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NRW Initiative plädiert für Transport von CO2

Verbesserte Infrastruktur ermöglicht klimaneutrale Chemieindustrie

21.03.2023 - Auf dem Weg in eine klimaneutrale Industriezukunft spielt die Frage der Deckung des Kohlenstoffbedarfs und des Umgangs mit unvermeidbaren CO2-Mengen eine bedeutende Rolle. Voraussetzung ist der Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur.

Denn selbst bei einer erfolgreichen Transformation der Industrie zur Klimaneutralität wird es noch Prozesse geben, bei denen Kohlendioxid entsteht – auch in der Chemieindustrie. Dieses gilt es im Sinne des Klimaschutzes abzufangen, zu transportieren und zu speichern oder weiter zu nutzen. Voraussetzung dafür ist der Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur.

Die industriellen CO2-Emissionen können je nach Prozess durch verschiedene Ansätze reduziert werden. Die Carbon-Management-Strategie des Landes Nordrhein-Westfalen zeigt auf, dass die Dekarbonisierung der Prozesswärme sowie Hilfs- und Rohstoffe – also der Verzicht auf Kohlenstoff – das oberste Ziel ist. Insbesondere in der Chemieindustrie ist diese Prämisse nur bedingt gültig. Denn Kohlenstoff wird auch in Zukunft als Rohstoff für die Produktion benötigt – u.a. sind viele der für die Produktion nachhaltiger Technologien hergestellten notwendigen Werkstoffe kohlenstoffhaltig. Um kein zusätzliches CO2 in den Kreislauf einzubringen, sollte daher auf den Einsatz fossilen Kohlenstoffs verzichtet werden und stattdessen alternative Kohlenstoffquellen wie Recyclingrohstoffe und Biomasse eingesetzt werden. Das CO2, das im Rahmen der Produktion anfällt, gilt es abzuscheiden, zu transportieren und der Speicherung oder Nutzung zuzuführen.

Ausblick 2045

Analysen des wissenschaftlichen Konsortiums SCI4climate.NRW zeigen, dass im Jahr 2045 prozessbedingtes CO2 voraussichtlich in der Herstellung von Acrylsäure, Ethylenoxid, Form­aldehyd, Malein­säureanhydrid, Acrylnitril und Soda entstehen wird. Zudem können aus der Produktion von Soda Kohlen­dioxid-Mengen anfallen, falls dieses nicht auf das optimierte Solvay-Verfahren umgestellt wird. Ebenso kann dies bei der weiteren Nutzung nicht-elektrifizierter Steamcracker der Fall sein. SCI4climate.NRW prognostiziert für 2045 in NRW so eine Entstehung von 818 kt CO2 in der Chemieproduktion sowie knapp 7.000 kt CO2 aus Steamcrackern.

Lösungsweg

Die Prognosen machen den drängenden Bedarf einer Lösung deutlich. Grundlage um diese Mengen weiter nutzen oder geologisch speichern zu können, ist jedoch eine Infrastruktur, die den Transport des Gases technisch ermöglicht sowie Produzenten und Abnehmer miteinander verbindet.

Die Voraussetzungen dafür sind im Industrieland NRW nahezu ideal: Die chemische Industrie ist historisch an den wichtigen Infrastruktur-Adern, den Wasserwegen, gewachsen. Zudem sind viele Standorte Verbundstandorte. Diese beiden Faktoren begünstigen insbesondere die Chemieparks entlang des Rheins, an wichtige Transportinfrastrukturen für erneuerbare Energieträger und eben auch CO2 angebunden zu werden.  Für den Anschluss weiterer Quellen und Senken stehen skalierbare Transportmöglichkeiten wie Lkw, Schiffe und Bahn flexibel und zuverlässig zur Verfügung. Der Thinktank IN4climate.NRW zeigte bereits 2021, dass angesichts der zu erwartenden Mengen langfristig eine Pipeline-Infrastruktur benötigt wird. Für den Transport zu den Offshore-Lagerstätten muss neben Pipelines auch der Schifftransport langfristig eingesetzt werden.

Der Transport von CO2 per Schiff lässt sich im kaltflüssigen Zustand als gesättigte Flüssigkeit unter ständigem Sieden realisieren. Für den wirtschaftlichen Transport per Pipeline ist hingegen eine Verdichtung in den überkritischen Zustand notwendig, in dem der CO2-Stoffstrom eine relevante Dichte und ein geeignetes Fließverhalten erreicht.

Die entsprechende Verarbeitung kann in einer zukünftigen Transport­infrastruktur über Hubs organisiert werden. Diese dienen zunächst der Sammlung von CO2-Strömen aus unterschiedlichen auch kleineren lokalen Quellen (Lkw, Güterzug oder Binnenschiffen) und Infrastrukturen. In einem nächsten Schritt verarbeiten die Hubs das Gas für den Weitertransport, der per Flüssig-CO2-Tanker oder perspektivisch per Pipeline erfolgt. Die Hubs können auch eine Aufreinigung oder Zwischenlagerung übernehmen.

