Chemie & Life Sciences

Die Zukunft der Metall-Oberflächenbehandlung

Interview mit Winfried Plitzko, Segment Manager Surface Technology bei Oqema

15.10.2020 - Umwelt, Sicherheit und Energie sind die entscheidenden Themen für die Oberflächenbehandlung von Metallen.

Der Bereich Surface Technology der Oqema-Gruppe entwickelt, produziert und vertreibt wässrige Produkte für die Bearbeitung von Metalloberflächen. Das sind z. B. Entfettungs- und Reinigungsmittel, Entrostungsprodukte, Passivierungsmittel, Phosphatierungs- und Entphosphatierungsprodukte. Diese Produkte finden im Allgemeinen ihre Anwendung dort, wo industriell saubere Oberflächen für die Prozesse in der Automobil- und Automobilzulieferindustrie, Instandsetzungs-, und Reparaturbetrieben, Lackierereien usw. verlangt werden.

Birgit Megges befragte Winfried Plitzko, Segment Manager Surface Technology bei Oqema, zu den Angeboten und Marktentwicklungen im Bereich der Oberflächenbehandlung.

CHEManager: Herr Plitzko, der Markt der Metall-Oberflächenbehandlung ist stark von der Automobilindustrie als Hauptabnehmer abhängig. Diesem Markt stehen große Umbrüche bevor. Welche Veränderungen erwarten Sie?

Winfried Plitzko: Die Automobilindustrie ist das Zugpferd unserer Wirtschaft, und dort finden gerade große Veränderungen statt, das ist kein Geheimnis. Wie sich letztlich die neuen Antriebstechnologien im Markt etablieren werden, kann man heute nicht abschließend sagen, aber dass dort der größte Umbruch zu erwarten ist, ist meines Erachtens nach relativ sicher. Das bedeutet jedoch nicht, dass von jetzt auf gleich alles auf den Kopf gestellt wird. Die Veränderungen finden auch nicht nur in der Automobilindustrie statt, sondern der Markt wandelt sich allgemein: Themen wie Umwelt, Energie und Sicherheit spielen heute schon eine große Rolle und werden in der Zukunft noch viel stärker ins Gewicht fallen.

Können diese Veränderungen auch etwas Positives bewirken?

W. Plitzko: Veränderungen öffnen auch immer neue Türen, die man heute vielleicht noch kaum auf dem Radar hat, beziehungsweise Felder, in denen man wachsen kann. Zum Beispiel sehen wir großes Potenzial im Bereich Instandsetzung und Reparaturbetriebe. Das große Umdenken in der Gesellschaft – weg von der Wegwerf- und hin zur Nachhaltigkeitsmentalität – findet gerade dort ihre praktische Anwendung. Unser Beitrag hier ist es, nachhaltige Produkte für industrielle Waschanlagen zu entwickeln. Einen weiteren Schwerpunkt sehen wir in der Vorbehandlung vor der PVD-Beschichtung (Anm. d. Red.: PVD: Physical Vapour Deposition), dabei werden Anforderungen an die Metalloberflächen gestellt, die sehr vielfältig und anspruchsvoll sind. Da diese neuen Produkte technisch immer anspruchsvoller werden, wird der Bedarf an technischem Support steigen. Wir haben in diesem Bereich hochspezialisierte Labore und konnten uns über die Jahre ein großes Know-how aneignen, um maßgeschneiderten Support anbieten zu können.

Während die Produkte von morgen umweltfreundlicher, energieeffizienter und sicherer im Umgang sein sollen, werden gleichzeitig die Anforderungen an die Sauberkeit der Oberflächen steigen. Steht das nicht konträr zueinander?  

W. Plitzko: In der Tat, ein gewisser Widerspruch ist unverkennbar. Aber diesen Herausforderungen wollen wir uns stellen. Die hohen Anforderungen des Marktes stehen bei uns an erster Stelle und wir wollen sie unter Berücksichtigung der genannten Attribute erreichen: Umwelt – Energie – Sicherheit. Konkret bedeutet das für uns, bei der Produktneuentwicklung kennzeichnungsfreie Produkte zu kreieren. Das wiederum heißt, auf Rohstoffe zurückzugreifen, die von der Kennzeichnung her im Vergleich zu dem Vorhandenen günstiger eingestuft sind. Auch heute schon verfügen wir bei einigen Anwendungen über Produkte, die wir energetisch noch vor ein paar Jahren bei viel höheren Temperatur einsetzen mussten, als das heutzutage der Fall ist. Die Voraussetzung jeglicher Veränderung ist natürlich, die gute Produktqualität beizubehalten beziehungsweise zu verbessern.
Umwelt und Sicherheit gehen Hand in Hand: Je umweltfreundlicher ein Produkt zum Einsatz kommt, desto sicherer ist der Umgang mit ihm.

