Märkte & Unternehmen

CHEMonitor 2/2022 – Afrika

Mangelnde Rohstoffverfügbarkeit belastet deutsche Chemieunternehmen - Afrika kann hier an Bedeutung gewinnen

16.11.2022 - Drei Viertel der Chemiemanager sehen Potenzial für die deutsche Chemie in Afrika, doch über die Hälfte der Unternehmen sind dort nicht engagiert.

Die Stimmung unter deutschen Chemiemanagern sank im Oktober 2022 auf einen neuen Tiefpunkt. Bei der CHEMonitor-Befragung bewerteten nur noch gut ein Drittel der Befragten den Standort Deutschland positiv. Wesentliche Gründe dafür sind Preise und Verfügbarkeit von Rohstoffen und Energieträgern. Mögliche Lösungsräume bieten sich in Afrika.

„Für die chemische Industrie wird die Lage immer unübersichtlicher. Zu den andauernden Störungen in den Lieferketten und den unsicheren Konjunkturaussichten kommen massive Preissteigerungen bei Rohstoffen und Energieträgern verbunden mit der Gefahr extremer Knappheit in Europa“, beschreibt Josef Packowski, Managing Partner bei Camelot Management Consultants, die aktuelle Lage in der deutschen Chemiebranche. Sie spiegelt sich auch in den Ergebnissen der aktuellen CHEMonitor-Befragung wider. Für das 39. Trendbarometer CHEMonitor wurden Top-Manager der deutschen Chemieindustrie von Mitte September bis Mitte Oktober 2022 gemeinsam von CHEManager und Camelot Management Consultants befragt. Nur noch 36% bewerteten den Standort Deutschland mit „gut“. Damit sank der Anteil im Vergleich zum April 2022 nochmals um 10 Prozentpunkte auf den tiefsten Wert seit dem Start der Erhebung im Jahr 2013. Einmal mehr war der Treiber dieser Entwicklung der Standortfaktor Rohstoffverfügbarkeit, den nur 10% statt zuletzt 18% der Befragten positiv bewerteten (Grafik 1). Auch die positive Bewertung der Energiekosten erreichte mit einem Anteil von 2% einen neuen Tiefpunkt.

„In diesem Umfeld werden sich Unternehmen besser behaupten, die ihre Lieferketten gut im Griff haben und auf Veränderungen der Rahmendaten schneller reagieren. Hierbei unterstützen neue Technologien und Systeme, die es ermöglichen, Resilienz, Intelligenz und Exzellenz fest in den Lieferketten zu verankern. Unternehmen, die diese Möglichkeiten nutzen, sind eher in der Lage, Disruptionen abzufedern und ihr Geschäft bestmöglich zu steuern“, sagt Packowski.

Wichtiger Rohstofflieferant für die deutsche Chemie

Eine Lösung für die Rohstoff- und Energieprobleme der Branche sowie deren herausfordernde Aufgaben beim Klimaschutz könnte nach Ansicht der Chemieexperten in Afrika liegen, dies ergab die aktuelle CHEMonitor-Befragung zum Schwerpunktthema „Afrika“. 86% der befragten Chemiemanager gehen davon aus, dass die Bedeutung der Region Afrika als Rohstofflieferant für die Chemie in den kommenden Jahren signifikant zunehmen wird. Fast ebenso viele (82%) rechnen mit einer zunehmenden Bedeutung des afrikanischen Markts für chemische Erzeugnisse für die deutsche Chemie (Grafik 2). „Die deutsche Chemie betrachtet Afrika weiterhin primär als Rohstofflieferant und Absatzmarkt“, sagt Jörg Schmid, Studienleiter CHEMonitor bei Camelot Management Consultants. In der Tat reichen die lokalen Produktionskapazitäten in Afrika nicht aus, um die regionale Nachfrage nach Chemikalien zu decken. Der Kontinent ist ein Nettoimporteur und die Ausfuhren deutscher Chemie- und Pharmaprodukte legten seit dem Jahr 2000 um durchschnittlich 5,4 % zu.