© Energy.4climate
CO2-Infrastrukturbedarf für die Grundstoffindustrie in NRW nach SCI4climate.NRW.    © NRW.Energy4Climate

 

Planungsprozesse

Die Carbon-Management-Strategie des Landes NRW aus dem Jahr 2021 skizziert die benötigte Pipeline-Infrastruktur, um die im Jahr 2045 zu erwartenden CO2-Quellen der Grundstoffindustrie zu verbinden und an Pipelines Richtung Speicherstätten in der Nordsee anzubinden. Einige Unternehmen haben bereits verschiedene Infrastrukturvorhaben signalisiert. So kündigte Open Grid Europe eine Pipeline zur Anbindung an Wilhelmshaven an, Shell Pipelines für H2 und CO2 zwischen NRW und dem Hafen Rotterdam. Darüber hinaus planen Unternehmen wie Vic­trol, CO2 Management und Air Liquide den Aufbau von Transportinfrastrukturen per Schiff oder Zug, bei letzterem mit einem Hub in Duisburg.
Die AG Kohlendioxidwirtschaft von IN4climate.NRW veröffentlichte Ende 2022 ein Diskussionspapier zur Herangehensweise eines nationalen Planungsprozesses für eine ökonomisch sinnvolle CO2-Infrastrukturentwicklung. Der Aufbau einer solchen Infrastruktur unterscheidet sich von der Weiterentwicklung der bestehenden Gas- und Stromnetze (u.a. in der Nutzerstruktur), sodass eine angepasste Herangehensweise notwendig ist. So ist z.B. eine planerische Verknüpfung mit dem anvisierten H2-Gasnetz sinnvoll, um die CO2-Nutzung in Power-to-Liquids-/Power-to-Chemicals-Wertschöpfungs­ketten zu ermöglichen. Auf Bundesebene soll diese Verbindung über die System­entwicklungsstrategie sichergestellt werden. Diese soll die verschiedenen Strategien und Pläne (u.a. Netzentwicklungspläne und Nationale Wasserstoffroadmap) zusammenfassen und untereinander abstimmen. Dazu zählt auch die nationale Carbon-­Management-Strategie, die die politischen Rahmenbedingungen für die Kohlendioxidwirtschaft in Deutschland entwickeln soll.

Handlungs- und Rechtssicherheit für Planungsvorhaben

Zum Teil bestehen bereits Standards und Normen für den Transport von CO2. So definieren die Technical Reports der ISO die Anforderungen an die Qualität des in Pipelines zu transportierenden Kohlendioxids.

Ergänzend hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) mit dem Evaluierungsbericht des Kohlendioxidspeicherungsgesetzes Empfehlungen für mögliche gesetzgeberische Maßnahmen veröffentlicht. Diese bilden die Grundlage für die vom BMWK angekündigte Überarbeitung des Gesetzes hinsichtlich der Ermöglichung von CO2-Infrastrukturen für die Speicherung und Nutzung.

Klimaneutrale Chemieindustrie

Eine CO2-Infrastruktur ist also in zweierlei Hinsicht essenziell für eine klimaneutrale Chemieindus­trie: Zum einen für die Versorgung mit CO2 als Kohlenstoffquelle, zum anderen für den Abtransport überschüssiger CO2-Mengen zu anderen Chemiestandorten oder zu geologischen Speichermöglichkeiten. Die Chemieindustrie ist dabei strategisch gut an Wasserwegen oder Pipelinetrassen gelegen. So wurden bereits erste Vorhaben für eine Transport­infrastruktur bekannt, in denen die Anbindung der in NRW angesiedelten Chemiestandorte mitgedacht wird. Neben den entsprechenden Standards und Normen sowie den gesetzlichen Regelungen, die sich aktuell in Erarbeitung befinden, wird die im Laufe des Jahres 2023 anvisierte nationale Carbon-Management-Strategie wichtige politische Leitplanken für die Kohlendioxidwirtschaft setzen.

Autorin: Iris Rieth-Menze, Teamleiterin Projektmanagement Industrie und Produktion, NRW.Energy4Climate, Düsseldorf

 

Zur Person

Iris Rieth-Menze hat einen Bachelor- und Masterabschluss in Umwelttechnik und Ressourcenmanagement und ihre Promotion im Fachbereich Fluidverfahrenstechnik absolviert. Seit 2020 arbeitet sie als Projektmanagerin in der Initiative IN4climate.NRW und hat im Februar 2022 die Teamleitung des Bereichs Industrie & Produktion in der neuen Landesgesellschaft NRW.Energy4Climate übernommen. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Carbon Management und die Circular Economy mit Fokus auf der Grundstoffindustrie.

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