Rio 2016: höher, schneller, weiter dank Kunststoffe
Bei den Olympischen Sommerspielen in Rio streben Kunststoffe in allen Disziplinen nach Gold
Viele Glanzpunkte in Rio wie auch bei anderen Sportereignissen werden durch innovative Materialien aus der Chemie gesetzt. Nun, da die spannenden Wettkämpfe in vollem Gange sind, können sich Sportbegeisterte weltweit davon überzeugen, auch wenn sich kaum ein Zuschauer darüber Gedanken macht. Deshalb hat sich CHEManager in Zusammenarbeit mit PlasticsEurope Deutschland im Vorfeld on Olympia in der Sportszene umgesehen.
Sport – spannend, dynamisch und bunt
Spitzenathleten weltweit trainieren jahrelang für die Chance auf eine Olympische Medaille und selbstverständlich steht die Leistung der Sportler im Vordergrund. Doch viele Leistungssteigerungen im Sport werden durch maßgeschneiderte Materialien, die die Eigenschaften von Sportgeräten und Bodenbelägen verbessern, unterstützt. Und durch Chemiewerkstoffe wie Kunststoffe, die bei den meisten Sportarten nicht mehr wegzudenken sind, werden die Spiele darüber hinaus besonders spannend, dynamisch und bunt.
Wegbereiter für den Siegeszug der Kunststoffe im Sport war der Hochleistungssport. Die Spitzenathleten erkannten als erste die Vorteile der neuen Werkstoffe – und setzten sie konsequent ein. Armin Hary erlief sich 1960 in Rom seine Goldmedaille noch auf einer Aschenbahn – heute gibt es in den Olympiastadien ausschließlich Kunststoffbahnen aus Polyurethan, die mittlerweile blau sind und nicht nur erfrischend modern aussehen, sondern auch außergewöhnlich schnell sind. Bei den Olympischen Spielen 1952 in Helsinki übersprang der Amerikaner Richards mit einem Bambusstab die Höhe von 4,55 Meter, der Franzose Renaud Lavillenie schraubte 2014 mit einem kohlefaserverstärkten (CFK) Kunststoffstab den Uraltweltrekord von Sergej Bubka auf 6,16 m. Mit der Einführung des Kunstrasens im Hockeysport in den 1970er Jahren sprachen Experten von einer „Revolution“, da das Spiel deutlich schneller und genauer wurde und taktisch zu ganz neuen Spielsystemen führte. Wie synthetische Materialien durch ihre Eigenschaften auch Ballsportarten wie Fußball revolutionieren hat CHEManager in seiner Juniausgabe zur EURO 2016 beschrieben. Der offizielle Spielball für das olympische Fußballturnier heißt übrigens Errejota und stammt von Adidas. Diese Beispiele zeigen: Seitdem Kunststoff Einzug in Sportgeräte und Sportstätten gehalten hat, lässt sich eine zunehmende Verbesserung von Wettkampfergebnissen beobachten.
Hockey – attraktiver Mannschaftssport
Wenn sich die weltbesten Hockeyspieler bei den Olympischen Spielen gegenüberstehen, wird auch das Spielfeld zur Weltspitze zählen. Um die Attraktivität des dynamischen Mannschaftssports zu erhöhen, setzt man bei Hockeyturnieren, seit den Spielen in London 2012, auf einen blauen Untergrund, der den gelben Ball und die weißen Linien sichtbarer macht – eine Anforderung, die mit Kunststoffmaterialien leicht umzusetzen war. Der Hockeyplatz des Olympiaparks Deodoro ist mit einem innovativen Kunstrasen aus weichem Kunststoff ausgestattet, der vor dem Spiel gewässert wird und es so noch schneller macht. Zudem erlaubt der Belag eine präzisere Ballkontrolle, zu der auch die modernen Hockeyschläger beitragen. Diese sind heute nicht mehr aus Holz, sondern überwiegend aus leichteren Carbon-Glasfaser-Verbundwerkstoffen gefertigt und ermöglichen den Akteuren so noch schnellere Bewegungen bei geringerem Kraftaufwand.
Kunststoffe auf dem Wasser
Beim Wassersport hat der Einsatz von Kunststoff die sportlichen Wettkämpfe auf ein neues Niveau gehoben. Bei Segelyachten, Kanus und Ruderbooten sind heute u.a. Hülle und Aufbau aus mit Carbon- oder Glasfasern verstärkten Kunststoffverbundwerkstoffen. Sie sorgen für höhere Flexibilität und Leistungsfähigkeit und damit für eine besondere Dynamik im Wettkampf.
