Flexibilität der Systeme gefordert
Interview mit Rafael Imberg, Head of Sales Chemicals der Beumer Group
Darüber hinaus spielt heute zusätzlich der Aspekt der CO₂-Bilanz eine Rolle. Rafael Imberg, Head of Sales Chemicals der Beumer Group erläutert im Interview, was zeitgemäße Verpackungsanlagen und das Verpackungsmaterial heute leisten müssen, und wie Nachhaltigkeitsaspekte zunehmend Einzug halten. Die Fragen stellte Sonja Andres.
CHEManager: Herr Imberg, die Chemie bzw. Petrochemie wird von der Beumer Group als eigene Sparte betreut. Weshalb ist das sinnvoll?
Rafael Imberg: In der Petrochemie gibt es zahlreiche Produktspezifikationen. Um darauf reagieren zu können, stellen unsere Kunden besondere Anforderungen an die Ausführung und Sicherheit der Maschinen und Anlagen. Für eine hohe Maschinenverfügbarkeit spielt ein ausgedehntes Customer-Support-Netzwerk mit verschiedenen Servicevereinbarungen eine immer wichtigere Rolle. Als Anbieter gilt es für uns zudem, die Anlagen in den gesamtheitlichen petrochemischen Komplex einbinden zu können. Das erfordert großes Know-how in der Maschinentechnik und bei den Prozessen. Wir haben deshalb für unsere Kunden aus dieser Branche ein Team aufgestellt, das Anwender mit sehr viel Know-how unterstützen kann.
Unsere Kenntnisse lassen wir in die Systeme einfließen. Dabei spielt die zunehmende Generierung von Daten an den Anlagen eine immer wichtigere Rolle, um Prozesse effizienter zu gestalten – Stichwort Data Analytics. Nur so sind sie für die wachsenden Anforderungen der Märkte gerüstet. Auch dabei können wir unsere Kunden umfangreich unterstützen.
Sie selbst sind erst seit kurzem für diesen Bereich zuständig. Wo beabsichtigen Sie künftig Ihre Schwerpunkte zu setzen? Welche Produktgruppen und Themen stehen im Fokus?
R. Imberg: Alle unsere Maschinen und Anlagen kommen aus unserem Haus. Damit liegt ein Fokus meiner Arbeit auf der Weiterentwicklung unseres Portfolios in diesem Segment. Die modulare Bauweise sowie die digitalen, durchgängigen Steuerungen rücken stärker ins Zentrum des Interesses. Dazu kommen Themen wie Zuverlässigkeit, Nachhaltigkeit sowie die intuitive Bedienbarkeit der prozessgenauen Steuerung und der Kontrolle der Anlagen. Dazu bieten wir unsere BG Fusion. Mit dieser Visualisierung steht dem Bediener eine webfähige Benutzeroberfläche für Konfiguration, Monitoring und Reporting zur Verfügung. Mit den Ergebnissen, die wir mittels Data Analytics erzielen, sind wir in der Lage, das Produkt und die Leistung der Maschine wesentlich zu verbessern. Möglich ist damit auch die vorausschauende Wartung.
Einen weiteren Schwerpunkt legen wir auf Lösungen für die komplette End-of-Line-Automatisierung. Aktuell hört das bei der Palettierung auf. Lager werden häufig noch manuell betrieben. Wir arbeiten daran, die Linien weiter zu automatisieren bis zum Container oder Lkw. Dazu gibt es Lösungen mit fahrerlosen Transportsystemen. Wir werden diese Prozesse sehr genau unter die Lupe nehmen.
In der Produktion und beim Betrieb von Verpackungs- sowie Fördermaschinen gewinnt der CO2-Fußabdruck zunehmende Bedeutung. Wie stellt sich die Beumer Group dieser Anforderung?
R. Imberg: Wir setzen auf die neuesten Komponenten, zum Beispiel auf Antriebe mit niedrigem Energieverbrauch. Dazu kommen in den Verpackungsmaschinen Kühlaggregate mit internem Kühlkreislauf zum Einsatz. Damit können wir den Druckluftverbrauch minimieren. Auch achten wir darauf, dass die von uns verwendeten FFS- und Stretchfolien minimale Folienstärken besitzen. Optimalerweise sind diese aus Rezyklat hergestellt. Unsere Maschinen passen wir daran an. Wir stehen in engem Kontakt mit den Folienherstellern, um die richtige Rezeptur in Abstimmung mit der Maschinentechnologie zu erarbeiten. So entwickeln wir ganzheitliche Ansätze für unsere Kunden. In unserem Technikum haben wir auch dünne Folien unterschiedlicher Hersteller, um diese zu testen. All das beeinflusst den CO2-Footprint entscheidend.
Gibt es hierbei in Bezug auf die Ersatzteillogistik bereits Routinen, um die Nachhaltigkeit der Prozesse zu verbessern? Gilt dies auch für die Folien oder das Verpackungsmaterial?
