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Afrika – Chance für den Green Deal

VAA veröffentlicht Jahrbuch zur EU-Afrika-Beziehung

18.08.2021 - Afrika und Europa sind grundverschieden. Aber sie brauchen einander – zum Beispiel bei der Umsetzung ehrgeiziger Klimaziele.

Afrika und Europa sind grundverschieden. Aber sie brauchen einander. Rund um diese These dreht sich das Jahrbuch 2021 des Führungskräfte­verbands VAA. Namhafte Autoren aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft beleuchten unterschiedliche Facetten des Themas, informieren über Entwicklungen in Afrika und stellen ihre Perspektive auf die Beziehungen zwischen der EU und Afrika sowie deren Bedeutung für den Erfolg des Green Deal dar. Andrea Gruß sprach über die Inhalte des in Kürze erscheinenden Jahrbuchs mit Klaus Bernhard Hofmann, Geschäftsführer Kommunikation beim VAA.

CHEManager: Herr Hofmann, Ihr Aufhänger für das VAA-Jahrbuch 2021 ist das Thema „Eurafrika“ – ein Begriff, der im vergangenen Jahrhundert geprägt wurde und für die gegenseitige Abhängigkeit beider Kontinente steht. Was hat Sie zu dieser Themenwahl bewegt?

Klaus Bernhard Hofmann: Die hohe Aktualität und Bedeutung des Themas. Ob die Herausforderungen nun geopolitischer, pandemischer oder wirtschaftlicher Natur sind, ob sie nun Migration oder Ressourcenknappheit heißen: Ohne Afrika wird Europa keine zukunftsträchtigen Antworten finden. Das Potenzial in der Beziehung beider Kontinente thematisierte der Soziologe Wolf Lepenies bereits vor einigen Jahren in seinem grandiosen Buch „Die Macht am Mittelmeer“. Darin fordert er auf, sich zwar nicht an den Hintergedanken, aber an den Plänen des ehemaligen französischen Außenministers Robert Schuman aus den 1950er Jahren für eine „Mittelmeerunion“ zu orientieren und einen fairen Interessensausgleich zwischen beiden Kontinenten zu schaffen. Inspiriert durch Lepenies kam mir die Idee, das Thema „Eurafrika“ im aktuellen politischen Kontext neu zu beleuchten. Bereits für das vergangene Jahr kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einen EU-Afrika-Gipfel an, der coronabedingt voraussichtlich erst im kommenden Jahr stattfinden wird. Gemeinsames Ziel ist die Strategieentwicklung für eine neue Partnerschaft zwischen Europa und Afrika, die von der bisherigen Geber-Empfänger-Beziehung abrückt.

Aus welchen Blickwinkeln beleuchten Sie das Thema?

K. B. Hofmann: Neben den wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Themen werden Lösungen für eine nachhaltige Transformation der Landwirtschaft, Modelle für eine zirkuläre­ Wirtschaft sowie die Energie wende in Afrika, aber auch spezielle branchenrelevante Themen wie eine gemeinsame Chemikalienstrategie behandelt. Ein ganz besonderer Fokus des VAA-Jahrbuchs liegt dabei auf der Bedeutung des Green Deal für die EU-Afrika-Beziehung.
Insgesamt konnten wir über 40 internationale Experten für die Publikation gewinnen, darunter Unternehmenslenker, Vertreter von Verbänden, Politiker und Wissenschaftler oder Start-up-Gründer, die sowohl aus der Perspektive Europas als auch Afrikas über das Thema berichten und damit einen Beitrag zum Dialog leisten.

Sie betonen die Bedeutung des Green Deal für die Beziehung der EU zu Afrika. Worauf führen sie diese zurück?

K. B. Hofmann: Was wäre ein geeigneteres Instrument als das Jahrhundertprojekt Green Deal, um auf einem Weg zu einer Beziehung auf Augenhöhe voranzukommen? Der Green Deal ist bislang ein europazentriertes Maßnahmenbündel. Er wird nur wirken, wenn die EU internationale Partnerschaften entfalten kann. Wechselwirkungen mit benachbarten Regionen müssen erkannt und zum beiderseitigen Vorteil gestaltet werden. Bei der Strategie für die Umsetzung des Green Deal mit Blick auf Afrika kommt der Chemieindustrie eine Schlüsselrolle zu. Zum einen, weil die Branche mehr als jede andere betroffen ist – nach dem Verband der Chemischen Industrie betreffen 46 der 47 politischen Maßnahmen des Green Deal die Chemie – zum anderen, weil Chemieunternehmen einen überdurchschnittlichen Beitrag zum Erfolg des Projekts leisten können – und zwar sowohl in Europa als auch in Afrika.

