Klimaschutz: Chemiebranche setzt sich an die Spitze der Bewegung
Index Net-Zero-Studie von Uniper belegt Vorreiterrolle der Branche
Die deutsche Industrie treibt ihre Anstrengungen zur Dekarbonisierung voran. Unternehmen vieler Branchen wollen ihre CO2-Emissionen reduzieren. Um das Ziel erreichen zu können, braucht es eine Strategie – und genau daran mangelt es vielerorts noch. Das ist ein Ergebnis des Uniper-Reports „Index Net-Zero“ für den mehr als 500 Entscheider und Verantwortliche in den Sektoren Chemie, Automobil, Konsumgüter, Glas und Keramik, Metall, Zellstoff und Papier sowie Energieversorger und Stadtwerke befragt wurden.
Dabei zeigte sich ein unterschiedlicher Status quo bei den verschiedenen Unternehmen: Während 94% ein konkretes Dekarbonisierungsziel haben, verfügen nur 38% über eine entsprechende Strategie. Bei weiteren 40% wird daran noch gearbeitet. Von den Unternehmen mit definiertem Ziel streben jedoch wiederum nur 42% tatsächlich Netto-Null an. Die Mehrheit (52%) will die CO2-Emissionen um immerhin mehr als 50% senken.
Jedoch gibt es branchenspezifische Unterschiede: Nur in der Chemiebranche strebt mit 55% der Nennungen die Mehrheit ein echtes Netto-Null-Ziel an – obwohl die Produktion in der Chemiebranche sehr energieintensiv ist (vgl. Grafik 1). Ganze 46% der Studienteilnehmer aus der Chemiebranche verfügen sowohl über ein konkretes CO2-Reduktionsziel als auch über eine ausgearbeitete Strategie. Damit positioniert sich die Branche als Vorreiter in Sachen Emissionsminimierung.
Zwar haben sich viele Unternehmen in Deutschland zu einer CO2-Einsparung verpflichtet, der Weg dorthin scheint aber oft noch nicht ganz klar. Anders in der Chemiebranche: Hier zeigte sich zumindest die Hälfte ausreichend informiert über mögliche Lösungen der Energie- und Nachhaltigkeitsfrage. Nur 9% waren mehr oder weniger uninformiert. Hauptmotiv zum Handeln war dabei neben dem hohen Erwartungsdruck von Verbrauchern und Gesetzgeber vor allem die Einsicht, dass es keine Alternative zur Emissionsreduktion gibt, wenn die allgemeinen Lebensgrundlagen erhalten werden sollen (43%).
Auch die Terminsetzung für das Erreichen der selbstgesteckten Ziele ist im Branchenvergleich durchaus ehrgeizig: Immerhin 3 % wollen spätestens 2030 soweit sein, 33% peilen das Jahr 2035 an. Mit 58% ist sich die überwiegende Mehrheit „ziemlich sicher“, die eigenen Ziele auch zu erreichen.
Befragt wurden Repräsentanten aus mehreren Unternehmensbereichen – u. a. auch dazu, wie sie die Geschäftsleitung in puncto Nachhaltigkeit einschätzen. Das Resultat ist überraschend positiv: 42% vertrauen „stark“ auf die Fähigkeiten der Unternehmensführung, 40% sehen eine klare Priorisierung von Umweltbelangen in der Unternehmenspolitik.
„Der Report zeigt, dass die Chemiebranche die Herausforderung erkannt und angenommen hat – und zwar stärker noch als viele andere. Interessant ist, dass die langfristige Wirtschaftlichkeit ein wesentliches Motiv darstellt und erste Handlungsoptionen klar benannt werden. Die Strategie für den Wandel ist meistenteils vorhanden, die Ziele stehen fest. Nun kommt der steinige Weg der Umsetzung.“
Dietrich Sümmermann, Head of Net Zero Solutions, Uniper
Mit der CO2-Steuer hat der Gesetzgeber ein Instrument geschaffen, von dem er sich eine wesentliche Lenkungswirkung verspricht. Nach Meinung von 52 % der Studienteilnehmer aus der Chemiebranche hat die Einführung der Steuer die eigenen Bemühungen intensiviert und zeigt eine klare finanzielle Hebelwirkung (60%).
Was aber plant die Chemiebranche im Einzelnen? Hier geht es laut Studie neben den Rahmenbedingungen wie einer Roadmap (22%) und der Finanzierungssicherung (16%) vor allem um den Umstieg auf erneuerbare Energieträger (23-22%), den Einsatz von Voluntary Emission Reductions (VER) zur Kompensation (19%), die Optimierung der operativen Prozesse (21%) sowie die Modernisierung der bestehenden Anlagen (23%).
Besondere Hürden sehen die Chemievertreter vor allem im internen finanziellen Druck (28%) sowie in mangelnder interner Unterstützung durch Geschäftsleitung und Investoren (26 bzw. 23%). Auch die Verfügbarkeit von Ressourcen, Kompetenzen und praktikablen Lösungsansätzen lässt nach Ansicht von 38 resp. 33 sowie 28% zu wünschen übrig. Dennoch sehen 63 % insgesamt gute Fortschritte.
Der Report zeigt einerseits die hohe Bereitschaft und ein bestimmtes Selbstvertrauen in der Chemiebranche, wenn es um eine umweltfreundliche Wende geht. Auf der anderen Seite haben die Verantwortlichen aber auch einen klaren Blick auf vorhandene Defizite und Mängel – insgesamt nicht die schlechtesten Voraussetzungen dafür, dass der Wandel in der Chemiebranche Fahrt aufnimmt. (ag)