Lübecker Maschinenhersteller Greif-Velox will seinen Wachstumspfad weitergehen
Nach Management Buy-out sieht Geschäftsführer Ralf Drews mehr Freiheitsgrade für die weitere Unternehmensentwicklung
Bereits im 11. Jahrhundert gab es in Lübeck eine Greifen-Mühle. Aus diesen Ursprüngen mag sich die Kompetenz der Greif-Velox Maschinenfabrik im Umgang mit staubförmigen Produkten erklären. Heute spezialisiert sich das Unternehmen mit etwa 130 Mitarbeitern auf die Bereiche Absackanlagen, Abfülltechniken und Palettierung. Mitte des Jahres ist Greif-Velox von Geschäftsführer Ralf Drews, Mitgliedern des Managementteams und der Hamburger Beteiligungsgesellschaft BPE im Rahmen eines Management Buy-out vom vorherigen Eigentümer erworben worden. Wolfgang Sieß sprach mit Drews darüber, wie sich die künftige Firmenstrategie unter eigener Regie darstellen wird.
CHEManager: Herr Drews, welche Gründe führten zu dem Management Buy-out?
Ralf Drews: Die Möllers-Group aus Beckum, unsere vorherige Muttergesellschaft, hat Greif-Velox 1978 mit der Erwartung gekauft, dass zwischen den beiden Unternehmen mehr Synergien entstehen würden. Aber diese waren am Ende geringer als geplant. Möllers hat eine andere Produktpalette als wir und ist in anderen Märkten unterwegs.
Wie ändert sich Ihre Unternehmensstrategie durch den Schritt in die mittelständische Unabhängigkeit?
R. Drews: Unser jetziger Mehrheitseigentümer ist die Hamburger Private Equity Firma BPE. BPE ist typisch hanseatisch, passt also von der Kultur her zu uns. Für uns ist es keine riesige, aber eine angenehme Veränderung in die richtige Richtung mit mehr Freiheitsgraden. Wir haben auch vorher schon die Strategie Wachstum verfolgt und auf diesem Wachstumspfad wollen und werden wir weitergehen.
Durch die Trennung von Möllers haben wir aber an Flexibilität hinzugewonnen. Wir werden in der Kundenwahrnehmung nicht mehr mit dem Produktportfolio von Möllers in Verbindung gebracht, wenn wir z.B. über Lagerungssicherung reden, die wir nicht selbst im Programm haben, die aber im Angebot mit dabei sein muss. Das ist sicherlich markttechnisch ein Vorteil für uns. Und wir sind noch agiler in unseren Entscheidungsprozessen. Das Geschäft wird vollständig und ausschließlich von uns hier in Lübeck geführt.
Welche Ziele verfolgt BPE mit der Beteiligung? Können Sie langfristig planen?
R. Drews: BPE fokussiert sich seit mehr als 20 Jahren auf die Begleitung von Management Buy-outs im deutschen Mittelstand. Im Vordergrund der langfristig angelegten Beteiligungsstrategie stehen neben Konzernausgliederungen, die Regelung der Nachfolge bei deutschen Familienunternehmen sowie die Umsetzung von sogenannten Buy-and-build-Konzepten. Sie setzen also auf Produktentwicklung und investieren langfristig. Natürlich ist auch ihr Ziel, das Unternehmen irgendwann wieder mit einem vernünftigen Exit zu verkaufen. Aber sie gehen den mühsameren Weg und wollen erst einmal den Wachstumsmotor anwerfen und das Unternehmen richtig entwickeln.
Wo sehen Sie Ihre Kernkompetenzen?
R. Drews: Wir haben uns vier Kompetenzen auf die Fahnen geschrieben. Diese wollen wir weiterentwickeln und dabei in einigen Bereichen noch besser sein als der Wettbewerb: Das ist zum Ersten die Flüssigkeitsabfüllung für bestimmte Applikationen. Dann haben wir das Thema Feststoffabfüllung. Da kommen unser Luftpacker als unser Arbeitspferd und unser Vakuumpacker als technologieführendes Produkt weltweit ins Spiel. Das Dritte ist dann die Roboterpalettierung. Sie ist nicht unbedingt branchenüblich, denn viele setzen noch auf Lagenpalettierer. Wir aber glauben, dass Roboter die Zukunft sind. Und das vierte Element, das wir konsequent weiterentwickeln wollen und dafür unsere Forschung und Entwicklung und unsere Konstruktionsstrukturen aufbauen, ist das Thema Systemintegration, also Full-Line-Lösungen.
Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
R. Drews: Wir holen den Kunden wirklich bei A ab und bringen ihn bis nach Z. Absackung ist natürlich das Kernstück, der Motor, der alles antreibt. Aber bei uns ist noch ganz viel an Differenzierungen in der eigentlichen Primärfunktion unserer Gesamtanlagen möglich – nämlich Absacken, sauber Absacken, zuverlässig Absacken, effizient Absacken. Genau da können wir einhaken.