Welche Rolle spielt die Region Afrika aktuell für die Chemiebranche?

K. B. Hofmann: Nur eine untergeordnete Rolle. Bislang ist der Handel der Branche mit Afrika eine Einbahnstraße. Nur 0,6 % oder 0,5 Mrd. EUR der gesamten deutschen Chemieimporte stammten im Jahr 2019 aus Afrika. Etwa das fünffache Volumen, chemische Erzeugnisse für 2,5 Mrd. EUR, umfassen dagegen die Exporte in die Region. Doch das könnte sich schon bald ändern (vgl. Chemiekonjunktur Seite 4). Afrika ist einer der Kontinente, die in den kommenden Jahrzehnten ein starkes Bevölkerungswachstum verzeichnen werden. Aktuell leben in Afrika 1,3 Mrd. Menschen. 2050 dürften es etwa doppelt so viel sein. Damit steigt auch der Konsum und folglich der Bedarf an Chemikalien, unabhängig davon, ob sie lokal produziert oder importiert werden. Hierin liegt nicht nur eine große Chance, sondern auch eine besondere Verantwortung. Die wachsende Nachfrage nach Chemikalien in Afrika sollte mit besseren Chemikaliensicherheitsvorschriften einhergehen. Die chemische Industrie kann Initiativen zum Kapazitätsaufbau in Schwellenländern mit ihrem Know-how unterstützen und ihr Fachwissen über den sicheren Umgang mit Chemikalien teilen. Zudem unterstützt die Branche das Ziel der Vereinten Nationen für die weltweite Umsetzung des globalen harmonisierten Systems zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien, abgekürzt GHS, sowie eine strenge Überwachung der Fortschritte bei künftigen Handels- und Entwicklungsabkommen zwischen der EU und afrikanischen Ländern.

Wie entwickelt sich die afrikanische Wirtschaft?

K. B. Hofmann: Nach Jahrzehnten der Stagnation zeigt der Kontinent seit dem Jahr 2000 ein dynamisches Wachstum. Aktuell sind nach Angaben des Internationalen Währungsfonds unter den Top 10 der Länder mit den höchsten Zuwachsraten gleich sechs Staaten aus Afrika, darunter Äthiopien, die Elfenbeinküste und Senegal. Dieser positive Trend dürfte sich fortsetzen. Motor dafür ist das Abkommen der African Union zur panafrikanischen Freihandelszone AFCFTA, das Anfang 2021 in Kraft trat. Die 54 afrikanischen Länder, die das Abkommen ratifiziert haben, müssen nun bis 2063 die vereinbarten Ziele in nationales Recht umzusetzen. Konkret heißt das: Zölle abbauen, den Handel erleichtern, für eine moderne Infrastruktur sorgen und die Märkte stärker integrieren. Mit der Freihandelszone entsteht ein Wirtschaftsraum mit einem Bruttoinlandsprodukt von umgerechnet rund   2 Bio. EUR. Zum Vergleich: 16 Bio. EUR erwirtschaften die 27 Staaten der EU aktuell. Da ist es nur nachvollziehbar, dass Europa beim Thema Klimaschutz weiter ist als Afrika.

Wie können die Regionen ihre Kräfte im Bereich des Klimaschutzes bündeln?

