Chemiekonjunktur – deutsche Chemie zieht positive Bilanz
Die deutsche Chemieindustrie wächst 2018 um 4,5 %, doch die Konjunkturrisiken steigen
Die chemisch-pharmazeutische Industrie kann mit dem Geschäftsjahr 2018 insgesamt zufrieden sein. Doch die konjunkturelle Lage ist nicht ungetrübt. Im zweiten Halbjahr ließ die konjunkturelle Dynamik überraschend deutlich nach. Während die die Chemieunternehmen zu Beginn des Jahres noch von der robusten Industriekonjunktur in Deutschland und Europa profitieren konnten, zeigte die Weltwirtschaft in den letzten Monaten zunehmend Bremsspuren. Das hängt vor allem mit politischen Risikofaktoren für die Weltwirtschaft zusammen. Dazu gehören der eskalierende Handelskonflikt zwischen den USA und China sowie das politische Ringen um den Brexit.
In diesem weltwirtschaftlichen Umfeld konnte die deutsche Wirtschaft nicht mehr so stark expandieren wie noch im Vorjahr. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt stieg 2018 nur noch um 1,6 % (Grafik 1). Auch die heimische Industrie drückte aufs Bremspedal. Nach dem kräftigen Wachstum des Vorjahres legte die Industrieproduktion 2018 nur noch um 2 % zu. Wichtige Kundenbranchen, wie die Kunststoffverarbeitung oder der Fahrzeugbau konnten ihre Produktion nicht mehr ausweiten. Entsprechend verhalten entwickelte sich die Chemienachfrage.
Niedrigwasser zwingt zu Drosselung der Produktion
Die chemisch-pharmazeutische Industrie in Deutschland zieht für das Geschäftsjahr 2018 eine positive Bilanz. Produktion, Umsatz und Erzeugerpreise konnten das hohe Vorjahresniveau noch einmal übertreffen (Grafik 2). Dennoch hat sich die Stimmung in den deutschen Chemie- und Pharmaunternehmen zum Jahresende hin verschlechtert. Die aktuelle Geschäftslage wird lange nicht mehr so positiv bewertet wie zu Jahresbeginn.
Unter dem Strich stieg die Produktion der chemisch-pharmazeutischen Industrie 2018 zwar um 2,5 %. Rechnet man aber die boomende Pharmasparte heraus, konnte die Branche ihren Vorjahreswert mengenmäßig nicht mehr erreichen. Neben der konjunkturellen Abschwächung wirkten sich zwei Sonderfaktoren dämpfend auf das deutsche Chemiegeschäft aus. Zum einen erwies sich der niedrige Wasserstand auf dem Rhein als wachsendes Problem. Für viele Chemieunternehmen entlang der Rheinschiene erschwerte das Niedrigwasser die Anlieferung von Vorprodukten oder den Abtransport von Fertigwaren. Dadurch musste die Produktion gedrosselt werden. Hinzu kam ein deutlicher Rückgang der Ordereingänge im Geschäft mit Kunden aus der Automobilbranche. Denn ab August standen in der Fahrzeugindustrie wegen fehlender Kapazitäten zum neuen Abgasprüfverfahren die Fertigungsstraßen vorrübergehend still.
Basischemie muss Produktion drosseln
In weiten Teilen des Chemiegeschäftes gab es 2018 sinkende Produktionsmengen. Das zeigt der Blick auf die Entwicklung in den unterschiedlichen Sparten. Die Basischemie konnte ihr hohes Niveau des Vorjahres nicht halten. Die Produktion von anorganischen Grundstoffen sank im Gesamtjahr um -2,5 %. Auch die Polymerproduktion, zu der neben den Kunststoffen auch die Chemiefasern zählen, und die Petrochemie mussten ihre Produktion jeweils -2 % drosseln. Die Ausweitung der Industrieproduktion in Deutschland und Europa belebte hingegen das Geschäft mit Fein- und Spezialchemikalien. Die Produktion stieg über ihren guten Vorjahreswert und erreichte ein Plus von 1,5 %.
Obwohl sich die Konsumenten weiterhin in Kauflaune zeigten, konnten die inländische Produktion von Seifen, Wasch- und Reinigungsmitteln oder Kosmetika hiervon nicht profitieren. Nach dem starken Vorjahr (+4,5 %) musste die Produktion im laufenden Jahr um -3 % zurückgefahren werden. Die Pharmaproduktion hingegen boomt. Hohe Wachstumsraten bei einigen Anwendungsfeldern, wie z. B. neuen Krebstherapien, verhalfen der Pharmasparte zu einem Produktionsplus in Höhe von 11,5 % (Grafik 3).
Höhenflug der Chemikalienpreise
Die Erzeugerpreise für Chemikalien und Pharmazeutika folgen stets mit leichtem Zeitverzug den Rohstoffkosten. Letztere verteuerten sich 2018 kräftig, weil der Ölpreis im Jahresverlauf anzog. Das Barrel Rohöl kostete 2018 mit knapp 73 USD über 30 % mehr als ein Jahr zuvor. Rohbenzin, der wichtigste Rohstoff der Branche, verteuerte sich 2018 dadurch kräftig (+27 %) auf rund 550 EUR/t. Die Chemieunternehmen konnten die steigenden Rohstoffkosten überwiegend an die Kunden weitergeben und Preiserhöhungen durchsetzen. Die Erzeugerpreise stiegen im Gesamtjahr um 2 % (Grafik 4).
Umsätze deutlich im Plus
Ein positives Mengengeschäft mit anziehenden Erzeugerpreisen bescherte den deutschen Chemie- und Pharmaunternehmen ein kräftiges Umsatzplus. Damit übersteigt der Umsatz erstmals die Schwelle von 200 Mrd. EUR. Die Erlöse der Chemiebranche stiegen im Jahr 2018 insgesamt um 4,5 % auf 204 Mrd. EUR. Der Inlandsumsatz legte um 3,5 % zu. Der Auslandsumsatz erhöhte sich sogar um 5 %. Neben dem Europageschäft verliefen auch die Verkäufe nach Nordamerika und Asien positiv.
Ausblick: Nachlassende Dynamik, zunehmende Risiken
Auch wenn die Jahresbilanz 2018 insgesamt noch positiv ausgefallen ist, kann dies nicht darüber hinweg täuschen, dass die Chemiekonjunktur im Jahresverlauf zunehmend Bremsspuren zeigte. Entsprechend zurückhaltend sind die Geschäftserwartungen. Die Branche geht von einer Abschwächung der Wachstumsraten aus, rechnet aber nicht mit einem Abschwung.
Denn in den Unternehmen überwiegt die Hoffnung, dass mit einer Normalisierung des Wasserstands auf dem Rhein und der Inbetriebnahme der abgestellten Anlagen die Produktion wieder hochgefahren werden kann. Wenn die Automobilindustrie ihr Zulassungsproblem in den Griff bekommt, dürfte auch die Nachfrage seitens der Fahrzeughersteller und ihrer Vorlieferanten aus der Metall- und Elektroindustrie wieder anziehen.
Diese Belebung wird aber angesichts der gedämpften weltwirtschaftlichen Entwicklung, eines wachsenden Protektionismus und wirtschaftlicher Sanktionen als politisches Mittel nur schwach ausfallen.
Vor diesem Hintergrund ist im kommenden Jahr ein bescheidenes Wachstum im Chemiegeschäft erreichbar. Der Verband der Chemischen Industrie rechnet für 2019 mit einem Plus der Produktion von 1,5 % und einem Anstieg der Preise um 1 %. Der Branchenumsatz sollte so insgesamt um 2,5 % zulegen.
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