Anlagenbau & Prozesstechnik

Simulieren und Innovieren

Prototypen-Entwicklung eines Mikrokanal-Wärmetauschers

31.03.2015 -

Unter Verwendung der Simulationssoftware Comsol Multiphysics wurde ein regenerativer Mikrokanal-Gegenstrom Wärmetauscher (RHX) designt und entwickelt.

Im Intellectual Ventures Labor (IVL) beschäftigen sich große interdisziplinäre Teams aus Physikern, Ingenieuren, Chemikern, Biologen und Medizinern damit, modernste Techniklösungen für verschiedene Bereiche zu entwickeln, zu entdecken, neu zu erfinden und zu erforschen. Simulation und Analyse sind in diesem Labor schon immer die Basis von Forschung und Entwicklung (F&E). Das Labor und die erweiterte Abteilung für F&E, die wir von IV unterstützt wird, arbeiten sehr fachübergreifend. Die Simulationsmodelle variieren von sehr großen epidemiologischen Modellen, Schalenmodellen für Kernreaktoren und hochentwickelten kontinuierlichen Modellen für elektromagnetische, mechanische, thermische und strömungstechnische Analysen bis hin zu Transportphänomen im Allgemeinen.

Simulation beim IVL
Ein Großteil des Fortschritts und der Entwicklungen des IVLs beruhen auf Modellierung und Simulation, da Experimente und Laborversuche sehr zeitaufwändig sein können. Dies trifft besonders auf die Bereiche der epidemiologische Modellierung oder der Kernphysik zu. Darüber hinaus bieten Modellierung und Simulation neue und einzigartige Einblicke, die durch Versuche nicht oder nur schwer erlangt werden können. Des Weiteren nutzen die Forscher Modellierung und Analyse auch im eher traditionelleren Bereich der Hardwareforschung und -entwicklung sehr intensiv. Die enge Kombination und Iteration von Simulation und Laborversuchen bzw. Prototypenbau hilft den Forschern bei Design­entscheidungen, der Interpretation von Versuchserkenntnissen, der Verkürzung von Entwicklungszyklen und grundsätzlich bei der Vertiefung des allgemeinen Verständnisses.
Modellierung und Analyse kommen auf die eine oder andere Art bei nahezu allen Projekten zum Einsatz. Ein Großteil dieser Anwendungsfälle eignet sich für die Finite-Elemente-Analyse (FEA), daher wird die Software Comsol Multi­physics beim IVL sehr häufig verwendet. So wurde die Software z. B. bei Projekten wie dem Konzeptdesign des TerraPower Nuklearreaktors, bei der Entwicklung des „Photonic Fences", der für die Kontrolle von Malariaüberträgern Laser verwendet und bei der Entwicklung einer neuen, strahlführenden Satellitenantenne aus Metamaterialen eingesetzt. Die Simulationssoftware ist dahingehend einmalig, dass sie ihren Nutzern ermöglicht, zur gleichen Zeit Wissenschaftler, Mathematiker und Ingenieur zu sein, da sie weit über ein reines Black Box-Modellierungswerkzeug hinausgeht.
So wurde sie auch für das Design und die Entwicklung eines neuen regenerativen Mikro­kanal-Gegenstrom Wärmetauschers (RHX) eingesetzt. Mit einer außergewöhnlich hohen Wärmerückgewinnungseffizienz verarbeitet der RHX einen Flüssigkeitsstrom thermisch.

Was ist der RHX?
Der RHX ist eine spezielle Art von Wärmetauscher, in dem die gleiche Flüssigkeit sowohl als kühlende als auch als gekühlte Flüssigkeit fungiert. Das bedeutet, dass die heiße Flüssigkeit, die das System verlässt, ihre Wärme abgibt, um die Flüssigkeit, die in das System zurückkommt, zu erwärmen. RHXs finden ihre Anwendung normalerweise in Hochtemperatursystemen, in denen ein Teil der Systemflüssigkeit vom Hauptprozess abgezweigt und anschließend in umgekehrter Richtung für die weitere Verarbeitung zurückgeführt wird. Die Energie (Wärme) der vom Hauptprozess entnommenen Flüssigkeit wird genutzt, um die zurückgeführte Flüssigkeit zu erwärmen. Da so ein Großteil der Wärmeenergie zurückgewonnen wird, ermöglicht der Prozess eine beträchtliche Nettoenergie­ersparnis. Ein typischer RHX kann beispielsweise eine thermische Effizienz von 80 - 90 % erreichen, sodass nahezu die gesamte relative Wärmeenergie von einer Richtung in die andere übertragen wird.
Viele strömungstechnische Anwendungen beinhalten den Einsatz eines RHX. Diese könnten bei der Herstellung von Flüssignahrungsmitteln oder bei pharmazeutischen Prozessen nützlich sein, um dort Mikroorganismen oder Enzyme thermisch zu inaktivieren oder um kontrollierte Temperaturzyklen in biochemischen Reaktionen zu erzielen, wie etwa bei kontinuierlichen Prozessen in Polymerase-­Kettenreaktionssystemen.

