Antriebsretrofit von Spinnpumpen steigert Produktivität und senkt Energieverbrauch
Sechs Motoren an einem Umrichter
Im Ergebnis führte dies zu einer höheren Produktivität sowie zu einem niedrigeren Energieverbrauch und verbesserte die Ressourceneffizienz.
Polyesterfasern sind das Produkt einer Kondensationsreaktion aus Terephthalsäure und Glykol. In der Schmelze entstehen langkettige Moleküle, die mit einem Düsensystem zu Fäden erstarren. Solch eine Düsenstation zählt bis zu 1.200 feine Löcher – und das auf der Fläche eines DIN-A4-Blatts! Die Fasern sind so dünn, dass 1 km gerade einmal 1,7 g auf die Waage bringt – das entspricht einer Feinheit von 1,7 tex. Tex ist eine spezielle Maßeinheit in der Faser- und Textilindustrie. 1 tex entspricht einem Gramm pro 1.000 m. Die Zahlen verdeutlichen, wie genau die Produktion arbeiten muss, damit die gewünschten Materialeigenschaften bei diesem filigranen Werkstoff eingehalten werden. Mit mehr als 100 Jahren Erfahrung am 1919 gegründeten Chemiestandort – der erste für Viskosefasern weltweit – verbindet Märkische Faser heute tiefgreifendes Know-how mit moderner Produktionstechnik.
Schnelle Umrüstung bei Produktwechsel
Beim aktuellen Retrofit der 1972 gebauten Spinnstraße standen vor allem Umweltschutz und Energieeffizienz im Vordergrund. Das Unternehmen war ebenfalls auf der Suche nach einer technischen Ausstattung, die Umstellzeiten reduzieren und die Verfügbarkeit erhöhen konnte. In direkter Folge galt es, die Produktivität zu steigern und die Ressourceneffizienz bei Produktionsumstellungen durch weniger Abfall zu verbessern. „Der Prozess sollte insgesamt einfacher werden“, erläutert Stephan Schott, Außendienstmitarbeiter Service im Drive Center Berlin von SEW-Eurodrive. „Zudem wollte der Kunde beim Anfahren zügiger zur gewünschten Produktqualität kommen.“ Schnelle Umrüstungen sind wertvoll. Die durchschnittlich zwei Produktwechsel in 24 Stunden waren in der Vergangenheit aufgrund der alten Technik mit viel Arbeit verbunden. 18 elektrisch angetriebene Spinnstellen zählt eine Anlage, die per Hand einzustellen waren.
Die treibende Kraft einer Spinnstelle ist eine Kombination aus Elektromotor und Zahnradpumpe. Die genaue Drehzahl entscheidet, mit welchem Volumen und Druck das zähfließende Polyester durch die Düsen gepresst wird. Hierbei müssen alle 18 Spinnstellen mit der gleichen Einstellung arbeiten, weil die Gesamtproduktion später in einer Produktionscharge zusammenfließt. Daher mussten nach dem Einstellen des ersten Antriebs die weiteren 17 manuell darauf justiert werden. Bis der Verbund stand, produzierte die Anlage Abfall. „Heute drehen alle Motoren von Beginn an mit der gleichen Drehzahl“, resümiert Schott. „Mit einem Knopfdruck lassen sich die Spinnstellen bei einem Produktwechsel zeitgleich umstellen. Das ist in der Steuerung als Rezeptur hinterlegt.“
Gruppenantrieb statt Einzelachsen
Die Besonderheit der vom SEW-Eurodrive-Service in enger Zusammenarbeit mit der Applikationstechnik im Drive Center Berlin entwickelten Antriebslösung: Pro Spinnlinie reichen drei Frequenzumrichter der Baureihe Movitrac B für die Drehzahlregelung der 18 Motoren aus. Der Gruppenantrieb von sechs Motoren an einem Umrichter benötigt für die geforderte Drehzahlgenauigkeit keinen gesonderten Geber samt Regelkreis. Vielmehr ermöglicht der LSPM-Motor von SEW-Eurodrive im direkten Zusammenspiel mit dem Umrichter eine für dieses Einsatzgebiet ausreichend hohe Regelgüte. „In der Ausschreibungsphase war SEW-Eurodrive – nach Aussage des Kunden – der einzige Hersteller mit einer derart simplen und sehr gut funktionierenden Lösung“, erinnert sich Stephan Schott. „Andere boten Einzelachsen mit Frequenzumrichter, Motor und Geberrückführung an, um die notwendige Präzision zu erreichen.“