R. Imberg: Hier arbeiten wir eng mit Sparrow Networks zusammen. Das Unternehmen sorgt mit seinem digitalen Marktplatz dafür, dass Teilnehmer bei Ausfall einer Komponente in ihren Anlagen schnellstmöglich mit dem passenden Ersatzteil versorgt werden. Sparrow verbindet die Bestände der Anlagenbetreiber miteinander. Durch dieses Netzwerk findet sich in kurzer Zeit immer ein passender Anbieter. Lange Ausfallzeiten und teure Lagerkosten lassen sich so vermeiden. Wir haben dies schon einigen Kunden vorgestellt. Damit bieten wir ihnen einen nachhaltigen Ansatz: Sie müssen an ihren Standorten weniger Ersatzteile vorhalten, diese auch nicht hin und her transportieren, und sie verbessern ihre Logistik. Das Motto, das wir damit verfolgen: Anzahl der Ersatzteile minimieren – Verfügbarkeit der Ersatzteile maximieren. Dafür bietet Sparrow die ideale Plattform. Das kommt einem reduzierten Footprint zu Gute.
Wir haben außerdem gute Verbindungen zu lokalen Folienherstellern und Lieferanten von Verpackungsmaterial rund um die Welt. Mit diesem Netzwerk können wir unsere Kunden optimal betreuen und bei Bedarf auch den Kontakt herstellen. Sind die lokalen Hersteller nicht auf dem Stand der Technik, unterstützen wir sie, damit sie die passenden Produkte zur Verfügung stellen können.
In Houston/Texas haben wir einen großen Kunden, für den die Folien nun direkt vor Ort hergestellt werden, statt sie langwierig anliefern zu lassen. Dazu habe ich dem Kunden alle relevanten Informationen über die Situation am Folienmarkt in der Region zur Verfügung gestellt. Über unser Netzwerk können wir somit die lokalen Produktionen optimal unterstützen, was ein weiterer nachhaltiger Ansatz ist.
Spielt Digitalisierung in den Verpackungslinien oder auch im Service von Beumer-Großanlagen bereits eine wesentliche Rolle?
R. Imberg: Absolut. Wir setzen auf ein durchgängiges Maschinenkonzept. Damit ist die Linie auch mit Waage, Drucker oder Metalldetektor komplett vernetzt. Die Steuerungstechnik ist sprichwörtlich aus einem Guss.
Mit unserem BG Fusion und den Dashboards haben wir die Möglichkeit, alle Informationen, die wir in der Maschine sammeln, transparent darzustellen. Maschinendaten, Störmeldungen sowie Hinweise zum Betrieb und zur Wartung lassen sich so aufbereiten, dass der Anwender sie einfach nutzen kann. Damit können wir auch mit übergeordneten und kundenseitigen Steuerungssystemen kommunizieren.
Bereits vorhandene Maschinen, beispielsweise eine Big-Bag-Anlage eines Drittanbieters, lassen sich in unser System integrieren. Möglich sind auch die Anbindungen an eine automatische oder lose Verladung in Container, an eine direkte Lkw-Beladung oder an eine Lagerhaltungssoftware oder kurz WCS. Man kann sagen: Unterhalb des Silos lässt sich damit alles vernetzen, oberhalb davon können wir mit dem ERP System kommunizieren und die Daten übergeben.
Dazu kommen unsere Beumer Smart Glasses. Diese Datenbrillen eignen sich für die Fehlerbehebung, Wartung und sogar die Fern-Inbetriebnahme. Sie sind bei uns bereits ein wichtiger Bestandteil des Liefer- und Servicespektrums.
Welche Möglichkeiten bieten sich – auch im Zusammenhang mit einer verstärkten Digitalisierung –
künftig für den Einsatz von Robotertechnik in Chemieanlagen?
R. Imberg: Hier komme ich auf die fahrerlosen Transportsysteme zurück. Sie können die Anlage zum Beispiel mit Leerpaletten beschicken und die Folie automatisch zum Stretcher und zur Absackmaschine anliefern. Am Ende der Linie nehmen sie die vollen Paletten ab und transportieren sie ins Lager. Dies können wir für unsere Kunden bereits umsetzen. Wir automatisieren auch den anschließenden Prozess, etwa um Container oder Lkw automatisch zu beschicken.
Wie beurteilen Sie die Entwicklung in der Verpackungs-, Lager- und Förderlogistik für die chemische Industrie in den kommenden Jahren? Wo werden die Schwerpunkte liegen?
R. Imberg: Die wichtigsten Fokusthemen sehen wir in der Industrie 4.0. Die ‚Smart Factories‘ geben die Themenschwerpunkte vor. Um Prozesse zu optimieren, wird es für unsere Kunden immer wichtiger, eine bessere Kontrolle über ihre Prozesse zu haben, um schneller eingreifen zu können. Auch Gefahrenstellen müssen minimiert werden. Ein Beispiel ist der manuelle Staplerverkehr. Voranschreiten wird auch die Automatisierung für weniger arbeitsintensive Abläufe.
Wir sehen einen kommenden Wandel innerhalb der Industrie. Wir setzen Kunststoffe ein, die intelligent sind, also selbstständig auf Grund ihrer inneren Struktur auf Reize von außen reagieren können. Damit ist auch eine immer höhere Flexibilität unserer Systeme gefordert – frei nach dem Motto: ‘Kleinere Mengen und speziellere Produkte‘. Mit dieser Aufgabenstellung werden unsere Kunden künftig immer häufiger konfrontiert sein.