Wie viel ist dein Wasserstoff wert?
Preistransparenz und Auktionen sollen den Wasserstoffmarkt in Schwung bringen
Das liegt vor allem daran, dass große Unsicherheit besteht, wie viel das grüne Gas später am Markt kostet. Im Folgenden wird erläutert, welche Preise aktuell ermittelt werden.
Mit Wasserstoff aus erneuerbaren Energien sollen viele Industriebetriebe in Deutschland die gesteckten Klimaziele erreichen. Das grüne Gas ist für einige Branchen aktuell die einzige Lösung, um den CO2-Ausstoß wirksam zu reduzieren. Daher sind auch viele Projekte in der Planung, doch umgesetzt werden aktuell nur sehr wenige. Als wesentliches Hemmnis sieht der Vorstandsvorsitzende der Leipziger Energiebörse EEX, Peter Reitz, einen fehlenden Marktpreis. „Eine Preistransparenz ist eine wichtige Voraussetzung, um Investitionsentscheidungen zu treffen“, sagte Reitz zuletzt vor Mitgliedern der Bundestagsfraktion der Grünen, die die EEX besuchten.
Die EEX versucht daher, einen Marktplatz für grünen Wasserstoff zu schaffen. Vor gut einem Jahr hat die Energiebörse den Preisindex Hydrix erstellt. „Es handelt sich dabei um eine Preisabfrage bei Anbietern und Abnehmern von grünem Wasserstoff“, erläutert Daniel Wragge, Director Political & Regulatory Affairs bei der EEX. Einmal wöchentlich wird der Index veröffentlicht. Mitte Juli lag der Preis bei 244 EUR/MWh, das sind umgerechnet rund 7 EUR/ kg. Der Preis wird für Deutschland ermittelt – oft ohne Transportkosten (das liegt am Melder der Preise).
Auch wenn der Hydrix Transparenz über Marktpreise schaffen soll, gibt es von der Börse keine genauen Angaben zu der Anzahl der Melder. Der Preis wird laut Wragge aus einem Mittel von Angebots- und Nachfragepreisen erstellt. „Weil der Markt noch klein ist, veröffentlichen wir die Anzahl der Unternehmen, die uns mit Preisen beliefern, noch nicht, sie nimmt aber kontinuierlich zu. Bereits mehr als 40 Unternehmen haben den Hydrix abonniert und nutzen ihn“, verrät Wragge zumindest. Es handele sich u.a. um Versorgungsunternehmen, Handelshäuser und industrielle Verbraucher.
Elektrolysekapazitäten steigen
Aktuell gibt es in Deutschland laut Erhebungen des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln (EWI) etwa 30 kleinere Elektrolyseure mit einer Anlagengröße von 66 MW. Ein Elektrolyseur spaltet – vereinfacht dargestellt – mit Ökostrom Wasser in die Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff. Der große Vorteil: Anders als Strom ist Wasserstoff gut speicherbar. Berücksichtigt man laut EWI alle angekündigten Projektvorhaben, erreicht Deutschland bis 2030 eine Elektrolysekapazität von 10,1 GW. Das Ziel der Bundesregierung wäre damit erreicht. Aktuell gibt es jedoch nur für 3 % eine finale Investitionsentscheidung.
Das Beratungsunternehmen E-Bridge Consulting veröffentlicht bereits seit März 2021 den Wasserstoff-Index „Hydex“ für grünen, blauen und grauen Wasserstoff.
Der ermittelt nicht einen Marktpreis, sondern die marginalen Produktionskosten – ohne Kapital –, Transport- und Vertriebskosten in Deutschland. Laut Principal Consultant Philipp Heuser sind die wichtigsten Variablen die täglich veränderten Strom- und Gaspreise sowie die Preise für CO2-Emissionen. Je nach den tagesaktuellen Strom-Spotmarktpreisen schwankt der Hydex Green. Im vergangenen halben Jahr gab es Spitzenkosten von 197 EUR/MWh (6,60 EUR/kg) auf der einen Seite und niedrige Kosten von 19 EUR/MWh (0,80 EUR/kg) auf der anderen Seite. Nach Heusers Einschätzung werden die schwankenden Strompreise künftig auch den Betrieb von Elektrolyseuren bestimmen: „Immer dann, wenn sehr viel erneuerbare Energie im Netz ist, die Strompreise damit niedrig sind, werden die Elektrolyseure Wasserstoff produzieren.“
Die Produktionskosten des grauen Wasserstoffs, der aus Erdgas hergestellt wird, lagen laut dem Hydex Grey in den vergangenen Monaten um 84 EUR/MWh (2,80 EUR kg). Obwohl grauer Wasserstoff ein wichtiger Grundstoff für viele Chemieunternehmen ist, gibt es keinen Börsenpreis in Deutschland. Die großen Produzenten wie Linde und Air Liquide verhandeln mit ihren Abnehmern individuell. Abgeleitet aus den Produktionskosten und einer zusätzlichen Gewinnmarge dürfte das Kilogramm grauer Wasserstoff aktuell durchschnittlich wohl 3 bis 3,20 EUR kosten.