„Mikro" Modellierung
Während „große" RHX-Systeme bereits sehr lange im Einsatz sind, richtete sich das Interesse in letzter Zeit vermehrt auch auf ihre kleineren Mikrokanal-Gegenstücke. Große RHX-Systeme sind fast immer Bestandteil von Industrieanlagen und meist sehr teuer. Mikrokanal RHX erfüllen dieselbe Funktion in einem viel kleineren Maßstab, wodurch sich neue Anwendungsbereiche eröffnen, in denen die Geräteabmessungen sehr kompakt und/oder die Prozessstrommengen gering sind. Die Mikrokanal RHX-Vorrichtungen können z. B. in modularen Applikationen, wo kleine Flüssigkeitsmengen behandelt werden müssen und kein Zugang zu einer großen Infrastruktur/oder Energieversorgung besteht, sehr nützlich sein. Im Gegensatz zu großen Systemen sind Mikrokanal RHXs darüber hinaus einfacher skalierbar. Man kann es sich wie eine kleine Miniaturfabrik vorstellen, die viel weniger Infrastruktur benötigt - die Aufgabe kann auf einer Laborarbeitsfläche oder draußen vor Ort bearbeitet werden.
Das neue, vom IVL-Team entwickelte Mikro­kanal-Gegenstrom RHX-System, ist dafür ausgelegt, einen Flüssigkeitsstrom mit besonders hoher Wärmerückgewinnungseffizienz thermisch zu verarbeiten. „Da es sich bei Mikrokanal-RHXs um ein weniger gut erforschtes Anwendungsgebiet handelt, kann man sich nicht unbedingt auf ein großes und über lange Zeit akribisch aufgebautes ingenieurwissenschaftliches Basiswissen, wie es bei traditionellen Wärmetauschern der Fall ist, stützen. Vielmehr muss die Basisarbeit hinsichtlich der Grundprinzipien neu durchgeführt werden. Glücklicherweise gelingt das mit Comsol auf einfache und angenehme Art und Weise.
Nach der grundlegenden Auslegung der Gerätearchitektur hat das Team Comsol als Hauptanalysewerkzeug verwendet, um die Auswirkungen primärer Designvariablen auf die Geräteleistung zu untersuchen. Die entscheidenden Leistungsattribute betrafen die (regenerative) Wärmetauschereffizienz. Darunter fallen etwa der aus dem eingeleiteten heißen Strom zurückgewonnene Anteil an Wärme­energie, der Einfluss auf den Energieverbrauch des Gerätes hat, oder der Druckabfall und die Durchflussrate, die die Pumpenanforderungen mit beeinflussen. Außerdem wurde das Simulationswerkzeug verwendet, um die Strukturstabilität der Geräte im Detail zu untersuchen, und um bei der Interpretation der experimentellen Ergebnisse zu helfen, nachdem die ersten physikalischen Prototypen gebaut und getestet wurden.
Darüber hinaus kommt es beim eigentlichen Bau eines Prototypen zu Fragestellungen wie der richtigen Materialwahl, um den vorherrschenden Temperaturen und Drücken standzuhalten oder der Auswahl der geeigneten Fertigungsprozesse, um den Zusammenbau eines Funktionsmusters durchführen zu können. Daher wurde Comsol nicht nur zur Unter­suchung der physikalischen Grundlagen eingesetzt, sondern das IVL-Team erarbeitete damit auch einen signifikanten Anteil der Prozesse zur Hardwareerstellung und zur Montage, um eine praktikable Methode für die Herstellung funktio­nierender Prototypen zu entwickeln. Dies umfasste die Untersuchung von Klebemitteln, Wärmeleitrohren sowie Fotolithografie-Verfahren.

Der Vorteil
Dank des simulationsbasierten Designansatzes hat bereits der erste physikalische Prototyp weitestgehend wie erwartet funktioniert: Das Prototypendesign des Mikrokanal RHX-Systems hat gezeigt, dass es damit möglich ist, einen Wasserstrom durch thermische Behandlung von Raumtemperatur auf bis zu 130 °C unter Druck aufzuheizen, damit das Wasser dabei nicht kocht, und es wieder zurück auf Raumtemperatur zu bringen. Dabei wurden 98 % der Wärmeenergie in einem kompakten, wenig Energie verbrauchenden, thermischen Aufbereitungsgerät zurück gewonnen. Das Konzept hat sich schnell als zielführend herausgestellt und die Anzahl nachfolgender Designiterationen wurde minimiert.

Kontakt

COMSOL Multiphysics GmbH

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