Start-ups: Welche Patente steigern den Unternehmenswert?
Intellectual Property als Entscheidungsgrundlage für eine Investition
Das kommt darauf an! So lautet die typische Antwort eines Anwalts. Die Patentanwältin Anna Katharina Heide bewertet IP-Assets von Unternehmen für Investoren, bevor diese ihre Zusagen für Investitionen in Millionenhöhe erteilen. Im Zusammenhang einer Investition, bei der Technologien als wertsteigernde IP zu berücksichtigen sind, betrachtet sie unterschiedliche Schutzrechtsarten.
Start-ups werben zu einem Zeitpunkt um Gelder, in dem sie zunächst ein Proof of Concept und ihre Überzeugung anbieten können. Kaum ein Start-up kann in den ersten fünf Jahren Jahren mit realen Daten aufwarten, die eine technische Machbarkeit des Produkts – eines Erzeugnisses oder Verfahrens – belegen. Kostenstrukturen, technische Anforderungen an die Herstellung sowie Vermarktungskonzepte sind ebenso erst grob definiert. Zum Zeitpunkt eines Pitches sind die am häufigsten verfügbaren IP-Assets noch nicht erteilte Patentanmeldungen sowie noch etwas unkoordiniertes und strategisch unsortiertes Know-how. Neue Ideen an der Schnittstelle zwischen Biotech/Medizin und computerimplementierten Technologien sind sogar ggf. von der Patentierbarkeit ausgeschlossen oder können nur partial geschützt werden.
Das erteilte Patent definiert den technischen Schutzbereich, den der Patentinhaber territorial im Wettbewerb verteidigen kann. Doch bis dahin müssen zunächst die Patentbehörden überzeugt werden. Ein valides rechtliches Monopol besteht erst nach vielen Jahren, welches zudem in Europa anders definiert sein wird als in den USA, China oder in anderen Regionen. Dies gilt besonders für Erfindungen, die Technologien aus Biotech/Medizin, Digitalisierung, maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz kombinieren. Daher kann von einer frühen Bewertung des Start-ups nicht auf dessen globale IP-Position geschlossen werden.
Es wäre ein Trugschluss ein eng definiertes Patent voreilig als schwach oder ein generisch breit definiertes Patent als stark einzustufen ohne im Rahmen einer sog. Landscape-Analyse den konkreten Wettbewerb betrachtet zu haben.
In Ergänzung zu Patenten, die 18 Monate nach Anmeldung für jeden frei einsehbar sind, ist die nicht veröffentliche IP zu berücksichtigen. Know-how und Betriebsgeheimnisse, welche im besten Fall in den Unterlagen des Start-ups dokumentiert sind, häufiger aber lediglich in den Köpfen der Gründer oder Mitarbeiter behütet werden. Gerade dieses Know-how ist für interdisziplinäre Technologien von besonderem Wert.
Bei nahezu jeder Ausarbeitung einer Patentanmeldung stelle ich fest, dass die initiale Erfindungsmeldung zunächst nicht das beschreibt, was den eigentlichen Clou der Erfindung ausmacht. Erst durch einen iterativen Prozess zwischen Patentanwalt und Erfinder gelingt es, den erfinderischen Kern auszuformulieren und die Lücken zu schließen. Ähnlich verhält es sich mit Know-how, das zur Umsetzung der Erfindung zu einem Produkt erforderlich ist. Im Dialog müssen die Know-how-Träger und das Know-how selbst identifiziert werden. Daher darf die Bewertung eines Start-ups nicht bei der Patentanalyse beginnen und enden. Sondern muss den Zugriff auf die Rechte an den Patenten sowie den Zugriff auf das darüber hinaus gehende Know-how umfassen.
Letztendlich sind nicht nur essenzielle Basispatente, sondern die Sicherstellung aller IP-Rechte und die Integration des Erfinderteams im Unternehmen für ein Return on Investment wesentlich. Daher muss für die erfolgreiche Unternehmensentwicklung und für die Aussichten auf ein Produktlaunch eine interne IP-Strategie aufgestellt werden, welche alle Besonderheiten der betreffenden Technologie berücksichtigt.
Wieviel muss im Patent stehen? Was ist patentfähig und durchsetzbar? Welche Informationen sollten besser als Betriebsgeheimnisse geschützt werden? Welche Umgehungsmöglichkeiten gibt es? Diese Fragen sowie der Umgang mit IP müssen Gegenstand einer zielorientierten IP-Strategie sein. Auch zu einem späteren Zeitpunkt, in dem bereits ein Produkt vorhanden ist und Investoren für Expansionen gesucht werden, behalten dieselben Fragen ihre essenzielle Relevanz.
Valide Patente sind obligatorisch zur Demonstration des eigenen Monopols im Wettbewerb. Ferner stellen die internen Kompetenzen und das eigene Know-how die Basis für die Realisierung des Produkts sicher. Ein aktiver, strategischer Dialog, mit dem Patentanwalt kann helfen diese Herausforderungen in einer maßgeschneiderten IP-Strategie frühzeitig und effizient zu strukturieren und einen fortwährenden Wert für das Unternehmen zu schaffen und zu schützen.
-------------------------------------
Intellectual Property
Intellectual Property (IP) – dt. geistiges Eigentum – umfasst ausschließliche Rechte an einem immateriellen Gut. Dies sind u. a. technische Erfindungen, welche durch Patente und Gebrauchsmuster national sowie international geschützt werden. Des Weiteren wird unter IP sowohl das Urheberrecht, Marken- und Designrecht als auch die stets schwierig nachweisbaren und schlecht dokumentierbaren Rechte aus Know-how, Betriebsgeheimissen, als auch Rechte aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (§ 4 UWG) subsumiert.
„Zum Zeitpunkt eines Pitches sind die am häufigsten verfügbaren IP-Assets eines Star-ups noch nicht erteilte Patentanmeldungen.“
Zur Person
Anna Katharina Heide ist leitende Patentanwältin des Bereichs Life Sciences/Biotech der Kanzlei Ruhr-IP Patentanwälte, Essen, Düsseldorf und München. Sie ist zugelassene deutsche Patentanwältin sowie European Patent, Design and Trademark Attorney und vertritt etablierte Unternehmen der Life-Sciences-Branche (u. a. Biotech und Diagnostik). Einer ihrer Schwerpunkte sind interdisziplinäre Technologien. Die promovierte Biologin ist seit dem Jahr 2020 stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Biotechnologie der Deutschen Patentanwaltskammer.