Ein Kunde kommt meistens zu uns, weil wir in der Absackung, im Abfüllbereich und bei Roboterpalettierungen marktführend sind und alles aus einer Hand liefern. Man kann sagen, 90% unserer Kunden erwarten die Integration zu einer Gesamtlinie. Und das können wir auch. Wir nutzen Kuka-Roboter als Roboterplattform, aber die Hand, den Greifer, die Intelligenz und die Steuerung, das Gehirn, das machen wir komplett selbst. Mittlerweile haben wir ein Team von Roboterprogrammierern im Haus. Wir überlassen das keinem anderen, weder einem Roboterhersteller noch einem externen Dienstleister.
Womit belegen sie, dass Ihre Produkte besser sind, als die des Wettbewerbs?
R. Drews: Es gibt ein Produkt, auf das wir besonders stolz sind. Das ist unser Vakuumpacker Velovac. Damit haben wir wirklich eine weltweite Alleinstellung erreicht. Mit unserem patentierten Verfahren werden Ventilsäcke bis um die Hälfte schmaler, was natürlich auch bedeutet, dass sie wesentlich kompakter und stabiler werden. Beim Abfüllen feinster Pulver können wir durch diese Kompaktheit ein besonders akkurates und stabiles Palettenbild erzeugen. Damit können bei extrem leichten und feinen Schüttgütern mit Korngrößen kleiner als 200 µm und einem Schüttgewicht von unter 350 g/l bis zu 75 % der Logistikkosten eingespart werden.
Ein wesentlicher Punkt ist auch die Kontaminationsfreiheit. Die zu verpackenden Schüttgüter sind zum Teil sehr hochwertig. Bei unserem produktschonenden Verfahren werden die Reste in der Kammer aufgefangen, über ein Filtersystem abgesaugt und verlustfrei wieder in die Produktzuführung gegeben. Die Anlage besitzt eine Selbstreinigungsautomatik und kann restefrei entleert werden. Das System ist effizient, vollautomatisch und wartungsarm bei gleichzeitig höherer Arbeitssicherheit. Mit einem Wort, es rechnet sich in jeder Beziehung für den Kunden.
Wie gehen Sie mit dem Thema Industrie 4.0 um?
R. Drews: Wir sind bei der Plattform Industrie 4.0 des Bundesministeriums für Wirtschaft und Forschung integriert. In diesem Rahmen haben wir Kontakte zu allen großen deutschen Konzernen, auch außerhalb der Chemie. Da kommen wir auch mit Kunden zusammen und deren problemorientierten Ansätzen für Industrie 4.0, die wir gemeinsam angehen können.
Unsere Branche ist relativ konservativ im Vergleich zu anderen. Unsere Entscheider und Beeinflusser sind alle eher sicherheitsaffin. Sie wollen im Entscheidungsprozess nach Möglichkeit wenig Risiko eingehen. Auch durch unsere Mitgliedschaft im VDMA bekommen wir Inspirationen aus ganz anderen Industrien. Wir haben zudem viele Allianzen und Projekte laufen mit Universitäten, in Rostock und auch hier in Lübeck. Das ist unsere Möglichkeit, kleine Pflänzchen zu säen, um zu sehen, woraus etwas wird. Da können wird dann tatsächlich mehr Dünger draufgießen oder es auch schnell wieder sein lassen, je nach dem.
In unserem Innovation Hub haben wir fest angestellte Mitarbeiter, aber auch Doktoranden, Diplomanden bzw. Bachelor- und Masterstudenten, die mit einem ganz freien Mindset reingehen und die Aufgabe schnell begreifen und umsetzen. Das macht wirklich Spaß. Da gibt es viele Aha-Erlebnisse für diejenigen, die schon länger im Geschäft sind.
Wo sind Ihre Märkte und wie bearbeiten sie diese?
R. Drews: Deutschland, Europa, das ist natürlich unser Kern. Hier haben wir ein gut funktionierendes Servicenetzwerk, das den Kundenanforderungen entspricht. Unser Plan ist, die regionalen Märkte Stück für Stück selektiv zu erweitern. Aber unsere Kunden bringen uns auch in Länder, in die wir nach strategischen Marktbearbeitungsgesichtspunkten erst einmal nicht gegangen wären. Wir haben z.B. einen großen Chemiekunden aus Deutschland, der gerade eine neue Fabrik in den USA baut. Der will seine ganze Prozesstechnik nicht mühsam vor Ort zusammenkaufen. Deshalb macht er ein Copy and Paste von Prozessen - inklusive unserer Absackung. So haben wir in den USA an die 30 oder 40 Anlagen installiert, obwohl wir dort kein eigenes Händler- und Servicenetzwerk haben.
Insgesamt kommen wir auf 50 Länder, in denen unsere Anlagen stehen und in denen wir die lokalen Anforderungen erfüllen müssen. So haben wir die Fähigkeiten entwickelt, auch die lokalen Standards zu erfüllen. Das sind kulturelle aber eben auch Ex-Zulassungsstandards wie z.B.in Europa, Asien oder Amerika. Nicht zu vergessen der Deutsche: Mehr als 90% unserer Anlagen sind für Atex-Zone 1 ausgelegt.