Seit mittlerweile 20 Jahren unterstützen die Kunststofferzeuger in Deutschland den Leistungssport und zeigen damit, dass nicht nur das Material Kunststoff wertvolle Beiträge für Erfolge und Bestmarken leistet. So hilft bspw. die Sponsoringinitiative Team Kunststoff, den geförderten Sportlern im internationalen Wettbewerb eine faire Chance zu eröffnen. In diesem Jahr zählen zum Team Kunststoff die Nationalmannschaften im Kanurennsport und Kanuslalom, die Ruderinnen im Leichtgewichts-Doppelzweier und Nachwuchssegler. Insgesamt 45 Olympische und Paralympische Medaillen hat das Team vor Rio 2016 gesammelt. Und mit Unterstützung von innovativen Kunststoffmaterialien sind auf den Regattastrecken in Rio bereits einige weitere Medaillen hinzugekommen.
Für die Kanuten des Team Kunststoff erweisen sich Polymerwerkstoffe aber nicht nur als vorteilhafte Materialien im Bootsbau, sondern auch als „Gegner“. Denn im Kanu-Slalom-Kurs von Deodoro sorgen eingebaute Kunststoffquader dafür, dass das Wasser an bestimmten Stellen besonders eng und wild die Strecke herunter schießt oder an anderer Stelle ein Kehrwasser entsteht. So lassen sich flexibel unterschiedlichste Streckenschwierigkeiten variieren, die die Kanuten immer wieder vor neue Herausforderungen stellen.
Nachhaltige Trikots, die atmen
Moderner Sport ist High-Tech. Die meisten der heutigen Leistungen im Sport wären ohne innovative Sportgeräte und -bekleidung, die ständig optimiert werden, nicht möglich. Gerade Spitzensportler sind auf flexible Funktionskleidung aus Kunstfasern angewiesen, die dem Träger hilft, sich optimal an die äußere Umgebung anzupassen. Funktionelle Sportkleidung aus Kunststoff ist heute gleichzeitig atmungsaktiv, winddicht, federleicht und schützt so vor Kälte, Wasser, Sonne, Überhitzung oder Hautirritationen. Ein Trikot aus Kunstfasertextilien saugt den Schweiß bspw. nicht auf, sondern gibt ihn nach außen ab. Die Verdunstung findet dabei in den Kleidungsschichten und nicht auf der Hautoberfläche statt. Einige Leichtathletik-Outfits bei diesen Spielen wurden aus gebrauchten Kunststoffen wie Polyethylenterephthalat (PET) hergestellt. Möglich wird das durch eine spezielle Recycling-Technologie, die aus leeren PET-Kunststoffflaschen wieder gebrauchsfähige Polyesterfasern macht.
Übrigens: Nicht nur die Sportler-Outfits enthalten recycelte PET-Flaschen, auch die Bänder der Gold-, Silber- und Bronzemedaillen sind zu 50 % aus wiederverwerteten Kunststoffflaschen hergestellt.
Lauf, Sportschuh, lauf
Nicht nur Kondition und Tagesform entscheiden über den Erfolg eines Sportlers, sondern auch die richtige Ausrüstung, so bspw. bei Lauf- und Sprungdisziplinen das Schuhwerk. Müssen Sportschuhe für die Sprintstrecken vor allem leicht und flexibel sein, um maximale Beschleunigung zu erreichen, sind bei Mittel- und Langstrecken auch Stabilität und Dämpfung gefragt. Bei Sprung- und Wurfdisziplinen muss die Sohle zudem auch die Standfestigkeit der Sportler gewährleisten. Auch hier sind Kunststoffe und –fasern die Werkstoffe der Wahl. Aber die Funktion hängt nicht allein von den Materialien ab, sondern auch von deren Verarbeitung, etwa zu Strickgeweben für die Schuhschäfte oder zu Wabenstrukturen, Schaum- und Gelelementen für die Sohlen. Als Puffer zwischen Fuß und Untergrund sorgen Kunststoffe schon lange dafür, dass die Gelenke bei der sportlichen Belastung geschont werden. Hochelastische Kunststoffe bilden die stoßabsorbierende Sohle vieler Sportschuhe, verwindungssteife, aber leichte Kunststoffe übernehmen die Stützfunktion und polymere Spezialmischungen sorgen für besonders guten Grip auf nassem oder rutschigem Untergrund. So gelingt es, den Fuß über die gesamte Belastungszeit zu stabilisieren bzw. die natürliche Bewegung des Fußes zu unterstützen. Und auch Leichtigkeit ist bei allen eingesetzten Materialien Trumpf, da es beim Kampf um Medaillen auf jedes Gramm ankommt. Weniger Masse bedeutet schließlich weniger Energieaufwand – entscheidend sowohl bei einem Sprint oder Marathonlauf als auch bei einem Tennismatch über fünf Sätze.
