Märkte & Unternehmen

Das Jahrhundertprojekt Green Deal ist der Wendepunkt

VAA diskutiert mit Wirtschaft, Wissenschaft und Vatikan auf dem zweiten Römischen Forum

13.10.2021 - Entscheider aus Familienunternehmen, börsennotierten Aktiengesellschaften und Wissenschaftler diskutieren über die besten Wege zur Umsetzung des Green Deals.

In diesen turbulenten Zeiten sind gute Nachrichten willkommen: Die Biden-Administration und die Europäische Kommission sind fest entschlossen, ihre Green Deals und nachhaltiges Wirtschaften schnell voranzutreiben. Vor dem Hintergrund dieser optimistischen Botschaften fand im September 2021 das zweite Römische Forum statt, das der Bundesverband der deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE) organisierte.

Entscheider aus großen Familien­unternehmen, börsennotierten Aktiengesellschaften und Vertreter der Wissenschaft kamen im historischen Tagungsgebäude Palazzo ­della Cancelleria zusammen, um über die besten Wege zur Umsetzung des Green Deals zu diskutieren. Auch der Verband der Chemischen Industrie (VCI) und der VAA – Führungskräfte Chemie sprachen über die Handlungsoptionen der chemisch-pharmazeutischen Industrie und stellten die Sicht der Führungskräfte dar.

Die Aufgaben sind gewaltig. Die Umsetzung des European Green ­Deals bedeutet für europäische Volkswirtschaften und Gesellschaften eine große Herausforderung. Prof. Hans-Joachim Schellnhuber, emeritierter Direktor des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung, zeigte in seiner Rede die Chancen für deutschen Unternehmen auf, die der Green Deal ihnen biete. Beim Pariser Abkommen von 2015, also jener Vereinbarung von 195 Vertragsparteien der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen mit dem Ziel des Klimaschutzes, gehe es um die Bekämpfung des Klimawandels über eine Transformation des Wirtschaftens in einer riesigen Größenordnung. Im Zuge dieser Transformation erhielte Afrika eine Schlüsselrolle. Er habe mit dem VAA darüber gesprochen, auf dem nächsten Römischen Forum die Bedeutung des Green Deals auf die EU und Afrika zu thematisieren und mit der Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen – und möglicherweise mit Papst Franziskus – darüber zu diskutieren.

Peter Kardinal Turkson, Präfekt des Dikasteriums des Vatikans für den Dienst zugunsten der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen und einer der ranghöchsten Kardinäle der katholischen Kirche, betonte eindringlich in seinem Vortrag über Ökologie und Ökonomie im Lichte der Enzyklika „Laudato si‘“, dass die Entwicklung des Menschen mehr sei als das Wachstum des Bruttosozialprodukts. Drei Grundprinzipien seien für eine gerechte und nachhaltige Wirtschaft von Bedeutung: Sie müsse global ausgerichtet sein und damit nicht nur für einige wenige, sondern für alle gut sein. Sie müsse generationsübergreifend sein und nicht nur gut für heute, sondern gut für die Zukunft sein. Und sie müsse den Menschen ganzheitlich betrachten und alle Aspekte einer Person berücksichtigen. Turkson bezeichnete Unternehmer als „Co-Kreatoren“. „Gute Produkte“ erkenne man daran, dass sie der Menschheit nutzten.

„Gute Arbeit“ vermeide Ausbeutung und „Guter Profit“ seine exzessive Maximierung. Turksons Überlegungen stellen damit eine theologische Grundlage von „New Work“ dar. Kardinal Turkson begrüßte die Erstellung des VAA-Jahrbuchs 2021 (vgl. Kasten) zur Bedeutung des Green Deals für die EU-Afrika- Beziehungen. Die These des Jahrbuchs ist, dass der Green Deal nur dann ein Erfolg werden könne, wenn er auf internationale Partnerschaften ausgeweitet und Afrika integriert werde. Für die chemisch-pharmazeutische Industrie und ihre Führungskräfte ist der Green Deal eine historische Chance, in wichtigen Zukunftsfeldern die Technologieführerschaft zu übernehmen. 46 von 47 Maßnahmen des Green Deals betreffen die chemische Industrie. Relevante Herausforderungen betreffen die nachhaltige Transformation der Landwirtschaft, die Schaffung von Rahmenbedingungen für eine zirkuläre Wirtschaft und der Übergang zu einer erneuerbaren Energieversorgung.

Der Blick auf Afrika wurde in weiteren Vorträgen aufgegriffen. So stellten Rebecca Trienekens-Domrös, Geschäftsführerin von Trienekens, und Martin Schoeller, CEO der Schoeller Holding, ihre Afrikaprojekte vor, die auch im VAA-Jahrbuch beschrieben wurden. Nach Ansicht von Wolfgang Große En­trup, VCI-Hauptgeschäftsführer und Mitglied des VCI-Präsidiums, sind die wichtigen ökologischen Ziele des Green Deals der EU nur dann erreichbar, wenn die Balance zwischen Ökologie, Ökonomie und Sozialem stimme. Nur Unternehmen, die erfolgreich in ihren jeweiligen Märkten sein, könnten die ökologische Transformation stemmen und ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden. Gelänge das nicht, würden wir scheitern.
Der frühere Vorstandsvorsitzende von RWE, Rolf Martin Schmitz, verwies auf die Fähigkeit der Unternehmer, auch in unsicheren Zeiten entscheidungsfähig zu sein und durch klare Zielsetzung Zielkonflikte zu entschärfen. Erneuerbare Energien seien dabei, die fossilen Energien zu verdrängen. Die Atom­energie habe als sich als zu teuer erwiesen und könnte nur noch in Ländern ohne Sonne vernünftigerweise zum Einsatz kommen. Laut dem Kreislaufwirtschaftsexperten Martin R. Stuchtey sei die Energiewende nur schaffbar, wenn es einen Prämissenwechsel gäbe. „Jedes Zeitalter ist mit einer Weltsicht verbunden. Während wir in der ersten Aufklärung unser Verhältnis zur Natur verändert haben, müssen wir in der aktuell nötigen zweiten Aufklärung die neue Prämisse denken.“ Natur habe einen Preis – und wenn der Mensch überleben wolle, müsste er für Naturverbrauch zahlen.

Klaus Hofmann, Geschäftsführer Kommunikation, VAA, Köln

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VAA-Jahrbuch „Green Deal – Chance für EU und Afrika?“
Wie kann die Energiewende in Afrika gelingen? Ist Afrika der Schicksalskontinent für Europa? Und ist der EU Green Deal eher eine Chance oder eine Belastung für die Beziehung beider Kontinente? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigt sich das aktuelle VAA-Jahrbuch „Green Deal – Chance für EU und Afrika?“
Zu Wort kommen u. a. der europäische Chemieverband CEFIC, der deutsche Verband der Chemischen Industrie und Unternehmen aus der Chemiebranche, wie BASF, Bayer, B. Braun, Beiersdorf, Boehringer Ingelheim und Merck. Herausragende Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft sind mit Gastbeiträgen vertreten, darunter Prinz Asfa-Wossen Asserate, Ursula von der Leyen und Gerd Müller. Das Buch steht ab Anfang September auf den Internetseiten des VAA kostenfrei zum Download zur Verfügung.
www.vaa.de/publikationen

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