Konstanz sichert Prozessqualität
Bei den so genannten Line Start Permanent Magnet(LSPM)-Motoren handelt es sich um die Baureihe DRE..J in der Energiesparklasse IE2 oder DRU..-J in Energiesparklasse IE4. Diese netzanlauffähigen Drehstrommotoren mit Kurzschlussläufer sind mit zusätzlichen Permanentmagneten im Rotor ausgestattet. Nach dem asynchronen Anlauf am Netz synchronisiert sich der Motor auf die Speisefrequenz und geht dann in den schlupffreien Synchronbetrieb über. Somit läuft er lastunabhängig mit konstanter Drehzahl. Beim hier vorgesehenen Betrieb am Frequenzumrichter richtet sich der Rotor beim Zuschalten auf das speisende Drehfeld aus und folgt dann synchron der vom Umrichter vorgegebenen Frequenz mit der entsprechenden Drehzahl. Das angebaute Getriebe reduziert die hohe Motordrehzahl auf die für die Spinnpumpe notwendige Drehzahl. Dadurch gibt es bei der Förderung des hochviskosen Kunststoffes keine wiederkehrenden Drehzahlabweichungen von der Speisefrequenz. Diese Konstanz ist notwendig, um Pulsationen zu vermeiden, die ihrerseits bei den Zahnradpumpen zu unerwünschten Druck- und Volumenschwankungen führen. Nur wenn alle 18 Pumpenantriebe der Spinnlinie mit den gleichen Parametern auf der Langstrecke verlässlich drehen, sind die Qualitätseigenschaften aller Fasern einer Charge gleich.
Jährliche Einsparungen von 20.000 EUR
Ein weiterer Vorteil der SEW-Motoren DR..J in LSPM-Technologie ist ihre hohe Leistungsdichte. Das machte es einfach, die klein bauenden Motoren in die vorhandene Mechanik zu integrieren. Zudem arbeitet der Motor während des synchronen Betriebs frei von Rotorverlusten und erzielt somit einen hohen Wirkungsgrad. Der Retrofit der Produktionsanlage lohnte sich für Märkische Faser also auch aufgrund der gesteigerten Energieeffizienz. Dieser Vorteil zahlt sich vor allem angesichts der langen Betriebszeiten aus: Bei der jährlichen Produktionsmenge einer Anlage von rund 40.000 t betragen die Einsparungen 20.000 EUR. Dahinter steht bei Märkische Fasern ein verminderter Energiebedarf von 315.000 kWh bzw. 150 t CO2 weniger.
Anspruchsvolle Umgebungsbedingungen
Kein Retrofit ohne besondere Herausforderungen: Im brandenburgischen Betrieb lagen sie vor allem in der Umgebungstemperatur und den begrenzten Platzverhältnissen begründet. Vor diesem Hintergrund gestaltete sich die Ausrüstung der Faserproduktion mit klassischen Einzelachsen schwierig. Woher einen Platz für die Umrichter nehmen, der ausreichend kühl ist? Etwa 60 °C beträgt die Temperatur im direkten Umfeld der 280 °C heißen Spinndüsen. Auch wenn sie wärmeisoliert sind, lässt sich die Abstrahlung nicht vollständig verhindern. Während der Getriebemotor angesichts dieses Mikroklimas noch ausreichend Reserven hat, mussten die Frequenzumrichter an einen kühleren Aufstellungsort ein Stockwerk tiefer ziehen. Die Bündelung von sechs Motoren zu einem Gruppenantrieb machte auch die Installation erheblich einfacher.
Modernisierung ist wirtschaftlich sinnvoll
Sparsamer, schneller, leiser, zukunftssicher – das sind vier Vorteile, die der Faserhersteller durch den Retrofit der Antriebstechnik erzielte. Das Beispiel dieses Traditionsbetriebs im Land Brandenburg zeigt, dass es sich wirtschaftlich lohnt, bestehende Produktionsanlagen zu modernisieren, anstatt sofort eine Neuanschaffung zu planen.
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