Ethernet-APL in der Prozessindustrie
Gemeinsame Publikation von NAMUR und ZVEI zu Use-Cases für Ethernet-APL
Während andere Branchen die digitale Kommunikation schon seit etlichen Jahren als Standard etabliert haben, kämpft die Prozessautomatisierung noch immer mit ihren Feldbus-Erfahrungen.
PLS-zentrische Ansätze: HART und Feldbusse
Ausgehend von pneumatischen Signalen und 4...20 mA Analogsignalen war HART (Highway Addressable Remote Transducer) die erste Technologie, die eine Digitalisierung der Kommunikation im Feld versprach. HART hat jedoch mehrere Mängel und wird immer noch hauptsächlich nur für spezifische Anwendungen und nicht als allgemeiner Standard eingesetzt. Zwar erfüllt HART das Ziel, auf mehr als einen Wert des Feldgeräts zugreifen zu können, doch sind seine Digitalisierungsmöglichkeiten im Vergleich zu den heutigen Anforderungen eher begrenzt. Dies liegt zum einen an der sehr geringen Datenrate, die die Erfassung zusätzlicher Diagnosedaten oder die Parametrierung der Geräte erschwert. Zum anderen ist es aus Prinzip auf das Leitsystem (PLS) ausgerichtet, so dass die Realisierung eines sekundären Datenkanals gemäß der NAMUR Open Architecture (NOA) eine Frage zusätzlicher Infrastruktur sowie arbeitsintensiver Datenübersetzung und -zuordnung ist.
Die nächste und bisher letzte Evolutionsstufe der digitalen Kommunikation in der PA sind Feldbusse, wie Foundation Fieldbus oder Profibus PA. Obwohl sie technisch zweifellos überlegen sind, ist der Fokus auf die einfache praktische Anwendung durch die Endanwender begrenzt. Dies erklärt, warum sich die Technologie in der PA nie auf breiter Front durchsetzen konnte. Auch hier sind sowohl die Planung als auch die Geräteintegration komplex und daher arbeitsintensiv. Dies manifestiert sich auch im Lebenszyklus von Produktionsanlagen, wo ein einfacher Gerätetausch zahlreiche zusätzliche Schritte zur Neukonfiguration des Leitsystems nach sich zieht. Wie bei HART ist die Realisierung von NOA-Implementierungen aufgrund des PLS-zentrischen Ansatzes der Feldbusse mit parallelen Infrastrukturen verbunden.
Der Ethernet-Advanced-Physical-Layer
Ethernet-APL wird sowohl von Anbietern als auch von Endanwendern als der neue Standard angesehen, der HART und Feldbusse ablöst. Die Erfahrung aus der Vergangenheit hat gezeigt, dass es in erster Linie auf die Anwendungen ankommt und die Technologie zu deren Realisierung eingesetzt werden muss – nicht umgekehrt. Daher ist es wichtig, die Erkenntnisse aus der Praxis und die Anforderungen von der Anwendungsseite so früh wie möglich zu berücksichtigen, um Ethernet-APL zu einem gemeinsamen Erfolg zu machen und die Digitalisierung wirklich zu unterstützen.
Daher haben sowohl die NAMUR als auch der ZVEI eigene Task Forces gegründet, um die Einführung von Ethernet-APL zu unterstützen.
Auf beiden Seiten, Endanwender und Anbieter, herrscht noch Unklarheit darüber, welche konkreten Anwendungsfälle Ethernet-APL wirklich unterstützen soll. Um die spezifischen Anwendungen und Potenziale sowie die Unzulänglichkeiten aktueller Technologien transparenter zu machen, haben die Task Forces daher beschlossen, gemeinsam Anwendungsfälle zu entwickeln, die aus Sicht der Endnutzer die beabsichtigten Vorteile von Ethernet-APL widerspiegeln.
NAMUR und ZVEI veröffentlichen Ergebnis der Zusammenarbeit
Diese Use-Cases wurden jetzt in einer gemeinsamen Publikation von ZVEI und NAMUR vorgestellt, in der Ethernet-APL nicht nur für den Physical Layer steht, sondern für das Zusammenspiel mehrerer, auf Industrial Ethernet aufbauender Technologien. Während Ethernet-APL als Physical Layer die Grundlage für die digitale Ethernet-Kommunikation zu den Feldgeräten bildet, ergibt sich der wirkliche Wert für den Endanwender und die Anwendung aus der richtigen Kombination von Technologien, dem Technologie-Stack. Gemäß NE 168 „Anforderungen an ein Ethernet-Kommunikationssystem für die Feldebene“ und nach dem gemeinsamen Verständnis beider Task Forces besteht dieser Stack aus:
- Ethernet-APL
- Profinet oder EtherNet/IP als Anwendungsprotokoll
- Generischen Geräteprofilen nach NE 131, z. B. dem PA-Profil 4
- FDI (Field Device Integration) für die Integration von Geräten
- PA-DIM (Process Automation – Device Information Model) als Standard-Informationsmodell für Diagnoseinformationen
- OPC UA für den Austausch von Diagnosedaten
- Einem Safety-Protokoll wie z.B. Profisafe, um APL auch für Safety-Anwendungen einsetzen zu können.
Die Veröffentlichung bietet wertvolle Einblicke für Anwender und Anbieter und kann ein Meilenstein auf dem Weg zur Digitalisierung in der Prozessindustrie werden. Weitere Informationen und eine Möglichkeit zum Download finden Sie unter:
www.namur.net/de/fokusthemen/namur-task-force.html
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