Anlagenbau & Prozesstechnik

Quantenchemische Simulation in der Verfahrens- und Katalyseentwicklung für grünes Methanol

Vorhersagekraft der Quantenchemie in computergestützten Katalysesimulationen

10.06.2024 - Das Berliner Cleantech-Unternehmen C1 hat es geschafft, die Produktion von grünem Methanol Mithilfe der Vorhersagekraft der Quantenchemie in computergestützten Katalysesimulationen, einen vollständig autonomen und kontinuierlichen Methanolproduktionslauf durchzuführen – ein Prozess, der normalerweise viele Jahre dauert. Die Ergebnisse bestätigten die Vorhersagen aus den Simulationen.

Die Notwendigkeit, nachhaltige und umweltfreundliche Energielösungen zu finden, ist drängender denn je. Im Fokus der Forschung steht daher auch grünes Methanol, ein vielversprechender, alternativer Treibstoff und Grundstoff in der Chemieindustrie. Die Herausforderung besteht darin, grünes Methanol kosteneffizient und in großem Maßstab herzustellen, um die wachsende Nachfrage zu decken und gleichzeitig Umwelt und Ressourcen zu schonen.

Bereits heute gilt grünes Methanol als essenziell für zahlreiche chemische Produkte und Synthesen. Gerade auch in der Containerschifffahrt gewinnt grünes Methanol als alternativer Treibstoff zunehmend an Bedeutung. Die Nachfrage wird bis 2030 auf etwa 10 Mio t geschätzt, da batterieelektrische oder wasserstoffbasierte Antriebskonzepte in diesem Segment nicht wirtschaftlich darstellbar sind.

100 Jahre alte Methanolherstellung auf dem Prüfstand

Die bisherige konventionelle Herstellung von Methanol basiert auf der heterogenen Katalyse unter Verwendung fossiler Ressourcen (Erdgas-Reformierung oder Kohle-Vergasung), was hohe CO2-Emissionen erzeugt. Dieser Herstellungsprozess ist über die letzten 100 Jahre maximal optimiert worden und in seiner Ausbeute begrenzt. Die fehlende Skalierbarkeit auf geringe Anlagengrößen und die mangelnde Kompatibilität mit fluktuierenden Lasten limitieren die Nutzung der dezentral in viel kleineren Größenordnungen verfügbaren, erneuerbaren Rohstoffe. Dieser Umstand steigert die Wettbewerbslücke zwischen grünem und fossilem Methanol noch zusätzlich.

Der Engpass zeigt sich deutlich: Heute ist die Nachfrage nach grünem Methanol um ein Vielfaches höher als die bisherige Produktionskapazität. Es besteht ein dringender Bedarf an neuen Verfahren, die eine umweltfreundlichere Produktion im Sinne der Kreislaufwirtschaft auf Basis von erneuerbaren Energien oder biogenen Rohstoffen wettbewerbsfähig ermöglichen.

 

M. Chekinski © C1   Marek Checinski, Vorstand und CSO, C1 Green Chemicals

„Wir haben erfolgreich demonstriert, dass wir unseren Katalysator kontinuierlich vom produzierten Methanol trennen und mit
minimalen Aktivitätsverlusten zurückführen können. Der Prozess läuft unter milden Bedingungen und zeigt ausgezeichnete Leistung und Selektivität. Es treten keine signifikanten Nebenreaktionen auf. Das Rohprodukt enthält weniger als 0,05% Wasser. Die Chemie funktioniert wie in unseren Simulationen vorhergesagt."

 

Revolutionäre Neuerungen in der Methanolherstellung

Das fundamental neuartige Verfahren des Cleantech-Unternehmens C1, basiert auf dem innovativen Prozess der homogenen Katalyse und repräsentiert einen technologischen Durchbruch. Mithilfe quantenchemischer Modellierungen am Computer ist ein spezialisierter Katalysator entwickelt worden, der für kleinere Anlagengrößen und eine flexible Betriebsweise optimiert ist. Diese Innovation ermöglicht die Nutzung von erneuerbaren Energien und biogenen Rohstoffen für die Methanolproduktion.

Durch den Einsatz quantenmechanischer Simulationen lassen sich einzelne Reaktionsschritte isoliert und detailliert analysieren und optimale thermodynamische Bedingungen und Katalysatoren mit niedrigen Aktivierungsbar­rieren bestimmen. Dieser Ansatz erlaubte es, die Effizienz des Katalysatorsystems und des gesamten Verfahrens durch die Variation von Lösemitteln, Katalysatormodifikationen und Additiven signifikant zu steigern. So ist es möglich, ein theoretisches Optimum bzw. Reak­tionssystem abzuleiten, welches dann über Versuche in seiner Performance validiert wurde. Diese Systeme wurden einer breiten Untersuchung unter optimalen Betriebsbedingungen im Labormaßstab unterzogen, bevor weitere zeit- und kostenintensive Skalierung der Synthese und die Charakterisierung in größeren Anlagen erfolgte.

