Bio-LNG beschleunigt Dekarbonisierung im Straßengüterverkehr
Der Weg zu Klimaneutralität im Straßengütertransport beginnt mit verflüssigtem Bio-Methan
Mit dem Aufbau einer vollständigen Lieferkette für CO₂-neutrales LNG auf Basis von Biomethan und der geplanten Gasverflüssigungsanalage in der Rheinland Raffinerie gibt Shell der Dekarbonisierung des Straßentransports einen deutlichen Schub.
Erst vor kurzem hat sich die EU-Kommission für verschärfte Klimaziele ausgesprochen: 55 % Treibhausgasminderung bis 2030. Das ist gut. Schnellere Dekarbonisierung verlangt aber eben auch schnelleres Handeln. Das gilt insbesondere für den Verkehrssektor: Lkw repräsentieren zwar nur knapp 6 % aller Fahrzeuge auf deutschen Straßen, aber 30 % der gesamten Verkehrsemissionen und damit knapp 6 % der gesamtdeutschen CO2-Emissionen. Dabei ist die Frage der Dekarbonisierungspfade für den Sektor keineswegs nur technologischer Natur, sondern auch eine der Wettbewerbsfähigkeit und des Timings.
Grundsätzlich gilt, dass der Weg zu Klimaneutralität auf der Straße mehrere Pfade hat. Gemein ist ihnen, dass sie ihren Anfang in erneuerbaren Energien nehmen: Wind, Solar und Biomasse. Diese Energie gilt es sprichwörtlich auf die Straße zu bringen – entweder als Elektron über Batterieantrieb mit Strom aus dem Netz oder der Brennstoffzelle mit Wasserstoff gefüttert oder als Molekül für die uns vertrauten Verbrennungsmotoren. Wir reden dann über Biokraftstoffe der neuen Generation und Bio-LNG. Perspektivisch wird es vielleicht um eFuels gehen, wo die meisten an synthetischen Diesel denken, aber auch eLNG durchaus denkbar ist und ggf. sogar kostengünstiger sein könnte.
„Lkw repräsentieren auf deutschen Straßen 30% der gesamten Verkehrsemissionen.“
Lkw der Zukunft
Der Verbrennungsmotor ist also keineswegs tot: Hier steckt große Energieeffizienz, vertraute Technik, Reichweite und wir haben wettbewerbsfähige CO2-arme und sogar CO2-freie Kraftstoffoptionen.
Die Rheinland Raffinerie als Motor und Herzstück der Shell Aktivitäten in Deutschland wird eine Schlüsselrolle spielen, um die Produkte bereitzustellen, die sich zusehends von unserem heutigen rohöldominierten Angebot unterscheiden und mehr und mehr zu regenerativen Lösungen wie synthetischen und Biokraftstoffen sowie grünem Wasserstoff wandeln werden.
Shell richtet sich danach aus, was Kunden für welche Art der Anwendung brauchen und für sie wirtschaftlich ist. Das hängt wesentlich davon ab, welche Technik für welche Anwendung zu welchem Zeitpunkt ausgereift ist bzw. sein wird.
Batterie- oder Wasserstoffelektrik sind für Lkw zumindest im Langstreckenverkehr aber noch Zukunftsmusik. Technik und Wirtschaftlichkeit sind noch nicht soweit. Die Batterien wären zu groß und zu schwer. Und die Brennstoffzellen-Modelle der schweren Lkw-Klasse für den Langstreckenverkehr müssen erst noch zur Marktreife entwickelt und dann auch kostengünstig gebaut werden. Shell arbeitet mit Lkw-Herstellern und auch anderen Partnern an diversen Projekten, Wasserstoff für den Güterstraßenverkehr zur echten Option zu machen. Große Lkw-Serien und auch die Infrastruktur werden aber erst für die 2030er Jahre erwartet. Das greift also erst jenseits des großen angepeilten CO2-Minderungsmeilensteins im Jahr 2030.
In der Zwischenzeit brauchen Logistiker und Speditionen Lösungen, die heute und in den kommenden Jahren CO2-ärmer als Dieselantriebe sind. Unter dem Eindruck der Klimadebatte und des nunmehr spürbaren Klimawandels verlangen das immer mehr Auftraggeber und letztlich auch Endkunden.