K. B. Hofmann: Das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik nennt die Themen Energie und Energiewende, Handelsbeziehungen und Kreislaufwirtschaft, mehr Resilienz und nachhaltige Transformation der Landwirtschaft als Zukunftsfelder für die Zusammenarbeit zwischen Europa und Afrika beim Klimaschutz. Diese betreffen die chemische Industrie in vielfältiger Weise: Ob es beim Thema Energie um die Erzeugung, Speicherung und Verteilung von erneuerbarer Energie geht oder beim Thema Kreislaufwirtschaft um das Recycling von Kunststoffen, Verpackungen, Batterien oder Elektroschrott. Auch bei Maßnahmen für eine nachhaltige Landwirtschaft zur Erhaltung von Wasser, Boden, Luft ist die europäische Chemieindustrie mit an Bord. Umgekehrt profitiert sie von grünem Wasserstoff aus nordafrikanischen Staaten sowie einer partnerschaftlichen und resistenten Versorgung mit Schlüsselmaterialien wie Kobalt oder Lithium.

Wie kann eine Partnerschaft hier gestaltet werden?

K. B. Hofmann: Mit der Rolle des Green Deal bei grünen Transitionen­ in der Beziehung zwischen Afrika und Europa befasst sich die European Think Tanks Group, ein Netzwerk europäischer und afrikanischer unabhängiger Think Tanks. Die sogenannten grünen Transitionen verbinden die Klimaagenda mit einem innovativen, sozioökonomischen Projekt zur Schaffung von Arbeitsplätzen und nachhaltigem Wachstum. Sie sind Schlüsselthemen in der African Union und der Europäischen Union, doch beide gehen aus sehr unterschiedlichen Perspektiven an diese heran.
 

„Wir müssen mehr mit Afrika reden.
Das VAA-Jahrbuch leistet einen Beitrag dazu.“

 

Das ETTG-Netzwerk fordert daher, dass sich die EU-In­stitutionen und ihre Mitgliedstaaten mit den strategischen Zielen und Interessen der afrikanischen Länder stärker auseinandersetzen. Weder Europa noch Afrika haben eine Blaupause dafür, wie klimaneutrale Gesellschaften und Volkswirtschaften aussehen sollen. Die Frage ist zum Beispiel, ob afrikanische Staaten so stark in erneuerbare Energien investieren wollen wie sich dies die EU vorstellt, solange China günstige Kohle bietet. Hier muss die EU Afrika eine überzeugende Exitstrategie aus der Krise bieten. Dies können Themen wie Impfstoffversorgung, finanzielle Hilfen, Wiederaufbau, aber eben auch ein Green Deal sein, der nicht als protektionistische Maßnahme der EU verstanden wird.

Die Botschaft zahlreicher Autoren im Jahrbuch lautet: Eine gemeinsame Strategie für den Green Deal kann zu einer Beziehung auf Augenhöhe zwischen Afrika und Europa beitragen. Um diese zu entwickeln, müssen wir mehr mit Afrika reden. Das VAA-Jahrbuch leistet einen Beitrag dazu.

Das Interview mit Klaus Bernhard Hofmann führte Andrea Gruß, CHEManager

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ZUR PERSON
Klaus Bernhard Hofmann ist seit 2014 für den VAA und dessen politischen Dachverband ULA tätig. Als Mitglied der Geschäftsführung verantwortet er den Bereich Public Affairs und ist zugleich Pressesprecher beider Verbände. Zuvor war Hofmann Leiter Corporate Public Relations/Public Affairs bei Schott und Pressesprecher im Thüringer Wirtschaftsministerium. Seine berufliche Laufbahn begann er bei der Europäischen Kommission in Brüssel. Hofmann studierte Romanistik, Germanistik und Politik in Mainz, Genf und Paris.

 

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VAA-Jahrbuch 2021

Wie kann die Energiewende in Afrika gelingen? Ist Afrika der Schicksalskontinent für Europa? Und ist der EU Green Deal eher eine Chance oder eine Belastung für die Beziehung beider Kontinente? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigt sich das aktuelle VAA-Jahrbuch „Green Deal – Chance für EU und Afrika?“
Zu Wort kommen u. a. der europäische Chemieverband CEFIC, der deutsche Verband der Chemischen Industrie (VCI) und Unternehmen aus der Chemiebranche, wie BASF, Bayer, B. Braun, Beiersdorf, Boehringer Ingelheim und Merck. Herausragende Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft sind mit Gastbeiträgen vertreten, darunter Prinz Asfa-Wossen Asserate, Ursula von der Leyen und Gerd Müller.
Das Buch steht ab Anfang September auf den Internetseiten des VAA kostenfrei zum Download zur Verfügung.

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