„Heutzutage zählt beim Kunden
nicht nur das Endergebnis bei der Reinigung
oder Oberflächenbeschichtung.“

Heutzutage zählt beim Kunden nicht nur das Endergebnis bei der Reinigung oder Oberflächenbeschichtung. Man denkt umfangreicher und betrachtet die Prozesse genauer, von der Beschaffung über den Einsatz bis zu Entsorgung. Die Gefahr für den Menschen wird dadurch automatisch minimiert. Wir erleben nicht selten, dass wir in einigen Branchen mit kennzeichnungspflichtigen Produkten, auch wenn wir das Reinigungsergebnis wunschgemäß im Labor erzielen konnten, in der Praxis nicht zum Einsatz kommen, weil die Eingangsparameter des Produkts nicht dem Kundenwunsch entsprechen.
Unseren Beitrag für Produkte, die die Aspekte Umwelt, Energie und Sicherheit erfüllen, setzen wir in unserer „Green Line“ um, die wir nach und nach auf den Markt bringen.

Sie blicken auf eine jahrzehntlange Erfahrung zurück, wie unterscheidet sich der Markt von heute im Vergleich zu damals?

W. Plitzko: Früher lag der Fokus auf dem Endergebnis. Alles andere, wie Sicherheitsaspekte, Entsorgung oder Energieverbrauch, spielten kaum eine Rolle. Der Wahlspruch lautete: „Nur das Ergebnis zählt“. Spontanität, Flexibilität und die Entscheidungsfreudigkeit waren ausgeprägter als heute. Kunden waren experimentierfreudiger.

„Die Sicherheit der Prozesse
hat höchste Priorität.“


Heute steht der Prozess als Ganzes im Fokus des Interesses. Die Sicherheit der Prozesse hat höchste Priorität. Durch die Qualitätssicherungssysteme gewinnt man zwar Vorteile in der Nachverfolgbarkeit und Sicherheit der Prozesse, verliert aber aufgrund der großen administrativen Hürden an Flexibilität. Damit ist auch der Nachteil verbunden, dass nicht immer das bestmögliche Produkt zum Einsatz kommt. Ein weiterer Vorteil ist das höhere Bildungsniveau des Personals in den Firmen, die die operativen Prozesse betreuen. Da Anwendungen und Produkte immer komplexer werden, ist das die Voraussetzung für ein zufriedenstellendes Gesamtergebnis.

Durch die Covid-19-Pandemie leben wir in sehr ungewöhnlichen Zeiten. Wie haben Sie die letzten Monate mit ihren Kunden gemeistert und wie schätzen Sie die Marktentwicklung in den nächsten Monaten ein?

W. Plitzko: Es war eine Zeit, die man in dieser Form nicht kannte. Physischer Kontakt zu unseren Kunden wurde gänzlich untersagt. Aber, wie der Volksmund sagt, Not macht erfinderisch: Wir haben den Kontakt zu unseren Kunden, telefonisch oder per Videokonferenzen aufrechterhalten. Es haben sich dabei Kommunikationsmöglichkeiten ergeben, die wir vorher für nicht adäquat gehalten hätten. In vielen Fällen war es wirklich eine Neuentdeckung, die sich als sehr wirksam erwiesen hat. Wir haben auch verstärkt Video-Tutorials für die Anwendung eingesetzt und unser Labor hat auf Hochtouren an neuen Anwendungen wie die „Green Line“ gearbeitet.
Was die Prognose betrifft, sehen wir seit ein paar Wochen eine leichte positive Entwicklung. Unsicherheiten bleiben uns allerdings nicht erspart. Wir vertreiben unsere Produkte weltweit, daher sind wir auf reibungslosen Export angewiesen. Die neuesten Meldungen bezüglich steigender Infektionszahlen geben Anlass zur Beunruhigung. Ich glaube, wir müssen den Herbst abwarten, um eine fundierte Zukunftsprog­nose abgeben zu können.

Was lässt Sie in derart unsicheren Zeiten weiter machen? Was treibt Sie an?

W. Plitzko: Wir haben seit Kurzem eine neue Website, und mit ihr einen neuen Slogan: „Passion to perform“. Das ist auf den Punkt gebracht, was uns umtreibt. Auf der einen Seite die Innovation und auf der anderen Seite unsere persönliche Einstellung dazu, also eine Symbiose zwischen dem Verstand und dem Herzen. Wir versuchen, Partner unserer Kunden zu sein. Ein Problem des Kunden ist unser Problem, das wir uns zu eigen machen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Wir wollen für die Aufgaben, die die Kunden an uns herantragen, immer die besten Lösungen erarbeiten, sowohl produkt- als auch anwendungsseitig, was natürlich immer Hand in Hand mit dem Engagement der Kolleginnen und Kollegen geht. Die Kunden schätzen das.

 

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