Eines der größten deutschen Elektrolyseurprojekte wird aktuell im Mitteldeutschen Chemiedreieck geplant. Der Leipziger Gaskonzern VNG will zusammen mit dem niederländischen Wasserstoffunternehmen HyCC einen industriellen Elektrolyseur zur Produktion von grünem Wasserstoff in der Region errichten. Mehrere Anlagen sollen eine Gesamtleistung von 500 MW haben, kündigte Technikvorstand Hans-Joachim Polk bereits im April 2024 an. Das Projekt befinde sich noch in einer frühen Phase, ergänzte er.
Anteilseigner von HyCC ist das niederländische Chemieunternehmen Nobian, das im Chemiepark Bitterfeld-Wolfen bereits eine Chlor-Alkali-Elektrolyseanlage betreibt, in der Chlor und grüner Wasserstoff hergestellt werden. Polk betonte: „Der grüne Wasserstoff soll vor allem als Rohstoff für die Chemieindustrie in Mitteldeutschland zur Verfügung gestellt werden.“ Nach Einschätzung von VNG liegen die aktuellen Preise für grünen Wasserstoff in Deutschland bei 8 bis 10 EUR/kg. Derzeit baut VNG mit Partnern im Energiepark Bad Lauchstädt, Sachsen-Anhalt, in einem geförderten Pilotprojekt einen Elektrolyseur mit einer Leistung von 30 MW auf. Abnehmer soll die Total-Energies-Raffinerie in Leuna sein.
Auktionsverfahren für grünen Wasserstoff
Um den Wasserstoffmarkt in Schwung zu bringen, hat die Bundesregierung ein Auktionsverfahren etabliert, das mit Milliarden Euro unterstützt werden soll. Die Ergebnisse der ersten Ausschreibungsrunde für den Import grüner Wasserstoffprodukte im Rahmen des Programms H2Global wurden am 11. Juli 2024 veröffentlicht: Zwischen 2027 und 2033 werden mindestens 259.000 t grünen Ammoniaks als Wasserstoffträger nach Deutschland exportiert, teilte das Bundeswirtschaftsministerium mit. Das entspreche in der Summe mehr als 10 % der jährlichen deutschen Ammoniakproduktion. Der Produktionspreis liegt den Angaben zufolge bei 811 EUR je Tonne Ammoniak. „Daraus kann ein Preis von weniger als 4,50 EUR/kg grünen Wasserstoffs abgeleitet werden“, so das Ministerium. Damit liege nun erstmals ein Marktpreis vor. Geliefert werden soll das Ammoniak zum Seehafen nach Rotterdam für einen Preis von 1.000 EUR/t.
Die H2Global-Stiftung wurde vom Bund gegründet. Sie soll weltweit grünen Wasserstoff per Auktion einkaufen, der dann in Deutschland per Auktion verkauft wird. Die Differenz zwischen Angebots- und Nachfragepreis übernimmt der Bund.
Abgewickelt wird das Verfahren über das neu gegründete Leipziger Unternehmen Hintco, das kooperiert bei der Auktionsplattform mit der Energiebörse EEX. Es handelt sich um eine Art Doppelauktion. Im ersten Schritt wurde jetzt der günstigste Anbieter ausgewählt. 22 Unternehmen gaben den Angaben zufolge Angebote ab. Den Zuschlag erhielt das Unternehmen Fertiglobe (eine Tochter des Energiekonzerns ADNOC aus Abu Dhabi), das mit Wind- und Solarenergie das grüne Ammoniak in Ägypten herstellen will, heißt es bei H2Global. Die Produktionsanlagen sollen nun bis 2027 errichtet werden.
„Dieses Auktionsergebnis ist ein deutliches Indiz für das Marktpotenzial von erneuerbarem Wasserstoff und seinen Derivaten“, sagt Timo Bollerhey, CEO von Hintco und Mitgründer von H2Global. Die Energiewende erfordere ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis und praktikable Lösungen. „Die erste Pilotauktion hat gezeigt, dass Finanz- und Beschaffungsinnovationen wie der Mechanismus von H2Global nicht nur funktionieren, sondern auch erforderlich sind, um florierende Märkte zu schaffen, die privates Kapital motivieren und mobilisieren“, so der Hintco-Chef.
Steffen Höhne, Wirtschaftsjournalist, Markkleeberg