Die begleitende Simulation über Screening hilft dabei, mit weiteren Additiven und Versuchsbedingungen prädiktiv die Entwicklung zu unterstützen: Die Firma CreativeQuantum erfand 2017 das virtuelle High-Throughput-Screening. Damit ist es möglich, Hunderte von Reaktionen oder Tausende Katalysatoren in multiplen Dimensionen zu analysieren und die Interaktion zwischen verschiedenen Varia­tionen im gleichen System zu erkennen. Oft bewirkt die Kombination von mehreren Veränderungen dann den gewünschten Effekt. CreativeQuantum hat diese neuen Methanol-Kata­lysatorsysteme und die damit verbundenen Verfahren 2017, den Prozess 2021 patentiert und 2022 auf die jüngst gegründete Firma C1 übertragen.

Computergestützte Quantenchemie als Innovationsturbo

Bereits Anfang 2023 validierte und optimierte C1 die Katalysatoren in eigenen Laboren das dazugehörige Verfahren. Zeitgleich wurde der kontinuierliche Prozess auf Basis bestehender Gas/Flüssig-Reaktortypen im Labor entwickelt und eine Technikumsanlage in Berlin-Adlershof aufgebaut. Eine erste Pilotanlage entstand parallel im Chemiepark in Leuna, Sachsen-Anhalt – ausgelegt auf kommerziell verfügbare Standardverfahrensschritte und -equipment. Die Einweihung im Rahmen des Forschungsprojektes “Leuna100” fand im November 2023 statt, die Inbetriebnahme der Anlage ist für Mai 2024 geplant.

Im Februar 2024 erfolgte ein weiterer Meilenstein: C1 führte auf Basis der computergestützten Katalysesimulationen erstmals einen homogenen Methanolkatalyseprozess kontinuierlich ohne Bedienereingriffe durch – ein Prozess, der normalerweise viele Jahre dauert. Dieser Produktionslauf fand über einen Zeitraum von 20 Tagen statt. Unter milden Bedingungen von 20 bar und 120 °C wurde eine CO-Umwandlung von 95 % pro Durchlauf mit einer Selektivität von 95 % erreicht. Die Ergebnisse bestätigen die Vorhersagen aus den quantenchemischen Simulationen von CreativeQuantum und sind ein Durchbruch.

Vorteile des neuartigen Verfahrens von C1

Das neue Verfahren bietet mehrere Vorteile gegenüber der konventionellen Methanolherstellung. Allem voran steht die vielfach höhere Methanolausbeute bei nur einem Durchsatz (single-pass) ohne aufwändige Produktaufarbeitung. Geringere Drücke und Temperaturen erlauben kleiner ausgelegte Kompressoren und Reaktoren und resultieren in einem geringeren Energiebedarf.

Biogene Ausgangsstoffe und Synthesegas mit hohem Inertgasanteil können ebenso verarbeitet werden wie Synthesegase mit variablem C:H-Verhältnis. Und durch Einsatz eines flüssigen Reaktionsmediums kann die Temperatur schnell und stabil geregelt werden, was eine flexible Fahrweise erlaubt. Zusätzlich können, um CO2-Emissionen und erneuerbaren Wasserstoff in Synthesegas umzuwandeln, z.B. der Reverse-Water-Gas-Shift Prozess (rWGS) oder die Co-Elektrolyse genutzt werden. Diese Verbesserungen resultieren in bis zu 10 % geringeren Herstellkosten als konventionelle Methanolproduktion. Mit dem Erreichen des Technology-Readiness-Level 6 im Sommer 2024 und der geplanten Inbetriebnahme der ersten kommerziellen Demonstrationsanlage im Jahr 2026, geht C1 einen entscheidenden Schritt voran in Richtung einer nachhaltigeren chemischen Industrie. Das Unternehmen hat bereits mit der Planung der Demonstrationsanlage begonnen und ist auf der Suche nach geeigneten Partnern. Der Baubeginn ist für 2025 geplant.

Autor:

Mathias Mostertz, CTO, C1 Green Chemicals © C1   Mathias Mostertz, CTO, C1 Green Chemicals

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