreichungen, die dem Tüftler- und Erfinderkreis zuzuordnen waren, waren mit CasCat, der LXP Group oder 4Gene mittlerweile am Markt bekannte Player unter den ersten Teilnehmern und Preisträgern. Seitdem wurden – die aktuell laufende Runde mitgerechnet – in fünf Wettbewerbsjahrgängen knapp 200 biobasierte Geschäftsideen bei PlanB eingereicht.
Seit etwa 2019 ist dabei ein Trend in Richtung höherer Qualitätsdichte feststellbar, der besonders mit Blick auf Geschäftsmodell, Traktion, Wachstumspotenzial und Teamkonstellation deutlich wird. Die PlanB-Teilnehmenden sind dabei nur ein Indikator für die allgemeine Entwicklung, die bspw. auch der „Green Startup Monitor“ belegt: Die Zahl echter Bioökonomie-Start-ups ist in den letzten Jahren, wie die Green-Start-up-Branche insgesamt, gewachsen.
Im gleichen Zeitraum lässt sich – u.a. stimuliert durch die Notwendigkeit, mehr Nachhaltigkeit und Impact zu schaffen – auch ein gestiegenes Interesse von relevanten Stakeholdern beobachten. Immer häufiger las man in den letzten Jahren von Beteiligungen klassischer Venture Capital (VC) Fonds und Corporate-Venture-Abteilungen, aber auch von den relativ neuen Impact Fonds an Bioökonomie-Start-ups, insbesondere in Pre-Seed- und Seed-Finanzierungsrunden. Auch ehemalige PlanB-Teams wie Biovox, LXP, MK2 Biotechnologies, 4Gene oder Circular Carbon sind darunter.
In der aktuell laufenden PlanB-Runde haben, anders als noch in den vorherigen Runden, bereits mehrere Teams erfolgreich Finanzierungsrunden durchlaufen. Natürlich ist auch die Bekanntheit des Wettbewerbs in den letzten Jahren gestiegen, sodass die Teilnahme für bereits erfolgreiche Start-ups sicher attraktiver geworden ist, dennoch sind die Vorzeichen heute andere: Start-ups, die mit Lösungen aus dem Bereich der Bioökonomie auf den Markt kommen und ein tragfähiges Geschäftsmodell haben, erregen Interesse, egal, ob mit Novel-Food-&-Feed-Anwendungen, alternativen Materialien, Greentech-Lösungen oder Inhaltsstoffen für die chemische Industrie. Die seit Anfang 2020 herrschende Pandemielage hat dieser Entwicklung keinen Abbruch getan. Mit Traceless Materials aus Hamburg hat ein Bioökonomie-Start-up den Deutschen Gründerpreis und den German Startup Award gewonnen. Regelmäßig liest man von Kooperationen mit großen Unternehmen oder von erfolgreichen Finanzierungsrunden für Start-ups aus der Bioökonomie. Das hässliche Entlein scheint zum begehrten Schwan geworden zu sein.
„Die Zahl echter Bioökonomie-Start-ups ist in den letzten Jahren gewachsen.“
Droht das schnelle Ende?
Auch die, die mit verschiedensten Formaten wie Wettbewerben, Pitch- und Matchmaking-Veranstaltungen, Auszeichnungen, Innovation Calls oder Acceleratoren gezielt die Bioökonomie-Start-ups ansprechen, werden mehr und namhafter. Der Blick in einschlägige Publikationen, Social-Media-Plattformen wie LinkedIn und Veranstaltungskalender macht das deutlich. Die Gründerteams können sich mittlerweile aussuchen, wo sie teilnehmen – und das ist auch gut so. Damit einher geht auch ein spürbar wachsendes Selbstbewusstsein. Bittsteller sind gut aufgestellte Bioökonomie-Start-ups kaum mehr.
Mitten hinein in diese positiven Entwicklungen platzt nun eine neue, durch die volatile Wirtschafts- und Weltlage bedingte Unsicherheit. Die Sorge, dass die allgemeine Dynamik der letzten Jahre auf dem deutschen Start-up-Parkett ausgebremst wird, ist groß. Vom „VC Winter“ oder dem „perfekten Sturm“ ist zu lesen, es wird befürchtet, dass Bewertungen, Abschlüsse und Investitionssummen zurückgehen. Einschätzungen von Finanzierungsexperten wie dem Münchner Unternehmen Fox Corporate Finance, dass Deeptech-Start-ups möglicherweise resilienter durch diese Situation manövrieren könnten, weil sie tendenziell nicht so stark überbewertet sind, machen Hoffnung für Bioökonomie-Start-ups, die man dem Deeptech-Bereich zuordnen kann. Auch die Bestrebungen vieler grüner Start-ups, nachweisbar positiv auf die Mega-Challenge Klimawandel einzuzahlen, könnte ein Vorteil sein.
Nicht übersehen werden darf jedoch, dass das Spielfeld für junge Unternehmen aus der Bioökonomie trotz gestiegener Sichtbarkeit und Wertschätzung weiterhin holprig bleibt. Herausforderungen wie Anlagen- und Infrastrukturinvestitionen, Time to Market, Skalierung, Feedstock-Sicherstellung und Wettbewerbsfähigkeit gilt es weiterhin, zu begegnen. Viele Gründerinnen und Gründer möchten außerdem nicht irgendein Geld in ihrem Unternehmen haben, sondern entweder komplett bootstrappen, oder Investoren suchen, die ihre Werte teilen. Hat man diese für sich interessiert, sind die Anforderungen, den proklamierten Klima- und Umwelteffekt auch nachzuweisen, extrem hoch. Nur der Anspruch, die Welt zu retten, reicht eben nicht.
Start-ups müssen sich beweisen
Als 2014 die erste PlanB-Runde durchgeführt wurde, war all das nicht abzusehen. Als eines der Pionierformate für biobasierte Start-ups hat PlanB diese Veränderungen begleitet, selbst erfahren und beobachtet. Mit knapp 200 eingereichten Geschäftsideen, sechs in Straubing angesiedelten Unternehmen aus fünf Runden und einem mittlerweile hochkarätigen Unterstützernetzwerk, das mit Namen wie Clariant, Braskem, Kelheim Fibres, Hightech Gründerfonds (HTGF) und European Circular Bioeconomy Fund (ECBF) aufwarten kann, lässt sich die Erfolgsbilanz sehen.
Die Start-ups, die heute mit bioökonomischen Geschäftsmodellen die Branche aufmischen, müssen sich jetzt erst einmal beweisen. Es wird – wie immer – auch hier eine Konsolidierung geben. Formate wie PlanB können und müssen auf dem Weg dorthin Unterstützung leisten, egal, ob für Entlein oder für Schwäne.
Ann-Kathrin Wagner, Director Biobased Economy, BioCampus, Straubing GmbH
Ann-Kathrin Wagner ist seit 2017 Leiterin Biobasierte Wirtschaft bei BioCampus Straubing. Sie verantwortet dort die Netzwerkarbeit sowie die Standortentwicklung und -vermarktung des Hafens Straubing hin zu einem Hub für die biobasierte Wirtschaft und Bioökonomie-Start-ups. Zuvor war sie an gleicher Stelle Clustermanagerin. Wagner studierte Sustainable Development in Utrecht und International Cultural and Business Sciences in Passau.