Dennoch ist die Bedeutung des afrikanischen Markts insgesamt noch gering: Nur 1,7 % der gesamten deutschen Chemieexporte gingen 2020 nach Afrika. Dies entspricht Waren im Wert von rund 3,4 Mrd. EUR. „Das wachsende Außenhandelsdefizit im Chemikalienhandel verdeutlicht, dass auch der Chemiesektor mit den für Afrika typischen Problemen zu kämpfen hat: schlechte Infrastruktur, Bürokratie und Korruption“, schrieb Henrik Meincke, Chefvolkswirt des Verbands der Chemischen Industrie (VCI) in CHEManager.

Das mag ein Grund dafür sein, dass im Jahr 2019 nur rund 1 % aller Direktinvestitionen der Branche in Afrika getätigt wurden. Das sehr zurückhaltende Engagement deutscher Chemieunternehmen in Afrika bestätigt auch Studienleiter Schmid: „Zwar sind, was das lokale Engagement der Branche auf dem Kontinent betrifft, die Erwartungen hoch. Im Gegensatz dazu besteht auf Seiten des eigenen Unternehmens nur eine geringe Bereitschaft, vor Ort aktiv zu werden.“ Nach den Ergebnissen der CHEMonitor-Befragung erwarten 77% der Manager eine signifikante Zunahme der Bedeutung Afrikas für die deutsche Chemie, gleichzeitig sind aber lediglich bei 8% der befragten Chemiemanager die eigenen Unternehmen mit einem Produktionsstandort in Afrika präsent (Grafik 3). Und über die Hälfte (55%) antworteten, ihr Unternehmen habe gar keine Aktivitäten auf dem Kontinent. „Damit läuft die chemische Industrie Gefahr, das Wachstumspotenzial in Afrika anderen Volkswirtschaften zu überlassen“, warnt Schmid. Vor allem China hat in den vergangenen Jahren den politischen und wirtschaftlichen Einfluss auf die Staaten Afrikas erheblich ausgebaut. Inzwischen ist die Volksrepublik noch vor den USA der größte Handelspartner des Kontinents.

Afrika bedeutender Partner der EU für den Green Deal

Aktuell leben in Afrika 1,3 Mrd. Menschen. 2050 dürften es etwa doppelt so viele sein. Damit steigt auch der Konsum, und folglich der Bedarf an Chemikalien, unabhängig davon, ob sie lokal produziert oder importiert werden. Doch noch eine höhere Bedeutung als als Absatzmarkt dürfte Afrika künftig als Lieferant erneuerbarer Energie für die Chemieindustrie bekommen. Denn die Branche ist auf gewaltige Mengen grüner Energie angewiesen, wenn sie ihre Klimaschutzziele erreichen möchte. Zwei Drittel der befragten Chemiemanager gehen sogar davon aus, dass grüne Energie aus Afrika maßgeblich zum Erreichen der globalen Klimaziele beitragen wird. Und nach Meinung von 85% der CHEMonitor-Befragungsteilnehmer wird Afrika genügend erneuerbare Energie produzieren, um sich selbst und auch andere Regionen mit diesen zu versorgen (Grafik 4).

Das macht den Kontinent zum wichtigen strategischen Partner für Europa in Bezug auf die erfolgreiche Umsetzung des EU Green Deal. Bei der Befragung antworteten über die Hälfte der Chemiemanager (54%), dass eine Zusammenarbeit zwischen Europa und Afrika eine notwendige Vorrausetzung für das Gelingen des Green Deal sei. Dabei stellt sich jedoch die Frage, ob afrikanische Staaten so stark in erneuerbare Energien investieren wollen, wie sich dies die EU vorstellt, solange China günstige Kohle bietet. Eine gemeinsame Strategie für den Green Deal beider Kontinente könnte zu einer Beziehung auf Augenhöhe zwischen Afrika und Europa beitragen. Dazu bedarf es eines Green Deal, der nicht als protektionistische Maßnahme der EU verstanden wird.

Andrea Gruß, CHEManager

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