CO₂-neutrales LNG für den Straßengüterverkehr
Genau hier kann verflüssigtes Erdgas, also LNG, einen wesentlichen Beitrag leisten. Bereits bei LNG auf fossiler Basis können bis zu 22 % CO2 eingespart werden gegenüber Diesel. Wenn statt fossilem Erdgas Bio-Methan aus z.B. Gülle genutzt wird, geht es sogar CO2-neutral. Die Technik ist erprobt und vorhanden, Lkw sind verfügbar. Mit etwas Anschubfinanzierung ist der Markthochlauf schnell zu schaffen. Das zeigen die Zulassungszahlen seit Einführung der Mautbefreiung für gasbetriebene Lkw sowie der rasante Zubau von LNG-Tankstellen, den Shell wesentlich mit vorantreibt.
In Deutschland wird das Unternehmen allein bis Ende des ersten Quartals bereits 12 LNG-Tankstellen in Betrieb haben. Bis Ende 2022 sollen es 35–40 Shell LNG-Tankstellen sein. Das Unternehmen geht in Sachen LNG allerdings noch einen großen Schritt weiter bei der CO2-Reduzierung, indem es CO2-neutrales LNG anbieten will, das auf Biomethan basiert.
Ziel hierbei ist, dazu beizutragen, innerhalb weniger Jahre im deutschen Schwerlastverkehr jährlich bis zu 1 Mio. t CO2 einzusparen. Spätestens Mitte des Jahrzehnts soll dafür eine vollständige Lieferkette für das CO2-neutrale LNG in Deutschland aufgebaut sein. Dazu plant Shell den Bau einer Gasverflüssigungsanlage in der Rheinland Raffinerie mit einer Kapazität von 100.000 t/ Jahr, wofür bereits der Bauauftrag an einen namhaften Anlagenbauer erteilt wurde und der Genehmigungsantrag in Vorbereitung ist.
Es ist geplant, die Verflüssigungsanlage über das öffentliche Gasnetz zu speisen, über das auch Biomethan aus allen Teilen Deutschlands transportiert wird, da es sich chemisch und physikalisch nicht von Erdgas unterscheidet. Das heißt, das Biomethan muss nicht für sich transportiert, gesammelt oder (gekühlt/verdichtet) gelagert werden, bevor es in der Anlage verflüssigt und von dort an LNG-Tankstellen in speziellen Tanklastern mit hochisolierten Tanks ausgeliefert wird.
Hier wird also ein Massenbilanz-Ansatz verfolgt, der im Strommarkt ebenfalls gebräuchlich und bewährt ist, wo regenerativ erzeugter Strom ins Netz eingespeist wird (Stichwort „Stromsee“) und Ökostrombezieher weiterhin an der ganz normalen Stromleitung angeschlossen bleiben. Der Stromversorger stellt dabei sicher, dass er an den Strombörsen entsprechend viel regenerativen Strom einkauft, der ins Netz gespeist wird. Shell folgt dieser Logik auch für die Herstellung des CO2-neutralen LNGs und hat sich für diesen Massenbilanzansatz entschieden, da er energetisch, hinsichtlich der Klimabilanz und ökologisch am sinnvollsten erscheint und auch regulatorisch unterstützt/anerkannt wird.
Genügend Grundstoff ist in Deutschland vorhanden, denn die Biogasproduktion ist in Deutschland weit verbreitet und etabliert. Rund 8.500 Biogasanlagen produzieren Biogas zur gekoppelten Strom- und Wärmeerzeugung.
In rund 200 Anlagen wird Biogas zu Biomethan verarbeitet und anschließend ins Gasnetz eingespeist (DBFZ 2017; Dena 2018). Laut Dena beträgt das Potenzial für Substrate, die für die Herstellung fortschrittlicher Brennstoffe nach Anhang IX Teil A RED2 verwendet werden können, 168-218 PJ. Das ist enorm. Dieses Potenzial auch nur ansatzweise auf die Straße zu bringen, brächte den Klimaschutz gewaltig voran.
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„Mitte des Jahrzehnts soll eine vollständige Lieferkette für das CO₂-neutrale LNG in Deutschland aufgebaut sein.“