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Chemiekonjunktur – Russische Wirtschaft auf Talfahrt

Trotz Wirtschaftskrise verzeichnete die russische Chemie im Jahr 2015 ein Wachstum von 6 %

06.04.2016 -

Für ein Schwellenland wuchs die russische Wirtschaft bereits vor dem Ukraine-Konflikt nur verhalten. Seit Mitte des Jahres 2014 befindet sich die russische Wirtschaft jedoch in einem Abwärtstrend. Im vergangenen Jahr beschleunigte sich der Rückgang. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sank um 3,7 %. Neben den Wirtschaftssanktionen belasteten die stark gesunkenen Ölpreise die wirtschaftliche Entwicklung.

Die Abwertung des Rubels verschärfte die Situation zusätzlich. Die Investitionen brachen regelrecht ein. Bereits 2014 sanken die Bruttoanlageinvestitionen um 2,7 %. Im Jahr 2015 betrug das Minus 8,5 %. Die hohe Inflation lähmt den privaten Konsum. Die realen Löhne sanken im vergangenen Jahr um 9,5 %. Russlands Verbraucher können sich immer weniger leisten und müssen den Gürtel deutlich enger schnallen. Nicht viel besser sah es in der Industrie aus. Konnte die Industrieproduktion im Jahr 2014 noch um 2,1% ausgedehnt werden, ging es im vergangenen Jahr deutlich nach unten. Der Rückgang lag bei 5,4 %. Die chemische Industrie gehört zu den wenigen Branchen, die bislang glimpflich durch die Krise kamen. So lag die russische Chemieproduktion im Gesamtjahr 2015 6,3 % über dem Niveau des Vorjahres (Grafik 1).

Trotz Rezession Aufwärtstrend im Chemiegeschäft

Nach der Finanzkrise erholte sich die russische Chemieindustrie schnell. Bereits 2010 wurde das Vorkrisenniveau wieder übertroffen. Anschließend wuchs Russlands Chemie bis zum Jahresbeginn 2014 dynamisch. Im Umfeld der Ukraine-Krise stotterte der Konjunkturmotor vorrübergehend. Im weiteren Verlauf erholte sich die russische Chemie jedoch wieder und konnte so die Produktion im Gesamtjahr 2015 deutlich ausdehnen. Im ersten Quartal 2016 setze sich der Aufwärtstrend fort. Die Chemie stemmt sich gegen den allgemeinen Abwärtstrend der russischen Wirtschaft. Durch den schwachen Rubel wurden russische Chemikalien im Ausland günstiger und dank umfangreicher Investitionen in den vergangenen Jahren hat sich auch die Qualität verbessert, so dass die Auslandsnachfrage die Schwäche im Inland kompensieren konnte (Grafik 2).

Russlands Chemie ist auf Anorganika spezialisiert

Mehr als 40 % des russischen Chemieumsatzes wird mit anorganischen Grundstoffen erzielt, vor allem mit Düngemitteln. Die hohen Gasvorkommen und die daher günstigen Rohstoff- und Energiekosten begünstigen die Produktion von anorganischen Grundstoffen. Dieser Kostenvorteil wirkt sich auch auf andere Grundstoffsparten positiv aus. Daher entfällt auf die verbleibenden Chemiesparten nur knapp ein Drittel des russischen Chemieumsatzes. Der Anteil von Konsumchemikalien hat sich in den letzten Jahren stetig verkleinert. Zuletzt lag er bei 6 %. Auch die Pharmaproduktion spielt in Russland mit einem Anteil von 10 % eine untergeordnete Rolle (Grafik 3).

Russische Industrie drosselt Produktion

Die russische Industrie hatte schon vor der aktuellen Wirtschaftskrise mit Problemen zu kämpfen. Viele Industrieunternehmen sind nicht wettbewerbsfähig und leiden unter veralteten Produktionskapazitäten. Die Infrastruktur hinkt der wirtschaftlichen Entwicklung weit hinterher. Insbesondere der Osten des Landes ist nur unzureichend erschlossen. Das zeigte sich auch in der Produktionsentwicklung in den Jahren nach der Weltwirtschaftskrise. In den Jahren 2012 bis 2014 konnte die Produktion nur leicht ausgedehnt werden. Mit der politischen Krise in der Ukraine und den Sanktionen folgte Anfang 2015 der Absturz. Im Gesamtjahr drosselte die Industrie ihre Ausbringungsmenge um 5,4 %. Dabei zogen sich die Rückgänge durch viele wichtige Branchen (Grafik 4). Besonders deutlich wird die Krise im Maschinenbau. Die Produktion sank im vergangenen Jahr um 11,1 %.

Die Investitionen in Anlagen und Maschinen sind zuletzt kräftig gesunken. Auch der Fahrzeugbau musste kräftige Einbußen hinnehmen. Trotz umfangreicher Finanzhilfen des Staates in Form von vergünstigten Kreditzinsen, Abwrackprämien und Trade-in-Programmen sank die Produktion im vergangenen Jahr um 8,5 %. Für das erste Halbjahr 2016 hat die Regierung weitere Maßnahmen in Höhe von 20 Mrd. Rubel beschlossen. Dies wird den Abwärtstrend aber nicht aufhalten, sondern nur – wenn überhaupt – etwas abfedern. Positiv entwickelten sich hingegen die Landwirtschaft und die Nahrungsmittelindustrie. Diese Branchen profitieren von den Sanktionen und der zunehmenden Importsubstitution. Seit August 2014 dürften bestimmte Nahrungsmittel aus sanktionierten Ländern nicht mehr nach Russland eingeführt werden.

Ausblick: Stabilisierung im zweiten Halbjahr

Zuletzt gab es Lichtblicke am konjunkturellen Horizont. Die Ölpreise verzeichneten wieder einen leichten Anstieg und in der Industrie hat sich der Rückgang verlangsamt. Ebenso gingen die Einzelhandelsumsätze Anfang des Jahres im Vergleich zum Vorjahr nur noch einstellig zurück. Sollte sich diese Entwicklung fortsetzen, bestehen gute Chancen, dass sich die Rezession im zweiten Halbjahr nicht mehr fortsetzt. Dennoch wird sich im Gesamtjahr ein kräftiges Minus beim Bruttoinlandsprodukt nicht verhindern lassen. Die Industrie kann vom schwachen Rubel profitieren und dürfte sich weiter stabilisieren. In der Folge kann auch das Chemiegeschäft seinen bisherigen Aufwärtstrend fortsetzen, da die Belastungsfaktoren im Inland geringer ausfallen und das Exportgeschäft weiterhin wächst. Das Expansionstempo lässt allerdings etwas nach. Wir gehen von einem Anstieg der Chemieproduktion im laufenden Jahr um 3 % aus.

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