Die Energiemärkte in Zeiten der Covid-19-Pandemie
Kohleausstieg in Deutschland unterstreicht die Bedeutung von Gas als Partner der erneuerbaren Energien
Auf dem Ölmarkt konnte ein drastischer, pandemieindizierter Preisrückgang beobachtet werden. Der Preis für Rohöl der Sorte Brent lag bspw. im Jahresdurchschnitt 2020 mit 43 USD/Barrel deutlich unter dem durchschnittlichen Niveau von 2019 mit 64 USD/Barrel.
Besonders bemerkenswert war die Situation in der ersten Jahreshälfte 2020, da sowohl die US- als auch die Brent-Futures im März aufgrund der Pandemie und des Ausbruchs eines Preiskampfs zwischen Russland und Saudi-Arabien massiv an Wert einbüßten. „Höhepunkt“ in der ersten Jahreshälfte war ein, wenn auch kurzfristiger, negativer Ölpreis von ca. 40 USD/ Barrel für einen abnahmepflichtigen Terminkontrakt (Mai-Future) der Sorte WTI (West Texas Intermediate).
Der weltweite Ölbedarf erreichte zwischenzeitlich aufgrund der Coronakrise einen historischen Einbruch (-30 %). Mit dem einhergehenden Preisverfall wurden die größten Produktionskürzungen der Geschichte vereinbart: In den Monaten Mai bis Juli reduzierte die OPEC+ ihr Angebot um knapp 10 Mio. Barrel/ Tag. Bis zum Ende des Jahres blieb die OPEC+ Produktion deutlich gedrosselt. Dennoch erholten sich die Ölpreise im zweiten Halbjahr im Zuge der wirtschaftlichen Erholung und mit der Aussicht auf ein baldiges Einsetzen von Impfkampagnen ging der Preisanstieg auch im aktuellen Jahr weiter.
Gasmarkt
Auch bei den globalen Gaspreisen konnte bis zur Jahresmitte 2020 ein deutlicher Preisrückgang verzeichnet werden. Während zu Beginn der Pandemie, sowohl Nachfrage als auch Preis noch recht stabil waren, trafen dann im Verlauf des Jahres volle Speicher, neue Verflüssigungsanlagen für Erdgas in den USA sowie eine geringere Nachfrage in Asien aufeinander. Dies führte zu einem Überangebot an LNG und zu historischen Tiefständen beim Gaspreis. Das Intraday-Tief beim Day-Ahead-Preis lag bei 1,75 EUR/ MWh.
Dieser Preisverfall führte wiederum zu erheblichen Stornierungen von LNG-Lieferungen aus den USA, was letztendlich preisstabilisierend wirkte.
Klimafaktoren
2020 war auch bezogen auf das Wetter ein außergewöhnliches Jahr und insbesondere der Winter 2020/2021 hatte massiven Einfluss auf die Energiemärkte.
Die Großwetterlage der Nordhalbkugel wurde von einem La-Niña-Ereignis im Pazifik sowie einem instabilen Polarwirbel beeinflusst. Die erste Kältewelle erfasste den asiatischen Raum und führte zu einem deutlichen Nachfrageanstieg im Dezember 2020 und vor allem Januar 2021. Die daraus resultierende massive Ausweitung des Spreads zwischen dem niederländischen Handelspunkt TTF (Titel Transfer Facility) und dem JKM (Japan-Korea-Marker) von in der Spitze ca. 70 EUR/ MWh führte dazu, dass LNG-Mengen nicht nach Nordwesteuropa sondern nach Asien gingen und dann für die europäische Versorgung fehlten. Daher wurden bereits ab diesem Zeitpunkt die Erdgasspeicher in Europa stark beansprucht, um den verringerten LNG-Import zu kompensieren.
Die anschließende Kältewelle in Europa führte zu tagelangem Dauerfrost im Februar und ließ die Ausspeisungen aus den Erdgasspeichern erneut massiv ansteigen, um die Nachfrage zu bedienen. Da die Kältewelle jedoch nur kurz dauerte und sich die LNG-Ankünfte deutlich erholten, zeigten sich keine weiteren Preisextreme. Die Speicher sorgten insgesamt für eine sichere Versorgung und Vermeidung von massiven Preisanstiegen.
Erdgasgroßhandel in Deutschland
Die Pandemie hat den Gasverbrauch in der Großindustrie Deutschlands nach unserer Wahrnehmung erstaunlicherweise so gut wie gar nicht beeinflusst. Verringerungen im Erdgasbedarf durch kurzzeitige Stilllegung von Produktionslinien traten zwar auf, bewegten sich jedoch im Rahmen der vertraglich vereinbarten Jahresflexibilitäten. Auch eine spürbare Insolvenzwelle ist bislang nicht zu beobachten – weder bei den großen noch bei den kleinen industriellen Gasverbrauchern.
Glücklicherweise sind die Prozesse in der Energiewirtschaft zu nahezu 100 % digitalisiert, was den Wechsel ins Homeoffice erheblich erleichterte. Aber natürlich leidet das Neukundengeschäft. Viele Unternehmen wählten den einfachen und sicheren Weg und verlängerten ihre Verträge kurzfristig um ein, zwei Jahre mit ihrem Bestandslieferanten.
Ausblick
Die Marktentwicklungen der letzten Zeit haben noch einmal klar verdeutlicht, dass die Einflüsse der Energiemärkte globaler Natur sind. Auch Kälteeinbrüche in Asien oder ein liegengebliebenes Containerschiff im Suezkanal bewegen die Energiepreise an den deutschen Handelspunkten, was mit einer deutlichen Zunahme der Volatilität einhergeht. Eine fundierte analytische Preisbeobachtung ist deshalb von zunehmender Wichtigkeit, um den richtigen Einkaufszeitpunkt für Energie zu finden.
Als klimafreundlicher Energieträger und flexibler Komplementär zu den erneuerbaren Energien wird Erdgas mit seinen vielfältigen Anwendungsgebieten noch auf lange Sicht eine wichtige Rolle im Energiemix spielen. Der beschlossene Ausstieg aus der kohlebasierten Energieerzeugung in Deutschland unterstreicht die Bedeutung von Gas als Partner der erneuerbaren Energien und sichert mittel- und langfristig die Strom- und Wärmeerzeugung ab.
Im Zuge der laufenden Transformation der Energiemärkte fokussiert sich die strategische Ausrichtung der VNG Handel & Vertrieb zudem auf die Entwicklung des dekarbonisierten Geschäfts und der Handel mit synthetischen Gasen sowie Biogas wird zukünftig eine immer wichtigere Rolle spielen.
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