Chemie macht die neue Mobilität erst möglich
In Kooperation mit Verarbeitern entwickelt Evonik Gesamtlösungen für die Automobilhersteller
Der Automotive-Sektor ist einer der Kernmärkte von Evonik. Der Spezialchemiehersteller bietet zahlreiche Lösungen für Fahrzeugstruktur, Karosserie, Chassis, Antriebsstrang und Interieur von Fahrzeugen. In seinem Markenauftritt unterstreicht Evonik die Bedeutung der Chemie für den Automobilsektor. Dr. Michael Reubold sprach darüber mit Dr. Oliver Eyrisch, Leiter des Evonik for Automotive Teams.
CHEManager: Herr Eyrisch, Ihr Anspruch lautet: Innovate mobility – we provide the chemistry. Warum betonen Sie in Ihrer Ansprache der Automobilindustrie die Rolle der Chemie?
O. Eyrisch: Neue Materialien und ihre Eigenschaften sind häufig die Grundlage für Innovationen in der Automobilindustrie, machen sie überhaupt erst möglich. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Ingenieure und vor allem Designer unsere Materialien in Händen halten müssen, um auf Ideen zu kommen, – sie also greifen müssen, um sie begreifen zu können.
Haben Sie den Eindruck, dass die Automobilhersteller und –zulieferer noch zu wenig über das Einsatzpotenzial von Chemiewerkstoffen im Fahrzeugbau, insbesondere im Leichtbau wissen?
O. Eyrisch: Nicht, wenn sie das Zusammenspiel mit der gesamten Formulierung und deren Verarbeitung im Blick haben. Dazu müssen häufig mehrere Parteien an einem Tisch sitzen, um das Gesamtkonzept zu besprechen. Eine einzelne Materialinformation bringt da wenig. Arbeiten die Hersteller der einzelnen Chemiekomponenten mit Maschinenherstellern und Verarbeitern eng zusammen wird das Einsatzpotential allerdings schnell sichtbar.
Zur Reduzierung von Fahrzeuggewicht und CO2-Ausstoß setzt die Automobilindustrie zunehmend Verbundwerkstoffe ein - derzeit jedoch vor allem im Premiumbereich. Woran liegt das?
O. Eyrisch: Verbundwerkstoffe lassen sich häufig nicht wirtschaftlich in hohen Stückzahlen, d.h. mit kurzen Taktzeiten produzieren. Bei höherpreisigen Kleinserien gibt es da mehr Spielraum. Wir sehen aber, dass Faserverbundwerkstoffe in immer mehr Anwendungsbereichen eine Alternative bieten können, auch aufgrund der Erkenntnisse des eben genannten Zusammenspiels der unterschiedlichen Disziplinen.
Durch eine Vorwärtsintegration hin zu den Automobil-OEMs wollen Sie der Technologie zu einem breiteren Einsatz verhelfen. Wie kann das gelingen?
O. Eyrisch: Der Autobauer benötigt eine Gesamtlösung und keinen einzelnen Chemiebaustein. Daher haben wir in Zusammenarbeit mit einem Anlagenbauer das sogenannte PulPress-Verfahren entwickelt. Es ermöglicht, Verbund-Sandwichbauteile mit kurzen Taktzeiten und reduziertem Ausschuss deutlich günstiger herzustellen. Wir kommen damit in die Region von Aluminium, bei reduziertem Gewicht und erhöhter Strukturfestigkeit.
Ein anderes Beispiel ist unser Joint-Venture Vestaro, das zusammen mit unserem Partner Forward Engineering die Technologieberatung sowie Auswahl und Anpassung der Matrixformulierung an spezifische Kundenanforderungen für eine effiziente Fertigung bereitstellt.
Neben dem Aspekt Leichtbau bietet der Einsatz von Kunststoffen der Automobilindustrie weitere signifikante Vorteile.
O. Eyrisch: Ja, da wären zum Beispiel zu nennen: Langlebigkeit, mehr Flexibilität in der Verarbeitung, bessere chemische Resistenz, insbesondere keine Korrosion, und größere Designspielräume.
Firmen wie Google oder Uber revolutionieren die Mobilität. Ändert das Nutzungsverhalten der Verbraucher auch die Anforderungen an die verbauten Werkstoffe?
O. Eyrisch: Davon muss man ausgehen. Wenn man ein Auto nicht mehr besitzt, sondern leiht oder teilt, dann geht der Nutzer häufig nicht mehr so sorgsam mit dem Auto um. Das stellt neue Anforderungen an Robustheit, wie z.B. Kratzfestigkeit von Oberflächen oder auch Hygiene.
Und auch das Thema „autonomes Fahren“ muss sich in den Zukunftsstrategien von Werkstoffherstellern widerspiegeln. Welche Szenarien erwarten Sie hier für die Chemieindustrie?
O. Eyrisch: Der zunehmende Einsatz von Assistenzsystemen sorgt auch für mehr Gewicht, d.h. der Leichtbau wird mehr gefordert. Das gleiche gilt für Elektromobilität, bei der die schwere Batterie kompensiert werden muss. Das gelingt teilweise durch Energierückgewinnung beim Fahren, doch wirken sich hohe Massen negativ auf Beschleunigung aus. Auch die strukturelle Gesamtauslegung des Fahrzeugs wird aufwändiger.
Der Fahrzeuginnenraum wird sich verändern, zu Wohnraum, Arbeitsplatz oder vielleicht auch einer Bar. Das alles verändert die Welt der benötigten Materialien und Oberflächen, und wir arbeiten an den Lösungen dazu.