Wettbewerb für ChemCar 2022 gestartet
Das Gewinner-Konzept 2021 der RWTH Aachen überzeugte mit fachübergreifender Idee
Im vergangenen Jahr konnte sich das Team Spring O2´clock der RWTH Aachen gegen die Teams der TU Dortmund, Uni Ulm, Amirkabir University of Technology, Iran, und die drei Teams aus Indonesien durchsetzen. Auch 2022 ist der internationale Wettbewerb der kreativen jungen Verfahrensingenieure (kjVI) im VDI um die besten Ideen wieder eröffnet.
Regeln des ChemCar-Wettbewerbs
Ins Rennen gehen Modellfahrzeuge, die von internationalen studentischen Teams erdacht und konstruiert werden. Diese müssen – von einer (bio-)chemischen Reaktion angetrieben – eine Strecke zwischen 8 und 17 m zurücklegen. Dabei geht es nicht um Geschwindigkeit, sondern die Präzision steht im Fokus. Um die Herausforderung noch anspruchsvoller zu gestalten, muss dabei ein Zusatzgewicht von bis zu 30 % des Fahrzeuggewichts transportiert werden. Sowohl die Strecke als auch das Zusatzgewicht werden erst kurz vor dem Start ausgelost, was eine gute Kalibrierung der Fahrzeuge voraussetzt.
Als weitere Bewertungskriterien im Kampf um den Titel beurteilt die Jury Konzept und Sicherheit. Das Konzept stellen die Entwickler dem Gremium in Form eines Posters vor; dabei wird besonders auf Kreativität und Innovation Wert gelegt. Außerdem muss ein ausführliches Sicherheitskonzept die Juroren und Sicherheitsexperten der Firma Inburex überzeugen.
Der Wettkampf
Für das Rennen 2021 wurden eine Strecke von 11,5 m und ein Zusatzgewicht von 10 % ausgelost. Für das Aachener Team bedeutete dies ein Zusatzgewicht von 2,5 kg, was bereits die Gesamtmasse einiger ChemCars der anderen Teams überstieg. Da der Wettbewerb 2021, wie auch im Jahr zuvor, aufgrund der Coronapandemie digital und dezentral stattfand, wurde das Preisgeld unter allen Teams aufgeteilt.
Finanziell unterstützt wurde der ChemCar- Wettbewerb 2021 von BASF, Covestro, Evonik, Inburex, Lonza, Merck und Yncoris.
Das Gewinnerkonzept 2021
Das Aachener Team glänzte 2021 mit einem kreativen und sicheren Konzept und lag somit schon vor dem Rennen im Punkte-Ranking auf dem zweiten Platz. Das eigentliche Rennen war mit großer Unsicherheit und Herzklopfen verbunden, weil das Fahrzeugkonzept aufgrund seiner ausgefallenen Art erst kurz vor dem Wettbewerb vollständig umgesetzt werden konnte. Trotzdem fuhr das Aachener ChemCar beide Renndurchläufe sehr zuverlässig und überschritt die Ziellinie nur um 28 cm. Für die Studierenden war dies ein überraschender und damit umso größerer Erfolg.
Die Inspiration für das Gewinner-ChemCar stammt vom sogenannten „Mausefallenauto“. Darin dient eine Feder als Energiespeicher. An dieser Stelle enden jedoch bereits die Gemeinsamkeiten, da sowohl das Spannen der Feder als auch die Notwendigkeit eines Bremsmechanismus große Herausforderungen darstellen.
Zu Beginn der Fahrt befinden sich die Edukte Wasserstoffperoxid und Kaliumiodid voneinander getrennt im Vorlagebehälter und im Reaktor. Das ChemCar wird durch einen Single-Action-Startmechanismus gestartet. Der damit ausgelöste Mischvorgang der Edukte im Reaktor erzeugt eine Volumenexpansion. Zeitgleich wird die Natriumacetat-Trihydrat-Kristallisation im Kristallisationsrohr gestartet, die mithilfe von zwei Lichtschranken den zeitlichen Verlauf der Fahrt steuert. Wird eine Lichtschranke ausgelöst, schaltet diese jeweils ein Ventil und startet oder beendet so die Fahrt des ChemCars.