Erstmals sind bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro Kunstfaserschuhe am Start, deren Sohlen aus dem 3D-Drucker kommen. Die amerikanische 400-m-Läuferin Allyson Felix und die jamaikanische Sprinterin Shelly-Ann Fraser-Pryce bspw. wurden von Nike mit individuell entwickelten Laufschuhen ausgerüstet, die in Funktion, Bequemlichkeit und Passform genau auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind – und ihnen vielleicht die entscheidenden Hundertstelsekunden bescheren. Aber die Konkurrenz hält dagegen: Puma hat im Vorfeld der Olympiade Laufschuhe mit einem innovativen Zwischensohlenmaterial vorgestellt, das für maximale Energierückgabe sorgen und Stars wie den jamaikanische Olympiasieger Usain Bolt förmlich ins Ziel katapultieren soll. Das im Fersenbereich der Sportschuhe eingesetzte Material ist eine Schaumkomponente, die Puma zufolge bisher nur in der Automobilindustrie verwendet werde. Und auch Adidas, das wohl die breiteste Produktpalette für die olympischen Sportarten bereithält, hat seine Entwickler und Designer vor Olympia wieder an zahlreichen Innovationen tüfteln lassen.
Schwebende Dächer und lichtdurchflutete Hallen
Im legendären Maracanã Stadion, in dem die deutsche Fußball-Nationalmannschaft 2014 den Weltmeisterpokal in die Luft stemmte, findet u.a. auch das das olympische Fußballturnier statt. Für die Fußball-WM und die Olympischen Spiele musste das Maracanã modernisiert werden, da das ursprüngliche Betondach nur für die Hälfte der Zuschauer Schutz vor Regen bot und die Tragsicherheit unzureichend war. Um die sporthistorische Bedeutung des Stadions zu bewahren, wurde auf den Stahlbetonstützen der alten Stadionschüssel ein neues Leichtbaudach nach dem Prinzip eines liegenden Speichenrades montiert. Der Einsatz äußerst leistungsfähiger Kunststoffe führte zu einem Dach, das quasi zu schweben scheint. Dazu trägt insbesondere die leichte Dachhaut aus kunststoffbeschichteten Membranen bei. Dank der lichtdurchlässigen und schlanken Dachkonstruktion blieb die unter Denkmalschutz stehende Außenfassade des Stadions erhalten. „Aus alt mach neu“ gilt auch bei der Innenausstattung des Stadions: Die Zuschauer sitzen sozusagen auf Kunststoffabfall, denn für die Sitzverkleidungen im Maracanã wurden Millionen von recycelten PET-Flaschen eingesetzt.
Für die Olympischen Wettkämpfe wurde die Arena de Juventude in Deodoro errichtet. Hier finden u.a. Basketballspiele und Fechtwettkämpfe statt. An der Ost- und Westfassade der Halle wurde dabei auf PVC-Verbundmembranen gesetzt. Diese sind sehr windbeständig und lassen dank ihrer Transluzenz viel Tageslicht in die Arena. Gleichzeitig ermöglicht das atmungsaktive Fassadenmaterial eine natürliche Belüftung der Innenräume. Zusätzlich wurde die Außenfront der Westfassade zu der PVC-beschichteten Membran mit einer zweiten geschlossenen Membran ausgestattet, die hinter den Verbundplanen installiert wurde. Sie isoliert das Gebäude besonders gut und schützt die Zuschauer vor Sonne.
Nachhaltige Mobilität
Jedes sportliche Großereignis setzt heutzutage auf Nachhaltigkeit, sei es beim Bau der Sportstätten, beim effizienten Abfallmanagement an den Austragungsorten oder bei einer möglichst „grünen“ Mobilität. Durch die Fußball-WM 2014 und Olympia 2016 hat Rios Infrastruktur einen Modernisierungsschub erhalten, auch wenn nicht alle geplanten Projekte wegen der Finanznotlage der Stadt umgesetzt werden konnten. Kunststoffe helfen, dass Verkehrsmittel so leicht wie möglich sind. Weniger Gewicht bedeutet weniger Treibstoffverbrauch und damit weniger Schadstoffemissionen. Kunststoffe bringen auch mehr Sicherheit in Verkehrsmittel und dämmen äußerst effizient gegen Lärm, Hitze und Kälte. Damit die Zuschauer innerhalb Rios schnell von einem Austragungsort zum anderen kommen, wurden neue Züge für den innerstädtischen Schnellbahnverkehr angeschafft und dabei auf viel Kunststoff gesetzt. Besonders augenfällig sind die Fenster und die Gepäckablagen aus transparentem Kunststoff, der gleichzeitig leicht und besonders widerstandsfähig ist. Dies erhöht die Sicherheit für die Passagiere, macht das Reisen angenehmer und reduziert das Gewicht der Bahnen und damit den Energieaufwand für die Mobilität der Olympiafans.