Transparenz im Chemiestandort-Markt
Kolumne Perspektivenwechsel von Prof. Carsten Suntrop
Transparenz zwischen Chemiestandortkunden und Standortbetreibern schafft Vertrauen anstatt ein Macht-Ungleichgewicht. Vertrauen ist das höchste Gut in einer langfristig und strategisch bedeutsamen Partnerschaft zwischen Industriedienstleistern und Chemieunternehmen, insbesondere im Umfeld der Herstellung hoch sensibler Gefahrstoffe und der Erforschung wettbewerbsdifferenzierender Innovationen.
Insbesondere in Bezug auf Kosten kann diese Frage schnell problematisch werden. Während für Chemiestandortkunden offene Bücher zur Kostenkontrolle wünschenswert sind, würden sie für die Standortbetreiber eine Verschlechterung ihrer Verhandlungsposition in Bezug auf ihre Preise und damit Unsicherheit der langfristigen Überlebensfähigkeit bedeuten.
Wie kann dieses Dilemma der beiden Perspektiven gelöst werden?
Grundsätzlich gilt, dass marktorientierte Leistungen weniger Kostentransparenz benötigen als monopolistische Leistungen, welche ein höheres Vertrauen in die Wettbewerbsfähigkeit des Dienstleisters erfordern. Marktorientierte Leistungen können am Markt ausgeschrieben werden und der Preis und seine Transparenz (nicht die der Kosten!) kann ein differenzierendes Merkmal zwischen den anbietenden Dienstleistern sein. Hierbei wird deutlich, wie gut die wirtschaftliche Position des aktuellen Industriedienstleister im Wettbewerb ist.
Bei eher monopolistischen Dienstleistungen mit langfristiger Bindung an Infrastrukturen und Assets ist die Notwendigkeit des gegenseitigen Vertrauens wesentlich höher. Eine Log-In-Situation ist natürlich auch auflösbar, spätestens bei der nächsten Grundsatzentscheidung für oder gegen den aktuellen Produktions- oder Forschungsstandort. Die kurzfristige Aufgabe des Abnehmer-Lieferanten-Verhältnis ist jedoch nicht immer möglich. Dies erzeugt für den Dienstleister die Notwendigkeit, immer wieder aufzuzeigen, dass die derzeitige Partnerschaft sowohl aus Service- als auch Preis-Sicht die beste Wahl ist. Hierzu müssen bei monopolistischen Leistungen hohe Vertrauensvorschüsse zum Abnehmer erzeugt werden. Die Darstellung der Auswirkungen von Marktentwicklungen auf Prozesskosten und damit dann auch auf Preise ist eine Basisanforderung der Standortkunden. Die beidseitige Beeinflussbarkeit der Kosten sollte zudem proaktiv angestoßen werden.
Eine Möglichkeit hierfür ist die Einführung eines Interorganisationalen Kostenmanagements (IOCM). Dieser Ansatz kann Effizienz- und Zeitgewinne, sowie Kostenoptimierungen über Unternehmensgrenzen hinweg ermöglichen und erfolgssteigernd wirken. Hierfür ist eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Chemiestandortkunde und -betreiber erforderlich. Für die Erschaffung dieser partnerschaftlichen Basis und den anschließenden Austausch von Kosteninformationen ist zunächst ein Vertrauensvorschuss von beiden Seiten notwendig. Eine Folge des Austauschs von Kosteninformationen wird dann aber wiederum noch mehr gegenseitiges Vertrauen fördern.
Um dem Dilemma weiterhin entgegenzuwirken kann der Dienstleister zusätzliche Transparenz erzeugen, indem er Einflüsse durch Änderungen in der Umwelt (Gesetze, Anforderungen, Tarife etc.) auf den Aufwand der Industriedienstleistung und somit auf den Preis darstellt. Hier eröffnet sich ihm gleichzeitig die Chance aufzuzeigen, wie Effizienzsteigerungsmaßnahmen diesen Einflüssen entgegenwirken können.
Doch Transparenz ist nicht nur in Bezug auf Kosten und Umwelteinflüsse ein wichtiges Thema. Auch Prozesstransparenz ist essentiell. Der Kunde muss wissen, welche Ansprechpartner er für seine diversen Themen hat und wie die ihn betreffenden Prozesse beim Dienstleister ablaufen. Und auch umgekehrt hilft es dem Standortdienstleister die Prozesse seiner Kunden detailliert zu kennen. Auf diese Weise kann er einen besseren Service garantieren.
Transparenz schafft also grundsätzlich Vertrauen. Insbesondere in Bezug auf Kosten muss eine partnerschaftliche Basis zwischen Chemiestandortkunde und -betreiber gemeinsam geschaffen werden, so dass kein Macht-Ungleichgewicht entsteht. Macht-Ungleichgewichte führen ggf. zu kurzfristigen Erfolgen aber langfristigem Misstrauen und Macht-Spielen, wie es auch in anderen Branchen bereits dargestellt wurde.