Chemische Energie mechanisch gespeichert
Der im Reaktor entstehende Druck wird in einen Zylinder geleitet. Die vom Zylinder aufgebrachte Kraft wird über einen Schlitten am Linearführungssystem übertragen und dazu genutzt, eine Feder zu stauchen. Somit kann die chemische Energie in der gestauchten Feder zwischengespeichert werden. An einem weiteren Schlitten des Linearführungssystems, der zu Beginn noch nicht mit der Feder verbunden ist, befindet sich eine Zahnstange mit einer Kupplung. Kurz bevor die Feder maximal gestaucht ist, wird der obere Schlitten durch die Kupplung mit der Zahnstange und somit auch mit dem unteren Schlitten verbunden. Die Zahnstange ist über ein Getriebe mit der Antriebswelle verbunden. Wird nun das erste Ventil geschaltet, öffnet sich der Auslass des Kolbens, sodass dieser keinen Widerstand mehr bietet. Die Feder stellt sich zurück. Dabei wird die Zahnstange mitgenommen und das ChemCar setzt sich in Bewegung. Am Getriebe greift außerdem das Uhrwerk an, das die Geschwindigkeit des ChemCars kontrolliert.
Unter der Antriebsachse befinden sich zwei Bremszylinder, die zu Beginn der Fahrt eingefahren sind. Werden diese am Ende der Fahrt durch das Schalten eines zweiten Ventils ausgefahren, hebt sie die Achse in die Luft und bringt das ChemCar zum Stillstand. Das ChemCar vollführt einen „Wheelie“ und die angetriebenen Räder können sich in der Luft weiterdrehen, bis die Feder ganz entspannt ist.
Schematischer Aufbau des ChemCar mit Antriebs- und Stoppreaktion.
©Tilman Schiffer
Auf das Timing kommt es an
Eine Herausforderung des ChemCar-Rennens ist es, den Zeitpunkt richtig zu bestimmen, an dem die Bremszylinder ausfahren müssen, um das Fahrzeug nach 11,5 m rechtzeitig zu stoppen. Die Kristallisationsgeschwindigkeit muss entsprechend der zu fahrenden Distanz angepasst werden, da sie der chemische Zeitmesser ist.
Die Umsetzung des Konzepts gelang dem Team sehr erfolgreich und das ChemCar fuhr in beiden Durchgängen sehr nah an die vorgegebenen 11,5 m heran. Damit lag die Distanzabweichung in beiden Läufen unter 10 % und brachte neben den regulären Punkten auch noch Bonuspunkte für Präzision. Nur dem Team Spectronics aus Indonesien gelang eine noch präzisere Fahrt. Trotz der starken Konkurrenz erreichte das Aachener Team Spring O2‘clock in der Gesamtwertung den ersten Platz. Platz zwei belegte knapp dahinter das Team Spectronics vom Institut Teknologi Sepuluh Nopember, Surabaya, Indonesien, vor dem pHantasticCar der TU Dortmund.
Autoren: Justin Bettenhausen, Nora Meisl, Tilman Schiffer, Studierende der RWTH Aachen
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ChemCar 2022
Die VDI-Gesellschaft Verfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen (GVC) führt seit 2006 den ChemCar-Wettbewerb durch, bei dem Modellfahrzeuge ins Rennen gehen, die von (bio)-chemischen Reaktionen angetrieben werden. Die Studierenden-Teams können mit ihrer innovativen Idee, aber auch mit einem überzeugenden Sicherheitskonzept und einer guten Präsentation beim Posterwettbewerb punkten.
- Anmeldeschluss: 21.03.2022
- Konzepteinreichung: 01.04.2022
- Nominierung der Teams: 13.04.2022
- Abgabe der Sicherheitskonzepte: 01.06.2022
- Sicherheitsgespräche: 05.–09.09.2022 (bei digitaler Durchführung)
- Finale im Rahmen im Rahmen der ProcessNet-Jahrestagung, 12.–15.09.2022 in Aachen
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Der ChemPLANT-Wettbewerb 2022
Die VDI-Gesellschaft Verfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen (GVC) führt den chemPLANT-Wettbewerb jährlich mit wechselnden Aufgabenstellungen durch. Ziel ist es, Studierende dafür zu begeistern, industrielle Prozesse zu planen und neue Anlagen zu konzipieren. „Thinking out of the Box“ ist das Motto – auch auf den ersten Blick verrückt scheinende Ideen sind ausdrücklich erwünscht.
- Anmeldeschluss: 11.04.2022
- Veröffentlichung der Aufgabe: 13.04.2022
- Konzepteinreichung: 13.05.2022
- Abgabe der Ergebnisse: 11.07.2022
- Vorstellung der Ergebnisse mittels Poster und Science Pitch beim Finale im Rahmen der ProcessNet-Jahrestagung, 12.–15.09.2022 in Aachen